Zeichnung von C, I. Bauer
Der Szegediner Gulasch
zurückprallte und die Lände vor
das Gesicht schlug. Gleich darauf
besah er sie stieren Auges, aber es
klebte kein Blut daran, wie er offen-
bar befürchtet hatte. „Du," sagte er
grimmig, „jetzt hätte ich mir wegen
der verdammten Büchse bald noch
ein Auge ausgestochen!"
Ich wollte sie aufheben, aber sie
glitt mir aus der Land und schlug
der Spiritusflasche den Lals ab.
Der Spiritus ergoß sich über das
Brot, — ein Vorgang, der Georg
zu einem hysterischen Lachen Anlaß
bot, um dessenwillen manche ameri-
kanische Filmschauspielerin ihn be-
wundert haben würde.
Jetzt sprang Kurt auf, rannte
eine Weile umher, dann kam er
mit einem scharfkantigen Stein
und einem mächtigen Ast von einer
Bergkiefer zurück. „Kannst du zu-
schlagen?" fragte er mich.
Ich glaubte, ich könne es.
Er hielt den Stein, ich schwang
den Ast mit aller Kraft über meinen
Kopf und schmetterte ihn nieder.
Der echte Tirolerhut, den Kurt
sich in Innsbruck gekauft hatte, hat
ihm damals das Leben gerettet; ohne
diesen dicken Filz wäre er erledigt
gewesen. Leute noch hängt er zur
Erinnerung an die wunderbare
Lebensrettung über seinem Schreib-
tisch.
Ich bettele den halbbetäubten
Kurt ebenfalls in den Schatten eines
Felsens, dann überließ ich mich
hemmungslosem Zorn auf die Gu-
laschbüchse. Meine Brust wurde
von einer dumpfen Wut zerrissen.
Ich erinnerte mich, wie wir im
Felde Blindgänger zum Krepieren
brachten. Ich legte sie auf einen
großen Stein, nahm Deckung und warf einen mächtigen Fels-
brocken darauf. Er zersprang in zahllose Splitter und einer riß
mir eine Schramme in die rechte Backe, die ich nicht genügend ge-
deckt hatte.
Wer über gewisse Dinge nicht den Verstand verliert, hat
keinen zu verlieren, hat schon Lessing gesagt. Ich stürmte auf die
verteufelte Büchse los und hieb in wildem Anlauf noch ein Felsstück
auf sie nieder. Da gewann sie die Gestalt einer Wurst. Diese
offensichtliche Verhöhnung verleitete mich leider dazu, sie auf den
Felsblock zu schmettern, hinter dem Georg saß. Die Büchse schlug
knallend vor seine Füße hin, und er sprang mit einem erstickten
Schrei auf. . .
„Leute erwerbe ich die Weltmeisterschaft im Wändeklettern!"
rief er verzweifelt. Wir sahen die Büchse an, die Büchse grinste
uns an, da entrang sich der Brust Georgs ein dumpfes Stöhnen,
er packte das blinkende Scheusal und warf es mit einem Fluch in
den gähnenden Abgrund vor uns.
Llnter lauten Verwünschungen, die wir ihm noch nachbrüllten,
nahmen wir unsere Rucksäcke auf. Georg zerrte sein Taschentuch aus
der Jacke, um sich die nasse Stirn abzuwischen, — da klirrte es
metallisch! Magnetisch zog unsere Blicke ein glitzerndes Ding an,
das auf dem nackten Fels lag: — der Büchsenöffner!
„Mensch," sagte ich wie vom Donner gerührt, „wie kommst du
zu dem Schlüssel!"
Lieber Georgs Gesicht liefen alle sieben Farben des Sonnen-
spektrums, vom feurigsten Rot bis zum fahlsten Grün. „Wie ich
dazu komme?" sagte er kläglich, „in Innsbruck habe ich ihn mit der
Büchse bekommen . . !"
„Aber warum hast du vorhin nicht mal in deiner Tasche . . ?"
„Warum?" heulte er plötzlich auf; „ja, weil ihr ihn doch gehabt
haben wolltet! Du selber hast doch steif und fest behauptet, daß du
ihu von mir bekommen und an Kurt weitergegeben hättest; deine
Land hast du uns gezeigt, in der du ihn gefühlt hattest, so sicher
bist du gewesen . . . und da habe ich natürlich selber geglaubt, daß
ich ihn dir mit der Büchse gegeben hatte ... I O Limmel,"
stöhnte er und schlug sich mit der Land klatschend an die Stirn,
„manche Dummheit ist so groß, daß sie einer allein gar nicht fertig-
bringt, es gehören drei dazu . . . !"
Er wankte bis an den Rand zur Schlucht. „Ein Kilo prima
Szegediner-Paprika-Gulasch," murmelte er, „und sogar im eigenen
Saft!" und er brach in eine schreckliche Theaterlache aus.
Wir führten Georg sanft von dem schaurigen Abgrund hinweg.
Die Berge gaben im Echo seinen Schmerz mit vielfältigem Ge-
lächter zurück . . .
„Entschuldige, aber diese ,eigenc Komposition klingt verteufelt nach Richard Strauß."
„Ra, weißt du mir vielleicht 'n besseren?"
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Der Szegediner Gulasch
zurückprallte und die Lände vor
das Gesicht schlug. Gleich darauf
besah er sie stieren Auges, aber es
klebte kein Blut daran, wie er offen-
bar befürchtet hatte. „Du," sagte er
grimmig, „jetzt hätte ich mir wegen
der verdammten Büchse bald noch
ein Auge ausgestochen!"
Ich wollte sie aufheben, aber sie
glitt mir aus der Land und schlug
der Spiritusflasche den Lals ab.
Der Spiritus ergoß sich über das
Brot, — ein Vorgang, der Georg
zu einem hysterischen Lachen Anlaß
bot, um dessenwillen manche ameri-
kanische Filmschauspielerin ihn be-
wundert haben würde.
Jetzt sprang Kurt auf, rannte
eine Weile umher, dann kam er
mit einem scharfkantigen Stein
und einem mächtigen Ast von einer
Bergkiefer zurück. „Kannst du zu-
schlagen?" fragte er mich.
Ich glaubte, ich könne es.
Er hielt den Stein, ich schwang
den Ast mit aller Kraft über meinen
Kopf und schmetterte ihn nieder.
Der echte Tirolerhut, den Kurt
sich in Innsbruck gekauft hatte, hat
ihm damals das Leben gerettet; ohne
diesen dicken Filz wäre er erledigt
gewesen. Leute noch hängt er zur
Erinnerung an die wunderbare
Lebensrettung über seinem Schreib-
tisch.
Ich bettele den halbbetäubten
Kurt ebenfalls in den Schatten eines
Felsens, dann überließ ich mich
hemmungslosem Zorn auf die Gu-
laschbüchse. Meine Brust wurde
von einer dumpfen Wut zerrissen.
Ich erinnerte mich, wie wir im
Felde Blindgänger zum Krepieren
brachten. Ich legte sie auf einen
großen Stein, nahm Deckung und warf einen mächtigen Fels-
brocken darauf. Er zersprang in zahllose Splitter und einer riß
mir eine Schramme in die rechte Backe, die ich nicht genügend ge-
deckt hatte.
Wer über gewisse Dinge nicht den Verstand verliert, hat
keinen zu verlieren, hat schon Lessing gesagt. Ich stürmte auf die
verteufelte Büchse los und hieb in wildem Anlauf noch ein Felsstück
auf sie nieder. Da gewann sie die Gestalt einer Wurst. Diese
offensichtliche Verhöhnung verleitete mich leider dazu, sie auf den
Felsblock zu schmettern, hinter dem Georg saß. Die Büchse schlug
knallend vor seine Füße hin, und er sprang mit einem erstickten
Schrei auf. . .
„Leute erwerbe ich die Weltmeisterschaft im Wändeklettern!"
rief er verzweifelt. Wir sahen die Büchse an, die Büchse grinste
uns an, da entrang sich der Brust Georgs ein dumpfes Stöhnen,
er packte das blinkende Scheusal und warf es mit einem Fluch in
den gähnenden Abgrund vor uns.
Llnter lauten Verwünschungen, die wir ihm noch nachbrüllten,
nahmen wir unsere Rucksäcke auf. Georg zerrte sein Taschentuch aus
der Jacke, um sich die nasse Stirn abzuwischen, — da klirrte es
metallisch! Magnetisch zog unsere Blicke ein glitzerndes Ding an,
das auf dem nackten Fels lag: — der Büchsenöffner!
„Mensch," sagte ich wie vom Donner gerührt, „wie kommst du
zu dem Schlüssel!"
Lieber Georgs Gesicht liefen alle sieben Farben des Sonnen-
spektrums, vom feurigsten Rot bis zum fahlsten Grün. „Wie ich
dazu komme?" sagte er kläglich, „in Innsbruck habe ich ihn mit der
Büchse bekommen . . !"
„Aber warum hast du vorhin nicht mal in deiner Tasche . . ?"
„Warum?" heulte er plötzlich auf; „ja, weil ihr ihn doch gehabt
haben wolltet! Du selber hast doch steif und fest behauptet, daß du
ihu von mir bekommen und an Kurt weitergegeben hättest; deine
Land hast du uns gezeigt, in der du ihn gefühlt hattest, so sicher
bist du gewesen . . . und da habe ich natürlich selber geglaubt, daß
ich ihn dir mit der Büchse gegeben hatte ... I O Limmel,"
stöhnte er und schlug sich mit der Land klatschend an die Stirn,
„manche Dummheit ist so groß, daß sie einer allein gar nicht fertig-
bringt, es gehören drei dazu . . . !"
Er wankte bis an den Rand zur Schlucht. „Ein Kilo prima
Szegediner-Paprika-Gulasch," murmelte er, „und sogar im eigenen
Saft!" und er brach in eine schreckliche Theaterlache aus.
Wir führten Georg sanft von dem schaurigen Abgrund hinweg.
Die Berge gaben im Echo seinen Schmerz mit vielfältigem Ge-
lächter zurück . . .
„Entschuldige, aber diese ,eigenc Komposition klingt verteufelt nach Richard Strauß."
„Ra, weißt du mir vielleicht 'n besseren?"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Entschuldige, aber diese 'eigene Komposition' klingt verteufelt nach Richard Strauß."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1938
Entstehungsdatum (normiert)
1933 - 1943
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 189.1938, Nr. 4869, S. 327
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg