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ßOtUlCtl(lUfQ<lU(( Von Ralph urdan
Zwei Geschäftsreisende saßen allein in einem Abteil und kamen
selbstverständlich ins Gespräch.
„Ich brauche mich nie wecken zu lassen/ sagte einer der Lerren
im Lauf des Gesprächs. „Wenn ich auf der Tour bin und in irgend-
einem Lotel schlafe, genügt es, mir vorzunehmen, um soundsoviel
Ahr aufzuwachen, und ich werde auf die Minute munter. Auch wenn
ich spät zu Bett gehe und mein Zug um vier Ahr morgens fährt."
„Genau so wie ich," meinte der andere. „Aber da fällt mir gerade
eine Geschichte ein, die damit zusammenhängt. Sie liegt schon einige
Jahre zurück. Damals reiste ich für eine bekannte Lederfirma. Stand
mit meinem Chef so! And eine Tochter hatte der Mann, eine Tochter!
Als ich einmal von meiner Tour zurückkehrte, sagte der alte Lerr:
„Na, Äuber, heute abend was vor?"
„Nein," log ich darauf los, „außer Geschäftlichem habe ich nie etwas
vor. Sie wissen, wie solide ich lebe."
„Eben das schätze ich an Ihnen, Luder," entgegnete der Chef,
„und wenn meine Tochter einmal heiraten sollte, dann will ich ziemlich
genau darauf sehen, daß es
kein Trinker und kein Bummler
ist. Wollen Sie heute abend
übrigens bei Uns speisen?"
And wie ich wollte! Der
alte Knabe suchte für sein
einziges Kind einen passenden
Mann, der später einmal auch
das Geschäft übernehmen
könnte. Nun, und da war ich
natürlich richtig. Am Abend
wurde es herrlich. Ich lehnte
den Wein vorsichtshalber
dankend ab und trank nur
Selters, auch auf die Gefahr
hi», Läuse im Magen zu be-
kommen.
Die Einladungen wieder-
holten sich, und es schien alles
wie in Butter zu laufen. An
einem Sonnabend kam ich
wieder einmal von der Reise
zurück, begab mich gleich zu
meiner Firma, legte meinen
Bericht vor und fachsimpelte
mit dem Chef.
„Lerr Luder," ging er dann
ins Private über, „morgen
mache ich mit Frau und
Tochter einen Sonntagsaus-
flug nach dem Lochkogel. And
178
da gerade schönes Wetter ist, möchten wir die Gelegenheit benützen
und uns den Sonnenaufgang ansehen. Der ist morgen um sechs Ahr
neu». Also heißt es zeitig aufbrechen. Wir fahren mit meinem
Wagen, in dreißig Minuten sind wir oben. Anschließend machen wir
einen Tagesausflug. Am vier Ahr nachmittag sind wir wieder daheim.
Sie halten natürlich mit und holen uns um halb sechs Ahr morgens
ab. Aber pünktlich sein!"
Ich bemühte mich, vor Glück zu strahlen, obwohl ich mich viel
lieber einmal richtig ausgeschlafen hätte. Außerdem war ich für den
Abend mit ein paar Bekannten verabredet. Also hieß cs, die Sitzung
abkürzen und zeitig in die Klappe gehen. So dachte ich, aber die
Brüder dachten anders und ließen mich einfach nicht weg. Noch eine
Runde und noch eine Runde. Schließlich wurde ich so leicht beschwingt,
daß mir alles wurscht war. Als ich endlich nach Lause ging, fühlte
ich mich allerdings schwerer beschwingt. Drei Ahr war es, in längstens
zwei Stunden mußte ich frisch und auf den Beinen sein. Eineinhalb
Stunden konnte ich schlafen.
„Konrad," sagte ich zu mir, „zehn vor fünf wirst du aufstehen! Zehn
vor fünf, zehn vor fünf —" Das hielt ich meinem Anterbewußtsein
so lange vor, bis ich einschlief."
„And wachten natürlich
um zwölf auf?" meinte der
andere Reisende.
„Keine Spur," meinte Lerr
Luber beleidigt, „wir haben
doch diesbezüglich Training.
Als ich munter wurde, sprang
ich aus dem Bett und sah auf
meine Taschenuhr. Zehn vor
fünf auf die Sekunde! Es war
schon hellichter Tag. Ich hielt
meinen brummenden Kopf
unter die Wasserleitung, aber
es half nichts. Warf mich in
Sportkleidung, eilte hinunter
und nahm mir an der Ecke
eine Droschke. Zahlreiche Leute
befanden sich schon auf der
Straße, der schöne Sonntag-
morgen hatte auch andere in
früher Stunde aus den Betten
gelockt. Ich klingelte an der
Laustür meines Chefs, das
Stubenmädchen öffnete und
führte mich in den Salon. Nach
einer Weile kam der Chef, aber
er sah nicht sehr freundlich aus.
Das kam wohl davon, weil er
so früh raus mußte.
lFortfetzung auf Seite 180)
Enttäuscht
„Die Menschenfresser seien gerade bei der Mahlzeit, sagte der Schau-
budenbesttzer. Alles Schwindel! — Was die da fressen, sind Schweinshaxen!"
ßOtUlCtl(lUfQ<lU(( Von Ralph urdan
Zwei Geschäftsreisende saßen allein in einem Abteil und kamen
selbstverständlich ins Gespräch.
„Ich brauche mich nie wecken zu lassen/ sagte einer der Lerren
im Lauf des Gesprächs. „Wenn ich auf der Tour bin und in irgend-
einem Lotel schlafe, genügt es, mir vorzunehmen, um soundsoviel
Ahr aufzuwachen, und ich werde auf die Minute munter. Auch wenn
ich spät zu Bett gehe und mein Zug um vier Ahr morgens fährt."
„Genau so wie ich," meinte der andere. „Aber da fällt mir gerade
eine Geschichte ein, die damit zusammenhängt. Sie liegt schon einige
Jahre zurück. Damals reiste ich für eine bekannte Lederfirma. Stand
mit meinem Chef so! And eine Tochter hatte der Mann, eine Tochter!
Als ich einmal von meiner Tour zurückkehrte, sagte der alte Lerr:
„Na, Äuber, heute abend was vor?"
„Nein," log ich darauf los, „außer Geschäftlichem habe ich nie etwas
vor. Sie wissen, wie solide ich lebe."
„Eben das schätze ich an Ihnen, Luder," entgegnete der Chef,
„und wenn meine Tochter einmal heiraten sollte, dann will ich ziemlich
genau darauf sehen, daß es
kein Trinker und kein Bummler
ist. Wollen Sie heute abend
übrigens bei Uns speisen?"
And wie ich wollte! Der
alte Knabe suchte für sein
einziges Kind einen passenden
Mann, der später einmal auch
das Geschäft übernehmen
könnte. Nun, und da war ich
natürlich richtig. Am Abend
wurde es herrlich. Ich lehnte
den Wein vorsichtshalber
dankend ab und trank nur
Selters, auch auf die Gefahr
hi», Läuse im Magen zu be-
kommen.
Die Einladungen wieder-
holten sich, und es schien alles
wie in Butter zu laufen. An
einem Sonnabend kam ich
wieder einmal von der Reise
zurück, begab mich gleich zu
meiner Firma, legte meinen
Bericht vor und fachsimpelte
mit dem Chef.
„Lerr Luder," ging er dann
ins Private über, „morgen
mache ich mit Frau und
Tochter einen Sonntagsaus-
flug nach dem Lochkogel. And
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da gerade schönes Wetter ist, möchten wir die Gelegenheit benützen
und uns den Sonnenaufgang ansehen. Der ist morgen um sechs Ahr
neu». Also heißt es zeitig aufbrechen. Wir fahren mit meinem
Wagen, in dreißig Minuten sind wir oben. Anschließend machen wir
einen Tagesausflug. Am vier Ahr nachmittag sind wir wieder daheim.
Sie halten natürlich mit und holen uns um halb sechs Ahr morgens
ab. Aber pünktlich sein!"
Ich bemühte mich, vor Glück zu strahlen, obwohl ich mich viel
lieber einmal richtig ausgeschlafen hätte. Außerdem war ich für den
Abend mit ein paar Bekannten verabredet. Also hieß cs, die Sitzung
abkürzen und zeitig in die Klappe gehen. So dachte ich, aber die
Brüder dachten anders und ließen mich einfach nicht weg. Noch eine
Runde und noch eine Runde. Schließlich wurde ich so leicht beschwingt,
daß mir alles wurscht war. Als ich endlich nach Lause ging, fühlte
ich mich allerdings schwerer beschwingt. Drei Ahr war es, in längstens
zwei Stunden mußte ich frisch und auf den Beinen sein. Eineinhalb
Stunden konnte ich schlafen.
„Konrad," sagte ich zu mir, „zehn vor fünf wirst du aufstehen! Zehn
vor fünf, zehn vor fünf —" Das hielt ich meinem Anterbewußtsein
so lange vor, bis ich einschlief."
„And wachten natürlich
um zwölf auf?" meinte der
andere Reisende.
„Keine Spur," meinte Lerr
Luber beleidigt, „wir haben
doch diesbezüglich Training.
Als ich munter wurde, sprang
ich aus dem Bett und sah auf
meine Taschenuhr. Zehn vor
fünf auf die Sekunde! Es war
schon hellichter Tag. Ich hielt
meinen brummenden Kopf
unter die Wasserleitung, aber
es half nichts. Warf mich in
Sportkleidung, eilte hinunter
und nahm mir an der Ecke
eine Droschke. Zahlreiche Leute
befanden sich schon auf der
Straße, der schöne Sonntag-
morgen hatte auch andere in
früher Stunde aus den Betten
gelockt. Ich klingelte an der
Laustür meines Chefs, das
Stubenmädchen öffnete und
führte mich in den Salon. Nach
einer Weile kam der Chef, aber
er sah nicht sehr freundlich aus.
Das kam wohl davon, weil er
so früh raus mußte.
lFortfetzung auf Seite 180)
Enttäuscht
„Die Menschenfresser seien gerade bei der Mahlzeit, sagte der Schau-
budenbesttzer. Alles Schwindel! — Was die da fressen, sind Schweinshaxen!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Enttäuscht"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1938
Entstehungsdatum (normiert)
1933 - 1943
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 189.1938, Nr. 4860, S. 178
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg