Zeichnung von M. Bauer
Der schwebende
Amtsrichter V°»«. k.
Wir schrieben das Jahr 1903.
Noch ergingen die Urteile im Namen
der Landesherren, und die deutschen
Gerichte legten großen Wert darauf,
je nach dem Range dieser respektive»
Landesherren als königlich, groß-
herzoglich, fürstlich usw. bezeichnet
zu werden.
Dr. Paul Schmidt, der „Lew"
unserer Geschichte, war Königlicher
Anitsgerichtsrat am Amtsgerichte
zu L., einer Stadt in Sachsen, wo
es am sächsischsten ist. Er war sehr
stolz auf seinen Titel und sein Amt
und trug beide mit einer Würde,
mit der jeder Großmogul ausgekom-
men wäre. Lätten sich seine richter-
lichen Fähigkeiten zu seinem Würde-
gefühl wie eins zu eins verhalten,
so wäre Dr. Schmidt als der ausge-
zeichnetste Amtsrichter im deutschen
Kaiserreiche anzuerkennen gewesen.
Wie das Verhältnis der beiden Fak-
toren zu einander in Wirklichkeit
beschaffen war, braucht hier nicht
erörtert zu werden, da diese Frage
für die nunmehr zu berichtenden Er-
eignisse von nebensächlicher Bedeu-
tung ist.
Daß Dr. Schmidt Junggeselle
war, weil er selbstverständlich noch
kein Mädchen für würdig befunden
hatte, an seiner Seite durchs Leben
zu wandeln, bedarf keiner besonderen
Hervorhebung.
Vor dem Forum dieses würde-
vollen Amtsgerichtsrats spielte sich
nun im obenerwähnten Jahre ein
„Schwammprozeß" ab. Ein auf Ent-
richtung des Mietzinses von seinem
Lauswirte verklagter Mieter lehnte
deffen Bezahlung ab mit der Be-
gründung, in der Wohnung sei der
Lausschwamm. Dieser habe sich be- „9iie Sie am Fahrstuhl — ich werde mich bei der Loteldirektion über Sie beschweren!"
reits derartig ausgebreitet, daß auf
dem Fußboden und an den Tapeten
schon mehrfach dunkle Flecke hervorgetreten seien. Namentlich im
„Salon" lasse ein mitten im Zimmer zu Tage getretener Pilzherd
die Größe des ilebels deutlich erkennen.
Da eine Einigung der Parteien nicht zu erzielen war, ordnete
Amtsgerichtsrat Dr. Schmidt schließlich eine Besichtigung der Woh-
nung unter Zuziehung eines Bausachverständigen an. Der Termin
hierzu wurde auf den nächsten Tag bestimmt.
Am folgende» Tage trafen sich zur festgesetzten Stunde vor dem
Lause, in dem die streitige Wohnung lag, die Beteiligten, und zwar
außer dem Lerrn Amtsgerichtsrat die beiden Anwälte sowie der
llrkundsbeamte, der sich damals noch die Bezeichnung „Gerichts-
schreiber" gefallen lassen mußte.
Der Sachverständige war nicht zur Stelle. Entweder hatte er den
Termin verschwitzt, oder er befand sich bereits oben in der Wohnung.
In der Annahme, daß das letztere zutreffe, erklomm man schließlich
die zur Wohnung führenden drei Treppen.
Oben angekommen klingelte der .Lcrr Amtsgerichtsrat, der natur-
gemäß die Führung übernommen hatte, an der Wohnungstür, wo-
rauf diese vo» dem Dienstmädchen geöffnet wurde.
„Das Königliche Amtsgericht!" Durch diese mit entsprechender
Würde angebrachte Begrüßung glaubte der Lerr Amtsgerichtsrat.
de» dienstbaren Geist sach- und formgemäß über Zweck und Wesen
des Einlaß heischenden Quartetts ins Bild gesetzt zu haben. Ganz
zutreffend war diese seine Meinung allerdings nicht, Venn das etwas
verdutzte Antlitz der Küchenfee ließ erkennen, daß diese Art der Vor-
stellung ihr »och keine volle Aufklärung über die Wünsche der Fremd-
linge vermittelt hatte. Sie ließ aber trotzdem die Erschienenen in
die Diele hereintreten und meldete ihre Ankunft der Lausherrin.
Diese erschien denn auch bald in der Diele, von Lerrn Amts-
gerichtsrat Dr. Schmidt abermals mit der Meldung: „Das Königliche
Amtsgericht!" begrüßt. Die Frau des Laufes, die mit dieser Mit-
teilung anscheinend etwas mehr anzufange» wußte, bat die Lerren, in
den Salon einzutrete». Die Frage nach der Anwesenheit des Sach-
verständige» beantwortete sie verneinend.
Es blieb also nichts weiter übtig>, als auf das Erscheinen dieses
Lerrn zu warten. Die Lausfrau suchte diese Wartezeit sehr zweck-
entsprechend damit auszufüllen, daß sie die Sprache auf den Gegen-
stand des Prozesses brachte. Sie schlug den Teppich zurück, machte
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Der schwebende
Amtsrichter V°»«. k.
Wir schrieben das Jahr 1903.
Noch ergingen die Urteile im Namen
der Landesherren, und die deutschen
Gerichte legten großen Wert darauf,
je nach dem Range dieser respektive»
Landesherren als königlich, groß-
herzoglich, fürstlich usw. bezeichnet
zu werden.
Dr. Paul Schmidt, der „Lew"
unserer Geschichte, war Königlicher
Anitsgerichtsrat am Amtsgerichte
zu L., einer Stadt in Sachsen, wo
es am sächsischsten ist. Er war sehr
stolz auf seinen Titel und sein Amt
und trug beide mit einer Würde,
mit der jeder Großmogul ausgekom-
men wäre. Lätten sich seine richter-
lichen Fähigkeiten zu seinem Würde-
gefühl wie eins zu eins verhalten,
so wäre Dr. Schmidt als der ausge-
zeichnetste Amtsrichter im deutschen
Kaiserreiche anzuerkennen gewesen.
Wie das Verhältnis der beiden Fak-
toren zu einander in Wirklichkeit
beschaffen war, braucht hier nicht
erörtert zu werden, da diese Frage
für die nunmehr zu berichtenden Er-
eignisse von nebensächlicher Bedeu-
tung ist.
Daß Dr. Schmidt Junggeselle
war, weil er selbstverständlich noch
kein Mädchen für würdig befunden
hatte, an seiner Seite durchs Leben
zu wandeln, bedarf keiner besonderen
Hervorhebung.
Vor dem Forum dieses würde-
vollen Amtsgerichtsrats spielte sich
nun im obenerwähnten Jahre ein
„Schwammprozeß" ab. Ein auf Ent-
richtung des Mietzinses von seinem
Lauswirte verklagter Mieter lehnte
deffen Bezahlung ab mit der Be-
gründung, in der Wohnung sei der
Lausschwamm. Dieser habe sich be- „9iie Sie am Fahrstuhl — ich werde mich bei der Loteldirektion über Sie beschweren!"
reits derartig ausgebreitet, daß auf
dem Fußboden und an den Tapeten
schon mehrfach dunkle Flecke hervorgetreten seien. Namentlich im
„Salon" lasse ein mitten im Zimmer zu Tage getretener Pilzherd
die Größe des ilebels deutlich erkennen.
Da eine Einigung der Parteien nicht zu erzielen war, ordnete
Amtsgerichtsrat Dr. Schmidt schließlich eine Besichtigung der Woh-
nung unter Zuziehung eines Bausachverständigen an. Der Termin
hierzu wurde auf den nächsten Tag bestimmt.
Am folgende» Tage trafen sich zur festgesetzten Stunde vor dem
Lause, in dem die streitige Wohnung lag, die Beteiligten, und zwar
außer dem Lerrn Amtsgerichtsrat die beiden Anwälte sowie der
llrkundsbeamte, der sich damals noch die Bezeichnung „Gerichts-
schreiber" gefallen lassen mußte.
Der Sachverständige war nicht zur Stelle. Entweder hatte er den
Termin verschwitzt, oder er befand sich bereits oben in der Wohnung.
In der Annahme, daß das letztere zutreffe, erklomm man schließlich
die zur Wohnung führenden drei Treppen.
Oben angekommen klingelte der .Lcrr Amtsgerichtsrat, der natur-
gemäß die Führung übernommen hatte, an der Wohnungstür, wo-
rauf diese vo» dem Dienstmädchen geöffnet wurde.
„Das Königliche Amtsgericht!" Durch diese mit entsprechender
Würde angebrachte Begrüßung glaubte der Lerr Amtsgerichtsrat.
de» dienstbaren Geist sach- und formgemäß über Zweck und Wesen
des Einlaß heischenden Quartetts ins Bild gesetzt zu haben. Ganz
zutreffend war diese seine Meinung allerdings nicht, Venn das etwas
verdutzte Antlitz der Küchenfee ließ erkennen, daß diese Art der Vor-
stellung ihr »och keine volle Aufklärung über die Wünsche der Fremd-
linge vermittelt hatte. Sie ließ aber trotzdem die Erschienenen in
die Diele hereintreten und meldete ihre Ankunft der Lausherrin.
Diese erschien denn auch bald in der Diele, von Lerrn Amts-
gerichtsrat Dr. Schmidt abermals mit der Meldung: „Das Königliche
Amtsgericht!" begrüßt. Die Frau des Laufes, die mit dieser Mit-
teilung anscheinend etwas mehr anzufange» wußte, bat die Lerren, in
den Salon einzutrete». Die Frage nach der Anwesenheit des Sach-
verständige» beantwortete sie verneinend.
Es blieb also nichts weiter übtig>, als auf das Erscheinen dieses
Lerrn zu warten. Die Lausfrau suchte diese Wartezeit sehr zweck-
entsprechend damit auszufüllen, daß sie die Sprache auf den Gegen-
stand des Prozesses brachte. Sie schlug den Teppich zurück, machte
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Nie sind Sie am Fahrstuhl - ich werde mich bei der Hoteldirektion über Sie beschweren!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1938
Entstehungsdatum (normiert)
1933 - 1943
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 189.1938, Nr. 4872, S. 375
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg