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Juristische AusMnfie

In den kleinen Städten werden die Ortszeitungen viel ge-
nauer gelesen als in den großen; die Leute haben mehr Zeit
dazu und die Zeitungen geringeren Umfang. Die Leser des
„Pritzbrücker Abendboten" gingen also an der neu angelegten
juristischen Ecke nicht achtlos vorüber; sie verweilten sogar
mit Interesse in dieser Ecke und schnüffelten voll Neugier
darin herum. Am den unbekannten Mann, dem zu einem
Zahlungsbefehl geraten wurde, kümmerte man sich weniger.

Leute, die nicht pünktlich zahlten, und andere, die sich darüber
beklagen mußten, gab es auch in Pritzbrück genug. Aber wer
war der Vater mit dem löjährigen Sohn? Welcher Bengel
in Pritzbrück sollte denn vor der Zeit für volljährig erklärt
werden? Dahinter konnte doch nur eine böse Absicht stecken,
eine zur Benachteiligung von Gläubigern ersonnene üble
Schiebung. Der Alte sieht voraus, daß er bald nicht mehr
weiter können wird, und nun soll das Söhnchen heran und
schnell geschäftsfähig werden. Ja, das gibt es! Man riet hin
und her. Einige Väter mit Söhnen entsprechenden Alters
konnten in Frage kommen. Da war der Kolonialwarenhänd-
ler Kochanke. Sein Geschäft blühte zwar wie ein üppiger
Kirschbaum, aber wer konnte wissen, ob nicht schon an den
Wurzeln des Baums wie Würmer heimliche Spekulationen
"agien? Kochankes Sohn Eduard hatte zwar das Gymnasium
absolviert und wollte Medizin studieren, aber vielleicht war
er bereit, zur Rettung der Familie — es waren noch vier
Töchter da — seine Aussichten zu opfern. Auch noch auf
einige andere Äerren fiel solch Verdacht, und es entstand
häßlicher Klatsch. So gab denn diese juristische Auskunft des
»Abendboten" angenehme Unterhaltung; man nahm sie mit Wohl-
gefallen auf.

Nur die beiden Rechtsanwälte Dr. Cyliax und Dr. Knabe emp-
fanden Mißfallen. Ihnen beiden allein kam es in Pritzbrück zu,
juristische Auskünfte zu erteilen, denn das war ihr Erwerb. Wer
war der Unbekannte, der da als unlauterer Wettbewerber auftrat?
Vei einer freundschaftlich geleerten Flasche Wein erwogen sie dies.
Von den studierten Juristen am Amtsgericht würde sich wohl niemand
SU solcher Nebenarbeit herablassen. Aber vielleicht war es ein unter-
geordneter Beamter, ein einfacher Gerichtssekretär. Solch ein Kerl

- — wenn ich'n bißchen iibe, kann ich das auch!

„Warum kannst du denn den Koffer nicht nehmen, die
paar Sachen gehen doch alle rein?"

„Schon, aber es gehen keine Lotelmarken mehr drauf!"

weiß manchmal besser Bescheid in der Rechtspraxis als seine Vor-
gesetzten. Jedenfalls sandten sie Flüche aus das unbekannte Laupt,
in dem in so ungehöriger Weise ausgenüyte Kenntnisse steckten. Daß
dieses Laupt dem Redakteur Cornelius Schnabel gehören könnte,
und die Kenntnisse gar nicht darin, sondern auf seinem Schreibtisch
in zwei dicken Bänden steckten — das vermuteten die beiden Lerren
nicht. Sie wären sofort daraus gekommen, wenn sie den Text des
im „Abendboten" angegebenen Zahlungsbefehls mit dem in der
Quelle verglichen hätten. Aber den „Laien und die Rechtspflege"
besaßen sie natürlich nicht; sie waren ja keine Laien.

Daß die beiden Anwälte sich ärgerten,
konnten die Vettern Oskar und Cornelius
Schnabel nur vermuten. Daß sie aber auch sonst
mit ihren ersten juristischen Auskünften Erfolg
gehabt und für Pritzbrück eine Quelle der Zer-
streuung mit Klatsch und Lerumraten ge-
schaffen hatten, konnten sie mit Sicherheit fest-
stellen, denn es fehlte seitens mancher guten Be-
kannten nicht an neugierigen Fragen. Neugierige
Fragen können sonst sehr lästig fallen, aber diese
durften sie einfach mit dem kühlen Linweis
auf das Redaktionsgeheimnis abfertigen. Sie
beschlossen also, die Quelle munter weiter sprudeln
zu lassen.

Die nächsten Auskünfte brachten für einen
„Insolventen Geschäftsmann" den Entwurf eines
beim Amtsgericht einzureichenden Antrags auf
Konkurseröffnung und für eine „Unglückliche Ehe-
frau" diese Erklärung: „Unter den geschilderten
Umständen dürfte, zumal Sie sich die Beweise
für das unerlaubte Verhalten Ihres Gatten
bereits gesichert haben, eine obsiegende Klage
auf Ehescheidung einen glatten Verlauf nehmen.
Da aber für Ehescheidungssachen das Landgericht
zuständig ist, und bei diesem Anwaltszwang be-
steht, müssen Sie sich wohl oder Übel einen An-
walt nehmen."

Diese Ergüsse der juristischen Quelle wurde»
in Pritzbrück mit Wonne geschluckt. Das war
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Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Warum kannst du denn den Koffer nicht nehmen, ...?" "- - - wenn ich'n bißchen übe, kann ich das auch!"
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Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Mauder, Josef
Entstehungsdatum
um 1938
Entstehungsdatum (normiert)
1933 - 1943
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 189.1938, Nr. 4852, S. 55

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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