Zeichnung von ©. Troub
Beinahe ein Fall von Erpressung
zu. „Morgen!" sagt er, wobei er
mit der Kand an die Krempe der
Melone greift; die Zigarre behält
er im Munde. „Sie sind wohl der
Lerr von gestern, der wo einen
Jungen nach Rum geschickt hat?"
Bankert schaut zurück in das
Zimmer: zum Gluck ist die Gattin
nicht da; sie wird im Schlafzimmer
sein oder hoffentlich gar in der Küche,
denn da würde sie sich länger auf-
halten. „Za, ich habe den Zungen
geschickt," sagt er beinahe flüsternd.
„sind was wollen Sie nun?"
Der Mann tippt sich ans die
Brust. „Ich bin der Vater zu diesem
Jungen. Sagen Sie mal: wie kommen
Sie dazu, meinen Jungen nach Rum
zu schicken?"
„Dabei ist doch nichts — — ich
bitte Siel" Baukert sagt das etwas
jammernd; er möchte den Mann
recht schnell loswerden.
Aber der Mann hat gar keine
Eile. „Ja, das sagen Sie so! Mir
paßt das nu' aber gar nich'! Za,
wenn Sie.den Jungen nach Aeppel
geschickt hätten oder Schokolade oder
'nein Paar Vockwürschten — — da
wollte ich nischt sagen. Aber nach
Rnm, wo der Junge dann in die
Destille 'rein muß-nee, damit
bin ich nu' gar nich' einverstanden.
Was hat so 'n Junge in der Destille
zu suchen? Ich dachte doch, der
Schlag sollte mir rühren, wie ich da
ganz gemütlich an der Theke stehe,
und auf einmal kommt mein Zunge
'rein, mein eigner Junge."
„Ach so — — Sie waren in der
Destillation?"
„Iawoll — ich habe da '» paar
gezwitschert, mit meinen Freunden.
Aber braucht der Junge das zu
wissen? Nachher erzählt er das
meiner Frau, und dann is' das An-
glück fertig. Dann gibt es 'n ehe-
liches Zerwürfnis; dann sieht die
Frau schwarz in die Zukunft; dann
bildet sie sich ein, ihr Mann wird 'n
Säufer werden, dann paßt sie zu
sehr auf ihn auf, und das ärgert ihn nu' wieder, und aus is es
mit der glücklichen Ehe. And bloß Sic sind schuld daran-Sie
mit Ihrem Gieper auf Rum!"
Baukert findet, daß der Mann viel Phantasie habe. „Lassen Sie's
gut sein!" winkt er ab. „Sie haben dem Jungen wohl die Mark ab-
genommen; die können Sie behalten."
„Das sowieso!" sagt der Mann. „Für den Weg! Ich mußte doch
Herkommen, damit Sie nich' denke», der Junge is' durchgegangen."
„Das habe ich nicht gedacht!" lügt Baukert. Im nächsten Augen-
blick zuckt er ängstlich zusammen: seine Gattin ist ins Zimmer getreten.
„Aber ja — die Welt is' ja so schlecht!" sagt der Mann. Dann
stockt er, weil er nicht versteht, warum der um seinen Rum ge-
kommene Äerr ihn auf einmal so bittend ansieht und ängstlich ab-
wehrend winkt. Aber dann bemerkt er Frau Emilie Baukert, die
sich nun, neugierig, mit wem ihr Gatte sich da nnterhalte, dem Fenster
nähert, und da er sein weiteres Verhalten überlegen muß, wiederholt
„Dies ist der Goldmacherturm. Ain die Mitte des 16. Jahrhunderts ließ der Rat darin einen
Alchimisten einsperren: er sollte erst "frei werden, wenn er Gold geliefert hätte, aber er entkam mit
Äilfe der schönen Tochter des Bürgermeisters."
„Aha, er wird dem Mädchen goldene Worte gegeben haben."
er: „Die Welt is' ja so schlecht, die Welt is' ja so schlecht! —
Morgen, die Dame!"
„Was ist denn passiert?" erkundigt sich Frau Baukert, halb zu
dem Gatten, halb zu dem fremden Mann gewandt. Denn wenn er-
klärt wird, daß die Welt schlecht sei, muß wohl etwas passiert sei»,
und außerdem hat sie ja gestern einen Kriminalfilm gesehen, in dem
es so zuging, als wenn natürlicher Weise selbst im Alltagsleben un-
aufhörlich etwas passieren müsse, und zwar Greuliches.
Jetzt ist der Mann ganz obenauf, und wenn Baukert vorhin
fand, daß dieser Vater des doch ehrlichen Jungen viel Phantasie
habe, so muß er ihm jetzt sogar einen ganz außerordentlichen Besitz
daran zuerkennen. „Was passiert is'?" ruft der Mann und sieht
Frau Baukert an, als wäre sie ein Lamm, das eben dem Schlächter
entronnen ist. ,,§>ab' ich eben angefangen, dem Äerrn Gemahl zu
erzählen. Zum Glück is ja nischt passiert, denn ich bin ja dazwischen
gekommen, aber wenn was passiert wäre da wären Sie ja
2.N
Beinahe ein Fall von Erpressung
zu. „Morgen!" sagt er, wobei er
mit der Kand an die Krempe der
Melone greift; die Zigarre behält
er im Munde. „Sie sind wohl der
Lerr von gestern, der wo einen
Jungen nach Rum geschickt hat?"
Bankert schaut zurück in das
Zimmer: zum Gluck ist die Gattin
nicht da; sie wird im Schlafzimmer
sein oder hoffentlich gar in der Küche,
denn da würde sie sich länger auf-
halten. „Za, ich habe den Zungen
geschickt," sagt er beinahe flüsternd.
„sind was wollen Sie nun?"
Der Mann tippt sich ans die
Brust. „Ich bin der Vater zu diesem
Jungen. Sagen Sie mal: wie kommen
Sie dazu, meinen Jungen nach Rum
zu schicken?"
„Dabei ist doch nichts — — ich
bitte Siel" Baukert sagt das etwas
jammernd; er möchte den Mann
recht schnell loswerden.
Aber der Mann hat gar keine
Eile. „Ja, das sagen Sie so! Mir
paßt das nu' aber gar nich'! Za,
wenn Sie.den Jungen nach Aeppel
geschickt hätten oder Schokolade oder
'nein Paar Vockwürschten — — da
wollte ich nischt sagen. Aber nach
Rnm, wo der Junge dann in die
Destille 'rein muß-nee, damit
bin ich nu' gar nich' einverstanden.
Was hat so 'n Junge in der Destille
zu suchen? Ich dachte doch, der
Schlag sollte mir rühren, wie ich da
ganz gemütlich an der Theke stehe,
und auf einmal kommt mein Zunge
'rein, mein eigner Junge."
„Ach so — — Sie waren in der
Destillation?"
„Iawoll — ich habe da '» paar
gezwitschert, mit meinen Freunden.
Aber braucht der Junge das zu
wissen? Nachher erzählt er das
meiner Frau, und dann is' das An-
glück fertig. Dann gibt es 'n ehe-
liches Zerwürfnis; dann sieht die
Frau schwarz in die Zukunft; dann
bildet sie sich ein, ihr Mann wird 'n
Säufer werden, dann paßt sie zu
sehr auf ihn auf, und das ärgert ihn nu' wieder, und aus is es
mit der glücklichen Ehe. And bloß Sic sind schuld daran-Sie
mit Ihrem Gieper auf Rum!"
Baukert findet, daß der Mann viel Phantasie habe. „Lassen Sie's
gut sein!" winkt er ab. „Sie haben dem Jungen wohl die Mark ab-
genommen; die können Sie behalten."
„Das sowieso!" sagt der Mann. „Für den Weg! Ich mußte doch
Herkommen, damit Sie nich' denke», der Junge is' durchgegangen."
„Das habe ich nicht gedacht!" lügt Baukert. Im nächsten Augen-
blick zuckt er ängstlich zusammen: seine Gattin ist ins Zimmer getreten.
„Aber ja — die Welt is' ja so schlecht!" sagt der Mann. Dann
stockt er, weil er nicht versteht, warum der um seinen Rum ge-
kommene Äerr ihn auf einmal so bittend ansieht und ängstlich ab-
wehrend winkt. Aber dann bemerkt er Frau Emilie Baukert, die
sich nun, neugierig, mit wem ihr Gatte sich da nnterhalte, dem Fenster
nähert, und da er sein weiteres Verhalten überlegen muß, wiederholt
„Dies ist der Goldmacherturm. Ain die Mitte des 16. Jahrhunderts ließ der Rat darin einen
Alchimisten einsperren: er sollte erst "frei werden, wenn er Gold geliefert hätte, aber er entkam mit
Äilfe der schönen Tochter des Bürgermeisters."
„Aha, er wird dem Mädchen goldene Worte gegeben haben."
er: „Die Welt is' ja so schlecht, die Welt is' ja so schlecht! —
Morgen, die Dame!"
„Was ist denn passiert?" erkundigt sich Frau Baukert, halb zu
dem Gatten, halb zu dem fremden Mann gewandt. Denn wenn er-
klärt wird, daß die Welt schlecht sei, muß wohl etwas passiert sei»,
und außerdem hat sie ja gestern einen Kriminalfilm gesehen, in dem
es so zuging, als wenn natürlicher Weise selbst im Alltagsleben un-
aufhörlich etwas passieren müsse, und zwar Greuliches.
Jetzt ist der Mann ganz obenauf, und wenn Baukert vorhin
fand, daß dieser Vater des doch ehrlichen Jungen viel Phantasie
habe, so muß er ihm jetzt sogar einen ganz außerordentlichen Besitz
daran zuerkennen. „Was passiert is'?" ruft der Mann und sieht
Frau Baukert an, als wäre sie ein Lamm, das eben dem Schlächter
entronnen ist. ,,§>ab' ich eben angefangen, dem Äerrn Gemahl zu
erzählen. Zum Glück is ja nischt passiert, denn ich bin ja dazwischen
gekommen, aber wenn was passiert wäre da wären Sie ja
2.N
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Dies ist der Goldmacherturm..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1938
Entstehungsdatum (normiert)
1933 - 1943
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 189.1938, Nr. 4863, S. 231
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg