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Zeichnung von M. Claus

^igne Wege

Wir sahn uns auf der Straßenbahn,
Und bald darauf sprach sie mich an.
Sie sagte: „Herr, Sie drängeln so!"
Ich sagte nichts; ich machte: Ooh!

Dann sahn wir uns vorm Automat;

Sie wollte russischen Salat.

Ihr Groschen ging nicht ganz hinein.
Ich hatte einen; das war Schwein.

Im Kino auf dem dritten Platz
Sah ich sie wieder. Keine Katz
Saß in der Reihe neben ihr
Zuerst und später — außer mir.

Da fragt sie, ob es Zufall sei?

Ich sagte, Schicksal sei dabei.

Und dann bracht ich sie bis vors Haus
Und dabei sprachen wir uns aus.

Die Mädchen, das mußt du verstehn,
Woll'n ihre eignen Wege gehn.
Doch sie gewinnt, wer früh und spät
Ihnen dabei im Wege steht.

c. D.

Klavierstnnde

Klärchen hatte Klavierstunden. Klär-
chens Vater lauschte im Nebenzimmer.
Plötzlich kam er hereingetobt.

„Das fehlte noch! Das fehlte noch!"
„Was denn, Papa?"

„Klavier sollt ihr spielen, und Karten
spielt ihr!"

„Wir spielen doch nicht Karten, Papa!"
Der Vater schrie: „Ich habe ganz deut-
lich gehört, wie er gesagt hat: Fräulein,
jetzt müffen Sie As spielen!"

Seine Freude „Lerrlich, dieses Erwachen im Urlaub! Aufstehen, obwohl man
nicht muß — und nicht weiter schlafen, obwohl man könnte!"

Märchenbuch

Christine las wie nicht gescheit ununterbrochen in ihrem Märchen-
buch. Die besorgte Mutter sagte:

„Lör aus zu lesen, Christine, du verdirbst dir die Augen!"

„Rur noch drei Seiten, Mama — ich muß das Buch heute noch
auslesen."

„Warum mußt du es heute noch auslesen?"

„Weil es ein Märchenbuch für unsere Zehnjährigen ist, und ich
werde morgen elf Jahre."

Der Wächter

„Bitte," sagte ein Lerr in der Lundeausstellung, „wo ist denn
der Lund, der den ersten Preis für Wächterdienste bekommen hat?"
„Der ist leider nicht da: der wurde heute nacht gestohlen."

Grund zum Grimme

Viele Ellern oder vielmehr meist die Mütter lassen ihre kleinen
Kinder, so bis zum vierten Jahre, in jedem erwachsenen männlichen
Wesen einen Onkel und in jedem weiblichen eine Tante sehen. Da
sitzt z. B. eine Mutter mit ihrem kleinen Knaben in der Straßen-
bahn. Der Junge klettert auf der Bank herum und wird dadurch

einem fremden Lerrn neben ihm lästig. Dann sagt die Mutter:
„Sitz' still, sonst wird der Onkel böse!" Was soll das? Wie kommt
die Frau dazu, eine verwandtschaftliche Beziehung zu dem ihr ganz
fremden Manne zu behaupten? Welche Aufdringlichkeit liegt darin!

Mich jedenfalls hat es immer verdrossen, in solcher Art zu einem
Onkel erhoben, vielleicht auch herabgesetzt zu werden. Weniger
meinetwegen als vielmehr der Kinder halber, die damit von albernen
Eltern dumm gemacht werden. Aber jetzt bin ich auch geneigt, der-
gleichen persönlich übel zu nehmen. Es paßt mir gar nicht, auf solche
Weise in eine mir vollkommen gleichgültige Sippe einbezogen zu

werden. Ich finde es jetzt nicht nur albern von den Eltern-

nein scheußlich, widerwärtig, geradezu ekelhaft. Am liebsten möchte
ich alle Eltern verhauen, die so blödsinnig mit ihren Kindern um-
gehen. Denn was habe ich erleben müssen? Was ist mir wider-
fahren? Ja, was ist mir sogar passiert?

Ich mache einen Einkauf in einem kleinen Laden. Nach mir kommt
eine Mutter herein mit einem netten Vengelchen. Der Junge hat
einen Roller mit und steht in der engen Ladentür. Ich will den
Laden verlassen, und weil der Junge mit dem Roller mir den Aus-
gang versperrt, will ich ihn in freundlichster, ja tatsächlich beinahe
onkelhafter Weise veranlassen, mir Platz zu machen. Doch da stürzt
schon die Mutter hinzu, packt den Jungen beim Arm und ruft:
„Aber Kurtchen-steh' doch nicht dem Opa im Wege!" -on.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Seine Freude"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Claus, Martin
Entstehungsdatum
um 1938
Entstehungsdatum (normiert)
1933 - 1943
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 189.1938, Nr. 4853, S. 71

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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