Fliegende Blätter (189.1938 (Nr. 4849-4874) = 94. Jahrg.)

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Der gute Nat V°n I. s. R»s,er

Leinrich hat sich die Sache von Anfang an nicht richtig über-
legt. Leinrich hat zwar die entzückendste Frau von der Welt, jung,
schlank, blond, beinahe ein Märchen, aber —

„Was hast du denn, Leinrich?" — „Ach!"

„Krach daheim?"

„Wie kommst du darauf?"

„Ich traf deine Frau — sie hatte verweinte Augen."

Leinrich warf die Arme zum Limmel: „Was? Noch immer?
Sie hat seit vierundzwanzig Stunden verweinte Augen! Das halte
aus, wer kann!"

Der Freund war neugierig, wie es Freunde meist sind. „Was
gab es denn bei euch?" fragte er.

„Pökelzunge in Madeira!" „Ansinn! Ich meine —"

„Du meinst schon richtig," erwiderte Leinrich, „es gab Pökel-
zunge in Madeira! And deswegen gab es Krach."

„Wegen Pökelzunge in Madeira?"

Leinrich seufzte:

„Wenn es Pökelzunge
in Madeira gewesen wäre!

Aber da meine Frau keinen
Madeira im Lause hatte,

»ahm sie Kognak, und da
sie keine Pökelzunge be-
kam, nahm sie Pökelripp-
chen. So kocht sie jeden Tag.

Seit einem halben Jahr
muß ich das Zeug essen,
nie habe ich ein Wort
verloren. Meine Frau
glaubt, sie ist die beste
Köchin der Welt. And als
sie gestern gar noch fragte,
was ich zu ihrer trefflichen
Kochkunst meine, riß mir
der Faden, ging mir der
Lut hoch. Ich habe es ihr
gesagt. Ich habe es ihr
zart gesagt. Ich habe es
ihr nur angedeutet. Nun,
sagte ich, das ist Geschmacks-
sache. Ich Hütte cs nicht
sagen sollen. Sie weinte
herzzerbrechend."

„Du hättest es auch
nicht sagen sollen," erwi-
derte der Freund. „Nein?"

„Nein. Ihr liebt euch.

Du kränkst dich, wenn deine
Frau weint."

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„Sie soll nie wieder weinen," sagte Leinrich ehrlich.

„Gut. Dann lobe ihre Kochkunst." — „Loben?"

Leinrich sagte es, als hätte ihn die Kuh gestreichelt. — „Loben?"
„Ja. Loben! Das Essen ist sowieso schlecht. Mach wenigstens
deine Frau glücklich. Damit sie nie mehr weint."

Leinrich nahm sich den guten Rat zu Lerzen. Als am nächsten
Tag die Suppe auf dem Tisch stand, rief er begeistert: „Wie präch-
tig! Wie prächtig!" — „Wirklich?"

„Es ist die beste Suppe, die du je kochtest!"

Klara schwieg und machte ein komisches Gesicht.

Dann holte sie den Braten aus der Küche. Leinrich schnitt sich
eine dicke Scheibe ab. Der Braten roch zwar wie Abfalleimer mit
Gurke, der Braten sah zwar aus wie Landstraße nach Regen, der
Braten schmeckte zwar wie Packpapier mit Klebadresse, aber Leinrich
log aus Liebe tapfer darauf los: „Wunderbar! Wie gut gewürzt das
Fleisch, wie pikant die Soße! Klara, so gut hast du noch nie gekocht!"
„Findest du?" Klaras Stimme klang merkwürdig belegt.

Als der Nachtisch kam, rief Leinrich entzückt: „O Eierkuchen!

Wie schön sie dir gelungen
sind, Klara I"

Da stürzten Klara die
Tränen über die Wangen.
„Leinrich, das ist — das
ist eine Gemeinheit!"

„Freut dich denn mein
Lob nicht?"

„Das ist kein Lob!"
schluchzte Klara. „Nein?"
„Du hast gestern mein Essen
getadelt. Das war unge-
recht, Leinrich. And um
dich zu überzeugen, damit
du siehst, wie gut ich bis-
her kochte, und wie schlecht
anderswo gekocht wird,
habe ich — habe ich —"
„Da hast du ?"

Klara schluchzte herz-
erweichend :

„Da habe ich heute das
Essen fertig von dem
kleinen Gasthaus nebenan
geholt."

Die Llrsache

„Wann stellen sich die
Lnstenanfälle bei dem
Jungen gewöhnlich ein?"

„Wenn ich Lustenbon-
bons im Lause habe!"

„Schnell, Minna, ein Glas Wasser — aber von links servieren."