Die KraHbÜrsib ®ong?. S^netSer-e^elie
Sie wollte heiraten. Sie stand auf und wollte heiraten, sie ging
ins Belt und wollte heiraten, sie träumte vom Leiraten, sie wollte
heiraten, heiraten, heiraten, sonst nichts auf der Welt. Aber es war
kein Mann da.
War wirklich keiner da? Es waren genug Männer um sie herum,
im Geschäft, auf der Straße, wenn sie ins Kino oder Theater oder
in ein Cafe ging, und sie hätte bestimmt manchem gefallen, aber sie
war eine Kratzbürste.
Eigentlich, so komisch es klingt, war sie eine Kratzbürste, weil sie
so wahnsinnig gern heiraten wollte. Sie dachte, jeder sehe es ihr an,
und darum kratzte sie. — Man kann doch nicht, das geht doch nicht,
das darf doch nicht sein, dachte sie ununterbrochen.
Schön; aber da gab es einen Mann, der ebenso leidenschaftlich
nicht heiraten wollte, wie sie heiraten wollte. Nur nicht heiraten,
dachte er Tag und Nacht, nur um Gotteswillen nicht heiraten, gar
niemals heiraten! Und dieser Mann war zufällig ihr Chef. Es war
in der Neklameabteilung der Seifenfabrik, wo sie angestellt war,
und da diktierte er die Briefe, die
sie schrieb. Es waren hübsche Briefe,
gute Briefe, fand sie. Er war noch
jung und schon tüchtig, und er inachte
kein Lchl aus seiner Abneigung gegen
das Leiraten, so wenig sie ihre Kratz-
bürstigkeit verbarg, im Gegenteil.
„Puh, heiraten," sagte er, „lieber
scheintot ins Massengrab!" und sie
lachte ihm spöttisch ins Gesicht, wenn
er es sagte. Sie wurde eine Zeitlang
sogar noch kratzbürstiger, aber dann
fiel ihr ein, daß sie diesem Mann gegen-
über eigentlich ruhig so sein konnte,wie
sie wirklich war, denn er kam ja sowie-
so nicht in Frage, und ihm fiel ein, daß
er sich diesem Mädchen gegenüber ge-
trost etwas weniger heiratsfeindlich
gebärden konnte, da ja von ihrer
Kratzbürstigkeit weder eine Ver-
lockung noch Versuchung ausging.
So kam es, daß die beiden mit
der Zeit recht gute Freunde wurden.
Nun ist das in einem Büro so: Es
gibt zweierlei Ton, den dienstlichen:
„Bitte, Fräulein, schreiben Sie!" —
„Jawohl, Lerr Müller!" und den
außerdienstlichen: „Sagen Sie mal,
Fräulein Illa, wo haben Sie dieses
verdammt gute Parfüm her?" —
„Och, möchten Sie auch was davon
abbekommen? Gern?"-And all-
mählich geht die außerordentliche
Anterhaliung während der Früh-
stückspause beispielsweise auch zu
anderen Themen über: „Warum sind
Sie eigentlich so eine Kratzbürste,
Fräulein Illa?" — Warum sind Sie
eigentlich so gegen das Leiraten,
Lerr Müller?"
116
Kurz und gut, eines Tages gestand Illa Lerrn Müller, warum
sie eine Kratzbürste war. Sie wollte nicht, daß man ihr ansehen sollte,
daß sie heiraten wollte. „Ihnen kann ich es ja sagen, Lerr Müller,"
sagte sie, „denn Sie scheiden von vornherein aus."
„Natürlich," sagte Lerr Müller. „Aber das ist ja furchtbar."
And dann fragte er, warum sie denn nicht einfach heirate, wenn sie
so schrecklich gern wolle. — „Weil kein Mann da ist," sagte sie.
Das glaubte Lerr Müller nicht. Er sagte, es seien genug Männer
da, und Illa sei ein reizendes Mädchen, das er persönlich vom Fleck
weg heiraten würde, wenn er eben nicht doch das Massengrab vorzöge.
„Eben," wiederholte Illa bei dieser Bemerkung, aber sie sagte es
so leise, daß Lerr Müller es nicht hören konnte.
Er werde ihr einen Mann verschaffen, sagte er. Das sei ja gelacht.
„Bitte," sagte Illa.
Daraufhin fing Lerr Müller an, die Männer, die in der Nähe
waren, auf ihre Eheeignung hin durchzusehen. Es stellte sich leider
heraus, daß an jedem etwas auszusetzen war. Der eine war schon
verheiratet, der andere war zu alt, der dritte war zu jung, der vierte
kam überhaupt nicht in Frage. Von
dem ganzen Betrieb blieben schließ-
lich nur zwei übrig: Der General-
direktor und Lerr Müller selbst.
Den Generaldirektor fand Illa
nicht so Übel, aber Lerr Müller be-
zweifelte, ob er der richtige sei; er sei
schon etwas dick und überhaupt ...
„Aber wir werden jemand finden,"
sagte er, „der in jeder Linstcht ent-
spricht; unter Garantie." And er
ging weiter auf die Bräutigamschau.
Sonderbarerweise fand er nie-
mand. Nicht daß Illa die Männer,
die er heranschleppte, abgelehnt hätte;
er kam mit gar niemand an. — „Die
Männer taugen nichts," sagte er, und
ein andermal sagte er nach tiefem
Nachdenken: „Ihr Mann muß natür-
lich ein Weiberfeind sein."
„Wieso?" fragte Illa.
„Ein Weiberfeind ist treu," sagte
Lerr Müller, „alle anderen Männer
sind treulos. Ein Mann hingegen
wie ich . . ." Er brach ab.
„Einen Mann wie Sie würde ich
nie heiraten," sagte Illa, „solche
Männer sind eigensüchtig, rücksichts-
los, roh; kommt gar nicht in Frage."
„Oho!" Lerr Müller fing an die
Männer, die so waren wie er, zu
verteidigen. „Das sind tadellose
Männer," sagte er. „Das sind Män-
„er!" Schließlich sang er eine Lobes-
hymne auf sich selbst.
„Gut," sagte Illa, „aber das
kommt nur, weil Sie lieber ins
Massengrab wollen. Sobald es an-
ders wäre, wäre Schluß."
(Fortsetzung Seite 119)
lächerlich machen!"
„Ich verzichte gern darauf. Sie werden das schon selbst besorgen."
Sie wollte heiraten. Sie stand auf und wollte heiraten, sie ging
ins Belt und wollte heiraten, sie träumte vom Leiraten, sie wollte
heiraten, heiraten, heiraten, sonst nichts auf der Welt. Aber es war
kein Mann da.
War wirklich keiner da? Es waren genug Männer um sie herum,
im Geschäft, auf der Straße, wenn sie ins Kino oder Theater oder
in ein Cafe ging, und sie hätte bestimmt manchem gefallen, aber sie
war eine Kratzbürste.
Eigentlich, so komisch es klingt, war sie eine Kratzbürste, weil sie
so wahnsinnig gern heiraten wollte. Sie dachte, jeder sehe es ihr an,
und darum kratzte sie. — Man kann doch nicht, das geht doch nicht,
das darf doch nicht sein, dachte sie ununterbrochen.
Schön; aber da gab es einen Mann, der ebenso leidenschaftlich
nicht heiraten wollte, wie sie heiraten wollte. Nur nicht heiraten,
dachte er Tag und Nacht, nur um Gotteswillen nicht heiraten, gar
niemals heiraten! Und dieser Mann war zufällig ihr Chef. Es war
in der Neklameabteilung der Seifenfabrik, wo sie angestellt war,
und da diktierte er die Briefe, die
sie schrieb. Es waren hübsche Briefe,
gute Briefe, fand sie. Er war noch
jung und schon tüchtig, und er inachte
kein Lchl aus seiner Abneigung gegen
das Leiraten, so wenig sie ihre Kratz-
bürstigkeit verbarg, im Gegenteil.
„Puh, heiraten," sagte er, „lieber
scheintot ins Massengrab!" und sie
lachte ihm spöttisch ins Gesicht, wenn
er es sagte. Sie wurde eine Zeitlang
sogar noch kratzbürstiger, aber dann
fiel ihr ein, daß sie diesem Mann gegen-
über eigentlich ruhig so sein konnte,wie
sie wirklich war, denn er kam ja sowie-
so nicht in Frage, und ihm fiel ein, daß
er sich diesem Mädchen gegenüber ge-
trost etwas weniger heiratsfeindlich
gebärden konnte, da ja von ihrer
Kratzbürstigkeit weder eine Ver-
lockung noch Versuchung ausging.
So kam es, daß die beiden mit
der Zeit recht gute Freunde wurden.
Nun ist das in einem Büro so: Es
gibt zweierlei Ton, den dienstlichen:
„Bitte, Fräulein, schreiben Sie!" —
„Jawohl, Lerr Müller!" und den
außerdienstlichen: „Sagen Sie mal,
Fräulein Illa, wo haben Sie dieses
verdammt gute Parfüm her?" —
„Och, möchten Sie auch was davon
abbekommen? Gern?"-And all-
mählich geht die außerordentliche
Anterhaliung während der Früh-
stückspause beispielsweise auch zu
anderen Themen über: „Warum sind
Sie eigentlich so eine Kratzbürste,
Fräulein Illa?" — Warum sind Sie
eigentlich so gegen das Leiraten,
Lerr Müller?"
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Kurz und gut, eines Tages gestand Illa Lerrn Müller, warum
sie eine Kratzbürste war. Sie wollte nicht, daß man ihr ansehen sollte,
daß sie heiraten wollte. „Ihnen kann ich es ja sagen, Lerr Müller,"
sagte sie, „denn Sie scheiden von vornherein aus."
„Natürlich," sagte Lerr Müller. „Aber das ist ja furchtbar."
And dann fragte er, warum sie denn nicht einfach heirate, wenn sie
so schrecklich gern wolle. — „Weil kein Mann da ist," sagte sie.
Das glaubte Lerr Müller nicht. Er sagte, es seien genug Männer
da, und Illa sei ein reizendes Mädchen, das er persönlich vom Fleck
weg heiraten würde, wenn er eben nicht doch das Massengrab vorzöge.
„Eben," wiederholte Illa bei dieser Bemerkung, aber sie sagte es
so leise, daß Lerr Müller es nicht hören konnte.
Er werde ihr einen Mann verschaffen, sagte er. Das sei ja gelacht.
„Bitte," sagte Illa.
Daraufhin fing Lerr Müller an, die Männer, die in der Nähe
waren, auf ihre Eheeignung hin durchzusehen. Es stellte sich leider
heraus, daß an jedem etwas auszusetzen war. Der eine war schon
verheiratet, der andere war zu alt, der dritte war zu jung, der vierte
kam überhaupt nicht in Frage. Von
dem ganzen Betrieb blieben schließ-
lich nur zwei übrig: Der General-
direktor und Lerr Müller selbst.
Den Generaldirektor fand Illa
nicht so Übel, aber Lerr Müller be-
zweifelte, ob er der richtige sei; er sei
schon etwas dick und überhaupt ...
„Aber wir werden jemand finden,"
sagte er, „der in jeder Linstcht ent-
spricht; unter Garantie." And er
ging weiter auf die Bräutigamschau.
Sonderbarerweise fand er nie-
mand. Nicht daß Illa die Männer,
die er heranschleppte, abgelehnt hätte;
er kam mit gar niemand an. — „Die
Männer taugen nichts," sagte er, und
ein andermal sagte er nach tiefem
Nachdenken: „Ihr Mann muß natür-
lich ein Weiberfeind sein."
„Wieso?" fragte Illa.
„Ein Weiberfeind ist treu," sagte
Lerr Müller, „alle anderen Männer
sind treulos. Ein Mann hingegen
wie ich . . ." Er brach ab.
„Einen Mann wie Sie würde ich
nie heiraten," sagte Illa, „solche
Männer sind eigensüchtig, rücksichts-
los, roh; kommt gar nicht in Frage."
„Oho!" Lerr Müller fing an die
Männer, die so waren wie er, zu
verteidigen. „Das sind tadellose
Männer," sagte er. „Das sind Män-
„er!" Schließlich sang er eine Lobes-
hymne auf sich selbst.
„Gut," sagte Illa, „aber das
kommt nur, weil Sie lieber ins
Massengrab wollen. Sobald es an-
ders wäre, wäre Schluß."
(Fortsetzung Seite 119)
lächerlich machen!"
„Ich verzichte gern darauf. Sie werden das schon selbst besorgen."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Schon voriges Jahr haben Sie Ihren Witz an mir ausgelassen, ..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1938
Entstehungsdatum (normiert)
1933 - 1943
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 188.1938, Nr. 4830, S. 116
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg