„Freu'» Sie sich doch, daß er so looft, 's ist doch mal endlich einer, der was von Ihrer Schießerei hält!"
Zweimal Haarschneiden V°n D-«-r srefs-n
Man sollte nie Freitags zum Friseur gehen. Jedermann will
schlau sein und geht Freitags zum Friseur, weil er denkt, Sonn-
abends sei es zu voll. Deswegen ist es Freitags überfüllt und
Samstags leer.
„Bitte, nehmen Sie Platz," sagt der Gehilfe eilig, „nur zwei
Minuten, mein Lerr. Eine Illustrierte vielleicht, der Lerr, oder eine
Tageszeitung?"
Man mustert feindselig die drei Männer, die schon warten,
außerdem die Gestalten, die tücher- und seisenschaumvermummt vor
den Spiegeln sitzen. Stille, melodisch unterbrochen von Scheren-
klappern, Mefferschaben und dem leisen Zischen der Dampfheizung.
Man vertieft sich in die Illustrierten, die man gestern im Cafe schon
studiert hat, legt sie endlich beiseite, döst vor sich hin. Es ist unsag-
bar langweilig. Man wartet auf eine Unterbrechung. Vielleicht
schneidet der kleine Schwarzhaarige beim Rasieren den Dicken mit
der Glatze, hofft man. Aber nichts geschieht. Stille, Scherenklappern,
Mefferschaben, Dösen.
Da geht endlich die Tür auf.
Vielleicht ist es die Abwechs-
lung? Sie ist es.
Furchtbar eilig kommt ein
beleibter Mann herein, einen
Jungen von acht Jahren an
der Land. Er wischt sich mit
dem Taschentuch die Schweiß-
perlen von der Stirn, stöhnt
ein paarmal vor Eile, sprudelt
dann: „Zweimal Laarschnei-
den, bitte. Nehmen Sie mich
zuerst dran, nachher den
Jungen, ich Hab noch dringend
was zu erledigen. Die Lerren
gestatten wohl, daß ich zu-
erst . . . Ich bin furchtbar
eilig, dringende Besprechung,
wirklich furchtbar eilig . . ."
Eben steht einer auf und ist
fertig, der Beleibte läßt sich fix
in den freigewordenen Stuhl
gleiten. Wir vier Wartenden
wollen natürlich nicht gestatten,
keineswegs wollen wir das,
aber unser Protest ist lahm,
wir sind schon zu dösig, außer-
dem sitzt der Beleibte bereits.
Der kleine Junge setzt sich zu
uns auf die Wartebank, gafft
intereffelos vor sich hin. Wir
sinken in unfern Schlaf zurück,
indes der Beleibte, der Ein-
dringling, bereits in Be-
handlung ist. Knistern von
Illnstriertcn, Scherenklappern,
Mefferschaben, sonst Stille.
Der Beleibte scheint es jetzt nicht mehr so eilig zu haben. Breil
und gemächlich sitzt er da.
„Einen hübschen Jungen haben Sie da," sagt der Gehilfe höflich
zu ihm.
„So." — „Ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten."
„So, — meinen Sie . . . Sie können mich übrigens auch gleich
rasieren."
Er läßt sich außerdem die Laare waschen. „Nachwaschen mit
Kölnisch? Gewiß, der Lerr!" Endlich ist er fertig, hat es plötzlich
wieder eilig, schnauft, sprudelt wieder los: „Nachher also der Junge,"
gibt er an, „ziemlich kurz hier an der Seite, hinten mit der Maschine
bis zum Wirbel, und um Gottes Wille» keine Pomade drauf. Ich
komme dann wieder vorbei, — furchtbar eilig . . ." Schon ist er
draußen.
Langsam wird die Reihenfolge abgeseffen. Drei neue Wartende
sind gekommen. Zugleich mit mir kommt auch der Junge dran. Er
ist ein wenig vor mir fertig.
„So," sagt der Gehilfe, der ihm die Laare geschnitten hat, „jetzt
setz dich da hin und warte
schön, bis der Papa kommt."
Der Junge gafft blöd.
„Aber das ist doch gar nicht
mein Papa!" sagt er schließ-
lich.
Der Meister und die vier
Gehilfen horchen auf. Die
Scheren klappern nicht mehr,
die Rasiermesser haben auf-
gehört zu schaben, die War-
tenden legen ihre Zeitungen
hin, und die Lerren in den
Stühlen drehen das seifen-
schaumbekleckerte Gesicht. Nur
die Dampfheizung zischt un-
berührt weiter.
„Wer," fragt der Meister
böse, „wer war das dann?"
„Wie soll ich das wissen,"
sagt der Junge interesselos,
„ich kenne ihn doch gar nicht.
Er hat bloß zu mir gesagt,
ich soll mit reinkommen zum
Laarschnciden. And da bin ich
eben mitgegangen."
Jemand lacht. Die ander»
stimmen ein, nur der Meister
macht ein böses Gesicht. Wir
wissen jetzt, warum es der Be-
leibte so eilig hatte. Aeber
den Raum senkt sich mit
Scherenklapper», Mcsserscha-
den und melancholischem Zi-
schen der Dampfheizung wie-
der Stille und Dösigkeit. Der
beleibte Lerr wird nicht wie-
derkommen.
„Einen Brummschädel habe ich! Wie spät war es
eigentlich, als die letzten Gäste gingen?"
„Weiß nicht, ich war selber bsuffa, gnädiger Lerr."
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Zweimal Haarschneiden V°n D-«-r srefs-n
Man sollte nie Freitags zum Friseur gehen. Jedermann will
schlau sein und geht Freitags zum Friseur, weil er denkt, Sonn-
abends sei es zu voll. Deswegen ist es Freitags überfüllt und
Samstags leer.
„Bitte, nehmen Sie Platz," sagt der Gehilfe eilig, „nur zwei
Minuten, mein Lerr. Eine Illustrierte vielleicht, der Lerr, oder eine
Tageszeitung?"
Man mustert feindselig die drei Männer, die schon warten,
außerdem die Gestalten, die tücher- und seisenschaumvermummt vor
den Spiegeln sitzen. Stille, melodisch unterbrochen von Scheren-
klappern, Mefferschaben und dem leisen Zischen der Dampfheizung.
Man vertieft sich in die Illustrierten, die man gestern im Cafe schon
studiert hat, legt sie endlich beiseite, döst vor sich hin. Es ist unsag-
bar langweilig. Man wartet auf eine Unterbrechung. Vielleicht
schneidet der kleine Schwarzhaarige beim Rasieren den Dicken mit
der Glatze, hofft man. Aber nichts geschieht. Stille, Scherenklappern,
Mefferschaben, Dösen.
Da geht endlich die Tür auf.
Vielleicht ist es die Abwechs-
lung? Sie ist es.
Furchtbar eilig kommt ein
beleibter Mann herein, einen
Jungen von acht Jahren an
der Land. Er wischt sich mit
dem Taschentuch die Schweiß-
perlen von der Stirn, stöhnt
ein paarmal vor Eile, sprudelt
dann: „Zweimal Laarschnei-
den, bitte. Nehmen Sie mich
zuerst dran, nachher den
Jungen, ich Hab noch dringend
was zu erledigen. Die Lerren
gestatten wohl, daß ich zu-
erst . . . Ich bin furchtbar
eilig, dringende Besprechung,
wirklich furchtbar eilig . . ."
Eben steht einer auf und ist
fertig, der Beleibte läßt sich fix
in den freigewordenen Stuhl
gleiten. Wir vier Wartenden
wollen natürlich nicht gestatten,
keineswegs wollen wir das,
aber unser Protest ist lahm,
wir sind schon zu dösig, außer-
dem sitzt der Beleibte bereits.
Der kleine Junge setzt sich zu
uns auf die Wartebank, gafft
intereffelos vor sich hin. Wir
sinken in unfern Schlaf zurück,
indes der Beleibte, der Ein-
dringling, bereits in Be-
handlung ist. Knistern von
Illnstriertcn, Scherenklappern,
Mefferschaben, sonst Stille.
Der Beleibte scheint es jetzt nicht mehr so eilig zu haben. Breil
und gemächlich sitzt er da.
„Einen hübschen Jungen haben Sie da," sagt der Gehilfe höflich
zu ihm.
„So." — „Ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten."
„So, — meinen Sie . . . Sie können mich übrigens auch gleich
rasieren."
Er läßt sich außerdem die Laare waschen. „Nachwaschen mit
Kölnisch? Gewiß, der Lerr!" Endlich ist er fertig, hat es plötzlich
wieder eilig, schnauft, sprudelt wieder los: „Nachher also der Junge,"
gibt er an, „ziemlich kurz hier an der Seite, hinten mit der Maschine
bis zum Wirbel, und um Gottes Wille» keine Pomade drauf. Ich
komme dann wieder vorbei, — furchtbar eilig . . ." Schon ist er
draußen.
Langsam wird die Reihenfolge abgeseffen. Drei neue Wartende
sind gekommen. Zugleich mit mir kommt auch der Junge dran. Er
ist ein wenig vor mir fertig.
„So," sagt der Gehilfe, der ihm die Laare geschnitten hat, „jetzt
setz dich da hin und warte
schön, bis der Papa kommt."
Der Junge gafft blöd.
„Aber das ist doch gar nicht
mein Papa!" sagt er schließ-
lich.
Der Meister und die vier
Gehilfen horchen auf. Die
Scheren klappern nicht mehr,
die Rasiermesser haben auf-
gehört zu schaben, die War-
tenden legen ihre Zeitungen
hin, und die Lerren in den
Stühlen drehen das seifen-
schaumbekleckerte Gesicht. Nur
die Dampfheizung zischt un-
berührt weiter.
„Wer," fragt der Meister
böse, „wer war das dann?"
„Wie soll ich das wissen,"
sagt der Junge interesselos,
„ich kenne ihn doch gar nicht.
Er hat bloß zu mir gesagt,
ich soll mit reinkommen zum
Laarschnciden. And da bin ich
eben mitgegangen."
Jemand lacht. Die ander»
stimmen ein, nur der Meister
macht ein böses Gesicht. Wir
wissen jetzt, warum es der Be-
leibte so eilig hatte. Aeber
den Raum senkt sich mit
Scherenklapper», Mcsserscha-
den und melancholischem Zi-
schen der Dampfheizung wie-
der Stille und Dösigkeit. Der
beleibte Lerr wird nicht wie-
derkommen.
„Einen Brummschädel habe ich! Wie spät war es
eigentlich, als die letzten Gäste gingen?"
„Weiß nicht, ich war selber bsuffa, gnädiger Lerr."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Freu'n Sie sich doch, daß er so looft, ..." "Einen Brummschädel habe ich!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1938
Entstehungsdatum (normiert)
1933 - 1943
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 189.1938, Nr. 4864, S. 247
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg