„Sie fehlen nicht!" schreit Krähfink und
sieht den Vetter Lebbe mitleidig überlegen
an. „Wenn du statt des — wie schon gesagt!
— etwas geschwollenen Ausdrucks .zur Urne
gehen" das schlichte Wort .wählen" gebraucht
hättest, dann hättest du also behauptet: .In
England wählen viele Wähler nicht." Dann
aber wäre dir dein Quatsch wohl doch klar
geworden. Wenn ein Mensch wählt, dann ist
er Wähler; wenn er aber nicht wählt, dann
ist er eben auch nicht Wähler. Du hättest also
sagen müssen: In England gehen viele Wahl-
berechtigte nicht zur Arne."
„Darauf kommt es doch nicht so genau
an," verteidigt sich Lebbe. „Man sagt eben:
Wähler."
„Man sagt-wenn ich das schon höre!
Man — das sind die Leute, die nicht Nach-
denken."
„Na. Stüermann, wat hest du?" — „Eck denk' an Mine Brut! Dat wird
nu wohl aus sind mit ehr." — „Ach wat. worum fall dat ut sind?" —
„Tja, sei hett dat so an fick, dat sei sick Wihnacht girn verlowt."
Unterhaltung mit einem Logiker Von P-cer R°btns°n
Lebbe sitzt mit dem Vetter Krähfink beim gemütlichen Abendtrunk
und behaglichen Tabak. Sie sitzen oft beisammen und wollen fried-
liche Abende genießen, aber leider werden die Gemütlichkeit und
Behaglichkeit manchmal durch Debatten gestört, bei denen der Vetter
Krähfink in unliebenswürdiger Weise rechthaberisch wird, auf jeden
Fall dem Vetter Lebbe widersprechen muß und mit Laarspaltereien
den überlegenen Logiker in zänkischer Art beweisen will. Auch heule
kommt es wieder einmal durch eine flüchtige Bemerkung Lebbes dazu.
Lebbe hat also in einem hier gleichgültigen Zusammenhänge gesagt:
„Es trifft ja gar nicht zu, daß die Engländer an politischem Interesse
anderen Völkern überlegen sind. Die meisten Durchschnittsengländer
kümmern sich zunächst doch nur um ihren
persönlichen Kram und haben keine Lust,
darüber hinaus sich noch den Kopf über
politische Fragen zu zerbrechen." Dazu hat
der Vetter Krähfink noch beistimmend ge-
nickt; auch er ist durchaus der Meinung,
daß die Engländer gar keine so feinen
politischen Köpfe seien.
Aber nun fährt Lebbe fort: „Das be-
weist ja schon der Amstand, daß bei eng-
lischen Wahlen so viele Wähler überhaupt
der Arne fern bleiben." And da schüttelt
der Vetter Krähfink heftig den Kopf.
„Rein, mein Lieber, das stimmt nicht!
Sämtliche Wähler gehen, wie du dich et-
was geschwollen ausdrückst, zur Arne."
Lebbe wundert sich über den Vetter
Krähfink. „Sämtliche? Aber ich bitte dich:
das ist vielleicht in einem kleinen Dorf
möglich. Aber schon in einem größeren Ort
wird der oder jener verhindert sein — durch
eigene schwere Krankheit, oder weil gerade
ein naherAngehöriger im Sterben liegt, oder
was es sonst für ein zwingender Fall sein mag.
And nun gar in einem ganzen Lande! In Eng-
land aber geschieht es in großem Maße aus
Interesselosigkeit oder Bequemlichkeit; da
fehlen, wie du ja auch gelesen haben wirst,
30 Prozent der Wähler bei der Wahl."
Der Vetter Lebbe will nicht zu den Leuten
gehören, die nicht Nachdenken. Er denkt nach,
sogar scharf. „Erlaube mal: Ich beziehe elek-
Irischen Strom. Dazu ist bei mir ein Zähler
ausgestellt. Der ist neulich 14 Tage lang ka-
putt gewesen und hat nicht gezählt, was mich
übrigens gefreut hat. War der Apparat, so-
lange er nicht gezählt hat. also kein Zähler?"
Der Vetter Krähfink erlaubt sich eine ungehörige Geste: er tippt
gegen seine Stirn. „Aber Mensch — das ist doch ganz was andres!
Du kannst doch den Menschen, der wählt, nicht mit einem Apparat,
der zählt, vergleichen. Dazu mußt du auch einen Menschen, der zählt,
heranziehen. Nimm mal eine Volkszählung an! Dabei sind Leute
als Zähler tätig. Wenn nun aber solch ein Zähler seine Tätigkeit
als Volkszähler abbricht, weil er unpäßlich wird oder keine Lust mehr
hat. dann ist er natürlich kein Zähler mehr. Dein Elektrizitätszähler
aber ist vom Anbeginn seiner Existenz an als Zähler geschaffen; eine
vorübergehende Störung seiner Funktion ändert daran gar nichts.
Du brauchst dich aber gar nicht darüber zu freuen, mein Lieber, daß
das Ding gestreikt hat; man wird dir trotzdem auf Grund deines
seine Nadeln nicht verliert!"
„Das wäre also mal ein Weihnachtsbaum, der
sieht den Vetter Lebbe mitleidig überlegen
an. „Wenn du statt des — wie schon gesagt!
— etwas geschwollenen Ausdrucks .zur Urne
gehen" das schlichte Wort .wählen" gebraucht
hättest, dann hättest du also behauptet: .In
England wählen viele Wähler nicht." Dann
aber wäre dir dein Quatsch wohl doch klar
geworden. Wenn ein Mensch wählt, dann ist
er Wähler; wenn er aber nicht wählt, dann
ist er eben auch nicht Wähler. Du hättest also
sagen müssen: In England gehen viele Wahl-
berechtigte nicht zur Arne."
„Darauf kommt es doch nicht so genau
an," verteidigt sich Lebbe. „Man sagt eben:
Wähler."
„Man sagt-wenn ich das schon höre!
Man — das sind die Leute, die nicht Nach-
denken."
„Na. Stüermann, wat hest du?" — „Eck denk' an Mine Brut! Dat wird
nu wohl aus sind mit ehr." — „Ach wat. worum fall dat ut sind?" —
„Tja, sei hett dat so an fick, dat sei sick Wihnacht girn verlowt."
Unterhaltung mit einem Logiker Von P-cer R°btns°n
Lebbe sitzt mit dem Vetter Krähfink beim gemütlichen Abendtrunk
und behaglichen Tabak. Sie sitzen oft beisammen und wollen fried-
liche Abende genießen, aber leider werden die Gemütlichkeit und
Behaglichkeit manchmal durch Debatten gestört, bei denen der Vetter
Krähfink in unliebenswürdiger Weise rechthaberisch wird, auf jeden
Fall dem Vetter Lebbe widersprechen muß und mit Laarspaltereien
den überlegenen Logiker in zänkischer Art beweisen will. Auch heule
kommt es wieder einmal durch eine flüchtige Bemerkung Lebbes dazu.
Lebbe hat also in einem hier gleichgültigen Zusammenhänge gesagt:
„Es trifft ja gar nicht zu, daß die Engländer an politischem Interesse
anderen Völkern überlegen sind. Die meisten Durchschnittsengländer
kümmern sich zunächst doch nur um ihren
persönlichen Kram und haben keine Lust,
darüber hinaus sich noch den Kopf über
politische Fragen zu zerbrechen." Dazu hat
der Vetter Krähfink noch beistimmend ge-
nickt; auch er ist durchaus der Meinung,
daß die Engländer gar keine so feinen
politischen Köpfe seien.
Aber nun fährt Lebbe fort: „Das be-
weist ja schon der Amstand, daß bei eng-
lischen Wahlen so viele Wähler überhaupt
der Arne fern bleiben." And da schüttelt
der Vetter Krähfink heftig den Kopf.
„Rein, mein Lieber, das stimmt nicht!
Sämtliche Wähler gehen, wie du dich et-
was geschwollen ausdrückst, zur Arne."
Lebbe wundert sich über den Vetter
Krähfink. „Sämtliche? Aber ich bitte dich:
das ist vielleicht in einem kleinen Dorf
möglich. Aber schon in einem größeren Ort
wird der oder jener verhindert sein — durch
eigene schwere Krankheit, oder weil gerade
ein naherAngehöriger im Sterben liegt, oder
was es sonst für ein zwingender Fall sein mag.
And nun gar in einem ganzen Lande! In Eng-
land aber geschieht es in großem Maße aus
Interesselosigkeit oder Bequemlichkeit; da
fehlen, wie du ja auch gelesen haben wirst,
30 Prozent der Wähler bei der Wahl."
Der Vetter Lebbe will nicht zu den Leuten
gehören, die nicht Nachdenken. Er denkt nach,
sogar scharf. „Erlaube mal: Ich beziehe elek-
Irischen Strom. Dazu ist bei mir ein Zähler
ausgestellt. Der ist neulich 14 Tage lang ka-
putt gewesen und hat nicht gezählt, was mich
übrigens gefreut hat. War der Apparat, so-
lange er nicht gezählt hat. also kein Zähler?"
Der Vetter Krähfink erlaubt sich eine ungehörige Geste: er tippt
gegen seine Stirn. „Aber Mensch — das ist doch ganz was andres!
Du kannst doch den Menschen, der wählt, nicht mit einem Apparat,
der zählt, vergleichen. Dazu mußt du auch einen Menschen, der zählt,
heranziehen. Nimm mal eine Volkszählung an! Dabei sind Leute
als Zähler tätig. Wenn nun aber solch ein Zähler seine Tätigkeit
als Volkszähler abbricht, weil er unpäßlich wird oder keine Lust mehr
hat. dann ist er natürlich kein Zähler mehr. Dein Elektrizitätszähler
aber ist vom Anbeginn seiner Existenz an als Zähler geschaffen; eine
vorübergehende Störung seiner Funktion ändert daran gar nichts.
Du brauchst dich aber gar nicht darüber zu freuen, mein Lieber, daß
das Ding gestreikt hat; man wird dir trotzdem auf Grund deines
seine Nadeln nicht verliert!"
„Das wäre also mal ein Weihnachtsbaum, der
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Na, Stüermann, wat hest du?" "Das wäre also mal ein Weihnachtsbaum, der seine Nadeln nicht verliert!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1938
Entstehungsdatum (normiert)
1933 - 1943
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 189.1938, Nr. 4873, S. 390
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg