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Lucian, der Träumer V°n A. W.

Mein Freund Lucia» war immer ein weltfremder Träumer.
Zwei Dinge haben Lucians Leben entscheidend bestimmt: sein Bart
und sein Lang zu Erfindungen.

Es war kein Zufall, daß er in seiner Wohnung lauter Porträts
von bärtigen Männern hängen hatte: Leinrich VIII. von England,
Lenri quatre, Bismarck in der Zeit des Berliner Vertrags und
andre Matadoren des Fußsackes. Ganz zu schweigen von der Photo-
graphie eines japanischen Bartklubs, dessen bescheidenstes Mitglied
eine Matratze von 78 englischen Zoll sein eigen nannte. Wie so oft,
so waren es auch hier Wunschträume, mit denen sich Lucian umgab.
Denn hier lag der Lase bei ihm im Pfeffer: sein Laarwuchs war
zwar nach der Lärteskala erstklassig und phänomenal, aber sonst
gänzlich ungeeignet. Wenn er den Bart zwei Tage stehen ließ, dann
trug er eine Art Kornfeld nach Gewittersturm im Gesicht, eine Partie
stand aufrecht, andre Stellen waren wie von Wirbelwinden im Kreise
umgelegt, und der Rest starrte wie Kraut und Rüben durcheinander.
So blieb für Lucian Rasieren das einzig mögliche.

Lier setzte nun sein Erfinderdrang ein. Statt sich normaler Meffer
und Apparate zu bedienen, hatte er es sich in den Kopf gesetzt, eine
Maschinerie eigner Konstruktion zu verwenden. Gesehen haben dieses
Werkzeug nicht einmal seine besten Freunde. Man hörte nur soviel,
daß sich das Patentamt vor Lachen gebogen hätte, als Lucian die
Skizzen einreichte. Sicher ist, daß es sich
um eine Art Kreissäge handelte.

Ich konnte einige Male, allerdings nur
vom Nebenzimmer aus, Zeuge der mörde-
rischen Prozedur werden.

Ein Schlachtfest war es, wenn Lucian
sich zur Rasterhandlung in sein stilles Käm-
merlein zurückzog. Nebenbei: still war das
Kämmerlein nur so lange, wie Lucian seine
Vorbereitungen traf, bei denen das sonst
im Vordergrund stehende Einseifen die ge-
ringste Rolle spielte. Lier wurde der Bart
zunächst durch verschiedene Bäder gejagt,
um ihn gefügiger zu machen, dann folgten
geheimnisvolle Einreibungen in die Gesichts-
haut. Bis sich der Rasiergrund dann wieder
besänftigt hatte, verging eine gute halbe
Stunde — und dann wurde das Kämmer-
lein laut, sogar sehr laut! Erst drangen
nur dumpfe Flüche durch die Türe. Dann
kam eine Periode lauter und ellenlanger,
in keinem Lexikon enthaltener Verwün-
schungen. Lierauf folgten heftige Tritte
auf den Fußboden, Stampfen gegen die
Waschkommode, Wut- und Schmerzschreie,
fallendes Geschirr und das Poltern um-
gestoßener Tische, vermischt mit dem Schur-
ren von Stühlen, denen man mit Gewalt
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„Ich bin Damenfriseur, Lerr Parkwächter,
die Frisur ist mir zu unmodern!"

eine gewisse Beschleunigung erteilt. Zuletzt erschien Lucian, aus
Schräg-, Lorizontal- und Vertikalschnitten blutend, zerschrammt, zer-
schrotet, mit geröteter und gequollener Gesichtshaut. Der Adams-
apfel war zerfetzt wie ein Tennisplatz nach einem fünfstündigen
scharfen Match, auf dem Jochbein vor dem linken Ohr saß eine
regelrechte, wie von der Mensur stammende Tiefquart. Das ganze
Jammerbild war übersät von kleinen und großen Stippchen Eisen-
chloridwatte.

Eines Tages kehrte Luoian von einer Weltreise nicht wieder
nach Lause. Ich lernte zufällig den Kapitän des Dampfers kennen,
mit dem Lucian gefahren war. So erfuhr ich die näheren Amstände.
Bei einer Landung in der Südsee wurde Lucian von den Einge-
borenen umzingelt und ins Innere des Landes entführt. Man fürch-
tete, er könne das Opfer geheimnisvoller Riten werden, und der
Kapitän verhandelte wegen Lerausgabe seines Passagiers. Aber
das war erfolglos. And die Eingeborenen sagten auch, weshalb. Lucian
hatte sich drei Tage wegen hohen Seegangs nicht rasieren können,
und ein Kraut- und Rüben-Bart, wie er ihn nun hatte, galt auf
jener Insel als Zeichen göttlicher Abstammung. Lucian wurde von
ihnen gemästet und wie ein Leiliger verehrt.

Ich Hab ihm neulich geschrieben. Ich ließ in meinem Brief nicht
unerwähnt, daß sein Leben eine ganz andere Wendung hätte nehmen
können, wenn er sich wie jeder vernünftige Mensch entschlossen hätte,
zum Friseur zu gehen. Nach drei Monaten
kam seine Antwort. Es sei nun zu spät.
And dann machte er mir bittere Vorwürfe,
warum ich ihn nicht früher auf die Idee
gebracht hätte, sich rasieren zu lassen.

Anüberlegt

„An diesen Lausschuhen haben Sie was
für's Leben, und da der Vorrat zur Neige
geht, würde ich Ihnen empfehlen, gleich
mehrere Paare zu kaufen!"

Der Schluck

„Anerhört, die ganze Maß Bier in einem
Zuge auszutrinken l Trinken Sie doch
schluckweise!"

„Das war ein Schluck!"

Störungen

„Jeden Augenblick kommt einer mit
'ner Rechnung, wenn ich mich zur Mit-
tagsruhe niederlege — die Schulden lassen
mich wohl schlafen, aber die Gläubiger
nicht!"
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ich bin Damenfriseur, Herr Parkwächter, ..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Frank, Hugo
Entstehungsdatum
um 1938
Entstehungsdatum (normiert)
1933 - 1943
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Park <Motiv>
Plastik
Frisur
Friseur

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 188.1938, Nr. 4839, S. 258
 
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