Zeichnung von M, Glau*
Schüchterner Versuch
Neun Ahr abends. Kniesels — die Leute
sind jetzt 30 Jahre verheiratet — sitzen beim
traulichen Lampenschimmer beisammen; sie
legt Patiencen, und er liest Reuter.
Kniefel bekommt Durst, eine ganz be-
stimmte Sorte von Durst. „Wollen wir nicht
einen Grog trinken, Lermine?"
Die letzten drei Patiencen sind nicht auf-
gegangen. Lermine Kniefel ist schlechter
Laune; sie entscheidet: „Nein! Ich will keinen
Grog, und für dich werde ich jetzt nicht extra
Waffer aufsetzen."
Kniefel überlegt. „Aber vielleicht möchtest
du Tee?"
Der Gleichgültige
Seit drei Monaten verkehrt Ewald Dachs
bei Bockelbergs, die der Meinung sind, daß
die Tochter Antonie ihm Veranlassung gebe,
diesen Verkehr zu pflegen. Ewald Dachs ist
bei der Polizei — in einem besonderen Zweige
des Innendienstes.
Leute hat Antonie Bockelberg Geburtstag.
Sie und auch ihre Frau Mutter erwarten
herzliche Glückwünsche von Ewald Dachs.
Aber die Glückwünsche bleiben aus, und Frau
Bockelberg klagt dem Gatten: „Er scheint es
doch nicht so recht ernst zu meinen mit der
Toni."
Der Vater Bockelberg versteht das nicht.
„Ist ja Ansinn! Der Mann weiß doch gar
nicht, daß sie heute Geburtstag hat."
„Aber wenn ihm daran gelegen wäre,
könnte er es wissen. Er braucht ja nur nach-
zusehn; er ist doch im Einwohner-Meldeamt."
Befürchtung „Rede nur nicht zu schwärmerisch, Lorenz, wenn du bei meinem
Vater um mich anhältst. Er hat gar nichts für Poesie übrig."
„Nein, nein — — vielleicht wird ihm meine Bewerbung gar zu ungereimt scheinen."
Besserung
Schon wieder einmal hat sich der Stadt-
rendant Rumpoldin über den Vetter Oskar
ärgern müssen. Jetzt redet er ein ernstes Wort
mit ihm. „Mit deinem Lebenswandel geht es
so nicht weiter, mein Lieber! Einem alten
Junggesellen läßt man ja allerlei durchgehn,
aber du treibst es zu toll. Das darf man
nicht in unserer kleinen Stadt; alle Leute
reden über dich, und das ist peinlick für
die ganze Familie. Also kurz und gut:
das muß anders werden!"
Der Vetter Oskar nickt durchaus beistim-
mend. „Du hast vollkommen recht. Ich habe
mir das auch schon überlegt; ich denke, ich
werde nach Berlin zieh«."
Wir wollen keine Mannequins
Abend," sagte Fräulein Else gebieterisch, und die Lerren gingen
folgsam mit an die Lauptkasse im Erdgeschoß des Kaufhauses
Glempinger und besorgten sich Karten für die Modeschau, froh noch
einen Augenblick mit den lustigen Damen plaudern zu dürfen. Jeder
von den Lerren nahm einen der Koffer auf. Die Damen sollten
sich in Oberschrotbach nicht bemühen müssen. Mit Genugtuung sah
der junge Glempinger, daß ein paar Frauen aus dem Fenster
schauten. Die Lerren würden wahrscheinlich einiges über ihren
Kavalierseiferzu hören bekommen. Ganz recht geschah ihnen. Warum
hatten sie ihm solche Angst eingejagt wegen der Modenschau.
Die große Lalle des Kaufhauses war übervoll. Die Manne-
quins schwebten wie die Glücksfeen in ihren schönen Kleidern vorbei.
Sie lächelten die Frauen an, und niemand konnte ihnen widerstehen.
Die Lerzen der Frauen konnten den Kleidern nicht widerstehen, und
die Geldbeutel der Männer konnten den Gesichtern der Manne-
quins nicht widerstehen. Am wunderbarsten aber konnte es Fräulein
Else. Da konnte der Lerr Glempinger in Person nicht widerstehen.
And während es in halb Oberschrotbach in den nächsten Tagen
häusliche Szenen gab, weil die Männer berappen mußten, und weil
die Frauen behaupteten, daß die Männer gar nicht sachlich die
Kleider, sondern höchst unsachlich die Mädchen angeschaut hätten,
flatterten ein paar Brieflein privater Art vom Kaufhaus fort und
ins Kaufhaus zurück, und ehe man sich umsah, empfahlen sich in
den „Oberschrotbacher Nachrichten" Herr Julius Glempinger und
Frau Else Glempinger als Vermählte.
„Ich habe es ja gleich gesagt, daß uns die Modenschau teuer
kommt, jetzt dürfen wir noch die Lochzeitsgeschenke bezahlen," so
sagte der Lerr Doktor an der Tafelrunde in der „Krone von
Portugal"
Die Frauen von Oberschrotbach ließen den jungen Glempinger
fühlen, daß sie die Modenschau doch als eine Ablenkung von ihren
eigenen Vorzügen empfunden hatten, und als galanter Kaufmann
ließ er dagegen durchsickern, daß er diese Anternehmung nicht zu
wiederholen beabsichtige.
Nur die Männer von Oberschrotbach fragten hin und wieder,
ob es denn nicht bald wieder einmal fesche Mannequins geben werde.
Aber der junge Glempinger erwiderte: „Wir haben hier ein Manne-
quin, nämlich meine Frau, und das genügt. Im übrigen wollen wir
in Oberschrotbach keine Mannequins."
311
Schüchterner Versuch
Neun Ahr abends. Kniesels — die Leute
sind jetzt 30 Jahre verheiratet — sitzen beim
traulichen Lampenschimmer beisammen; sie
legt Patiencen, und er liest Reuter.
Kniefel bekommt Durst, eine ganz be-
stimmte Sorte von Durst. „Wollen wir nicht
einen Grog trinken, Lermine?"
Die letzten drei Patiencen sind nicht auf-
gegangen. Lermine Kniefel ist schlechter
Laune; sie entscheidet: „Nein! Ich will keinen
Grog, und für dich werde ich jetzt nicht extra
Waffer aufsetzen."
Kniefel überlegt. „Aber vielleicht möchtest
du Tee?"
Der Gleichgültige
Seit drei Monaten verkehrt Ewald Dachs
bei Bockelbergs, die der Meinung sind, daß
die Tochter Antonie ihm Veranlassung gebe,
diesen Verkehr zu pflegen. Ewald Dachs ist
bei der Polizei — in einem besonderen Zweige
des Innendienstes.
Leute hat Antonie Bockelberg Geburtstag.
Sie und auch ihre Frau Mutter erwarten
herzliche Glückwünsche von Ewald Dachs.
Aber die Glückwünsche bleiben aus, und Frau
Bockelberg klagt dem Gatten: „Er scheint es
doch nicht so recht ernst zu meinen mit der
Toni."
Der Vater Bockelberg versteht das nicht.
„Ist ja Ansinn! Der Mann weiß doch gar
nicht, daß sie heute Geburtstag hat."
„Aber wenn ihm daran gelegen wäre,
könnte er es wissen. Er braucht ja nur nach-
zusehn; er ist doch im Einwohner-Meldeamt."
Befürchtung „Rede nur nicht zu schwärmerisch, Lorenz, wenn du bei meinem
Vater um mich anhältst. Er hat gar nichts für Poesie übrig."
„Nein, nein — — vielleicht wird ihm meine Bewerbung gar zu ungereimt scheinen."
Besserung
Schon wieder einmal hat sich der Stadt-
rendant Rumpoldin über den Vetter Oskar
ärgern müssen. Jetzt redet er ein ernstes Wort
mit ihm. „Mit deinem Lebenswandel geht es
so nicht weiter, mein Lieber! Einem alten
Junggesellen läßt man ja allerlei durchgehn,
aber du treibst es zu toll. Das darf man
nicht in unserer kleinen Stadt; alle Leute
reden über dich, und das ist peinlick für
die ganze Familie. Also kurz und gut:
das muß anders werden!"
Der Vetter Oskar nickt durchaus beistim-
mend. „Du hast vollkommen recht. Ich habe
mir das auch schon überlegt; ich denke, ich
werde nach Berlin zieh«."
Wir wollen keine Mannequins
Abend," sagte Fräulein Else gebieterisch, und die Lerren gingen
folgsam mit an die Lauptkasse im Erdgeschoß des Kaufhauses
Glempinger und besorgten sich Karten für die Modeschau, froh noch
einen Augenblick mit den lustigen Damen plaudern zu dürfen. Jeder
von den Lerren nahm einen der Koffer auf. Die Damen sollten
sich in Oberschrotbach nicht bemühen müssen. Mit Genugtuung sah
der junge Glempinger, daß ein paar Frauen aus dem Fenster
schauten. Die Lerren würden wahrscheinlich einiges über ihren
Kavalierseiferzu hören bekommen. Ganz recht geschah ihnen. Warum
hatten sie ihm solche Angst eingejagt wegen der Modenschau.
Die große Lalle des Kaufhauses war übervoll. Die Manne-
quins schwebten wie die Glücksfeen in ihren schönen Kleidern vorbei.
Sie lächelten die Frauen an, und niemand konnte ihnen widerstehen.
Die Lerzen der Frauen konnten den Kleidern nicht widerstehen, und
die Geldbeutel der Männer konnten den Gesichtern der Manne-
quins nicht widerstehen. Am wunderbarsten aber konnte es Fräulein
Else. Da konnte der Lerr Glempinger in Person nicht widerstehen.
And während es in halb Oberschrotbach in den nächsten Tagen
häusliche Szenen gab, weil die Männer berappen mußten, und weil
die Frauen behaupteten, daß die Männer gar nicht sachlich die
Kleider, sondern höchst unsachlich die Mädchen angeschaut hätten,
flatterten ein paar Brieflein privater Art vom Kaufhaus fort und
ins Kaufhaus zurück, und ehe man sich umsah, empfahlen sich in
den „Oberschrotbacher Nachrichten" Herr Julius Glempinger und
Frau Else Glempinger als Vermählte.
„Ich habe es ja gleich gesagt, daß uns die Modenschau teuer
kommt, jetzt dürfen wir noch die Lochzeitsgeschenke bezahlen," so
sagte der Lerr Doktor an der Tafelrunde in der „Krone von
Portugal"
Die Frauen von Oberschrotbach ließen den jungen Glempinger
fühlen, daß sie die Modenschau doch als eine Ablenkung von ihren
eigenen Vorzügen empfunden hatten, und als galanter Kaufmann
ließ er dagegen durchsickern, daß er diese Anternehmung nicht zu
wiederholen beabsichtige.
Nur die Männer von Oberschrotbach fragten hin und wieder,
ob es denn nicht bald wieder einmal fesche Mannequins geben werde.
Aber der junge Glempinger erwiderte: „Wir haben hier ein Manne-
quin, nämlich meine Frau, und das genügt. Im übrigen wollen wir
in Oberschrotbach keine Mannequins."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Befürchtung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1938
Entstehungsdatum (normiert)
1933 - 1943
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 188.1938, Nr. 4842, S. 311
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg