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ÄLk tod)tmmc4urfer Von Otto Lofmann von Wellenhof

Der Schimmelzucker ist eine Erfindung Tante Iosephinens. Eine
sehr einfache Erfindung, die nichts mit Nahrungsmittelchemie oder
mit dem interessanten Gebiet der Schimmelpilze zu tun hat, nein,
diese Erfindung verdankt ihr Entstehen einzig der Tierliebe besagter
Tante: also Zucker für einen Schimmel, nichts weiter. Daß trotzdem
dieser sogenannte Schimmelzucker auf das Familienleben weitgehenden
Einfluß nahm, liegt weniger in dem Wesen des Schimmelzuckers
begründet, als in jenem Tante Iosephinens. — Dreimal wöchentlich
erschien Gustav, das edle Schimmeltier. Sein Beruf war es, den Wa-
gen des Bäckermeisters in geruhsamem Tempo — fern von jedweden
Turfambitionen — durch die Gassen des Villenviertels zu ziehen.

Diese drei Wochentage waren für die Familie kritische Tage erster
Ordnung. Schon beim Mittagessen zeigte Tante Iosephine leichte !ln-
ruhesymptome. Dann wurde sofort der Zucker hergerichtet, und das war
das Schlechte, denn die Gute
pflegte ihn regelmäßig zu ver-
legen, so daß, wenn in der kri-
tischen Zeit die Glocke läutete,
ein wirres und irres Suchen
anhob, begleitet von bösen
Verdächtigungen der Lausge-
hilfin, der Familie, der Welt
überhaupt. Bis sich dann
endlich herausstellte, daß ei-
nerseits es gar nicht der Bäcker
war, sondern ein Mann mit
Schuhbändern und Briefpa-
pier, und daß anderseits der
Zucker sich in der Tasche Tante
Iosephinens ohnedies befand,
waren viele böse Worte ge-
fallen. Die Szene wiederholte
sich meist einigemale an den
betreffenden Nachmittagen.

Manchmal kam es auch vor,
daß die gute Tante aus das
Geratewohl mit dem Zucker
in der Land und dem süßen
Ausruf „Mein Gusterl" auf
ein Läuten hin über die
Freitreppe zur Gartentüre
hinuntereilte, vor der ein an
andere Empfänge gewohnter
Staubsaugeragent leicht un-
heimlich berührt stand.

Schließlich war es tatsäch-
lich so weit. Beim Zaun er-
schien die Frau mit dem Gc-
bäckkorb, die Tante hatte
de» Zucker gefunden und alle
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Lausbewohner beleidigt und eilte nun zur Straßenecke, an der
Gustav mit seinem Wagen philosophisch wartete. Da gab es dann
meist eine wirklich rührende Szene: Der Schimmel verlieh seiner
Freude durch Schnauben und Scharren mit dem rechten Vorderhuf
lebhaften unmißverständlichen Ausdruck, die Tante wiederum hielt
ihm den Zucker auf der flachen Land unter das Maul und ihre
Stirne an den weichen Nacken des Schimmels, wobei sie eingedenk
der eben vorhergegangenen Kampfhandlungen sich und den guten
Gustav auf einsamem Eiland umbrandet von der Schlechtigkeit der
Welt sehen mochte.

So ging es Woche um Woche, bis jenes tragikomische Ereignis
eintrat, das ich nun in aller Kürze erzählen möchte.

Wieder einmal waren die Wogen des erregenden Schimmel-
zuckerkrieges besonders hochgegangen. Dapa hatte etwas von
„Mistvieh" gemurmelt, wobei es unklar blieb, wer unter diesem
Titel zu verstehen sei. Mama weinte zornig. Tante registrierte hef-
tig gesteigertes Lerzklopfen,
wobei sie es jedermann srei-
stellte, sich persönlich von
der Richtigkeit ihres bedenk-
lichen Zustandes zu überzeugen.
In zwangloser Folge hatte
man dann alte Familienerin-
nerungen aufgefrischt: Nicht
zurückgezahlte Schulden; Af-
fären mit Dienstmädchen;
unrechtmäßigen Verkauf von
Büchern und diversen Nippes;
-geschwindelte Unterschriften
unter nicht genügende mathe-
matische Schularbeiten — ein
üppiger Kranz häßlicher Ver-
fehlungen blühte so zu freu-
diger steberraschung der Laus-
gehilfin auf.

Da läutete die Klingel, und
-an der Gartentüre stand die
Frau mit dem Gebäckkorb,und
Tante Iosephine eilte tränen-
feucht und den sanften Zucker
in der zornig geballten Faust
gen Gustav. — Sie bog um
die Ecke, den Zucker vor sich
haltend, die Lippen süß ge-
spitzt, und — um mit Meister
- „fast

wär' ihr das Lerz geknickt,"
denn da stand kein freundlich
scharrender Gustav, sondern
ein völlig teilnahmsloses Lie-
ferauto. Gustav, das Familien-
strcitroß, war pensioniert. —

Busch zu sprechen

,Fräulein, sie drücke» furchtbar — die müssen Sie wieder umkavsschen."
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Titel

Titel/Objekt
"Fräulein, sie drücken furchtbar - die müssen Sie wieder umtauschen."
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Serientitel
Fliegende Blätter
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Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bauer, Max
Entstehungsdatum
um 1938
Entstehungsdatum (normiert)
1933 - 1943
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 189.1938, Nr. 4867, S. 290
 
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