Zetchnung von ®. Traub
Unterhaltung mit einem Logiker
Durchschnittsverbrauchs den Strom für die
vierzehn Tage berechnen, vielleicht sogar
ziemlich knallig."
Lebbe hat sich schon geärgert, daß der
Vetter Krähfink sich gegen die Stirn ge-
tippt hat. Der unliebenswürdige Linweis
auf die Elektrizitätsrechnung ärgert ihn
noch mehr. Deshalb überlegt er nicht mehr
scharf, als er nun fagt: „Ah so, weil der
Apparat seine Tätigkeit nicht aus eigenem
Willen, den er ja nicht hat, einstellt —
deshalb bleibt er, was er ist. Beim
Menschen aber gilt das deiner Meinung
nach nicht. Wen» also ein Bäcker drei
Wochen Ferien macht, dann ist er in der
Zeit kein Bäcker; wenn ein Jäger einige
Zeit nicht auf die Jagd geht, weil ihn
vielleicht gerade das bei Jägern wohl
häufige Podagra quält, dann ist er kein
Jäger; wenn ein Arzt gerade keine Pa-
tienten hat, dann-"
„Quatsch, alles Quatsch!" unterbricht
Krähfink den Vetter Lebbe. „Bäcker, Jäger,
Arzt — das sind ja Berufe. Der Bäcker
bleibt natürlich in seinen Ferien Bäcker;
er hört erst auf, Bäcker zu sein, wenn er
sich endgültig zur Ruhe gesetzt hat. And
der Jäger wird schon wieder aus die Jagd
gehen können, und der Arzt wird Patienten
kriegen. Aber selbst wenn er keine kriegt,
ist er ja doch Arzt; es gibt sicherlich manche
solche Aerzte. Du kommst da mit ganz un-
sinnigen Beispielen an."
„Ach so — es soll sich also wie bei
deinem wählenden Wähler um eine vor-
übergehende Eigenschaft handeln. Paß auf!
Wer heute gewählt hak, den wirst du also
auch noch in vierzehn Tagen oder drei
Monaten einen Wähler nennen, nicht
wahr?"
„Aber selbstverständlich!"
„Aha! Dann würdest du also auch sagen:
,Nach seiner Genesung trat der Kranke
eine große Reise an' oder: ,Ein halbes
Jahr bereits befolgte der Raucher das
Gebot des Arztes und genoß keinen Tabak
mehr'. Das wäre aber falsch, denn wenn
ein Mensch genesen ist, dann ist er kein Kranker mehr, und wenn
der Raucher-"
„Stimmt ja, stimmt ja!" schreit der Vetter Krähfink. „Du mengst
ja lauter Blödsinn zusammen. In diesen Fällen würde ich selbstver-
ständlich sagen: Der krank Gewesene und der frühere Raucher."
Dem Vetter Lebbe fällt etwas ein. „Vorhin habe ich in einer
recht guten Geschichte den Satz gelesen: ,Endlich fühlte der Schwimmer
festen Boden unter den Füßen und stieg gerettet ans Äser/ Das ist
also deiner Meinung nach falsch. Du wirst jedenfalls behaupten:
Wenn jener Mensch festen Boden unter den Füßen fühlt und ans
Äser steigt, dann ist er kein Schwimmer mehr. Du hättest also ge-
schrieben: Endlich fühlte der frühere Schwimmer festen Boden unter
den Füßen."
„Das ist ja haarsträubend!" brüllt der Vetter Krähfink. „Natürlich
heißt es: der Schwimmer. Denn eben durch sein Schwimmen kommt
jener Mensch dazu, festen Boden unter den Füßen zu fühlen. Was
sind das für lächerliche Beispiele! Du bist ja verrückt!"
„Verrückt? Schön — nehmen wir das an! Aber ich werde geheilt.
Dann wirst du am Ende erzählen: ,Der Verrückte dankte dem
Psychiater für seine Leitung.' Das wäre aber schierer Blödsinn.
Liebe im Schnee
„Den Raverl hat's hindraht -- und die Annamirl a!"
„Ratürli! Die fallt eahm ja nach auf Schritt und Tritt!"
Denn wenn der Mann wirklich geheilt ist und für seine Leitung
sich bedankt, ist er kein Verrückter mehr."
„Selbstverständlich nicht! Ich werde sagen: Der verrückt Gewesene.
And wir wollen hoffen, mein Lieber, daß ich das recht bald von dir
sagen kann."
Lebbe wird böse. „Ich bedauere, eine ähnliche Loffnung nicht aus-
sprechen zu können. Von dir werde ich nie sagen können: Der verrückt
Gewesene. Denn du wirst es immer bleiben."
Lierauf springt Krähfink auf und verläßt den Vetter Lebbe. And
diesmal wird es mindestens zwei Wochen dauern, bis sie sich wieder
zu einem gemütlichen Abendtrunk und behaglichen Tabak zusammen-
finden.
Durchschaut
„Wenn der Bursche arbeiten soll, behauptet er immer, 's Reißen
zu haben — bald in den Armen, bald in den Beinen, bald im
Kreuz — ein ganz gerissener Junge!"
391
Unterhaltung mit einem Logiker
Durchschnittsverbrauchs den Strom für die
vierzehn Tage berechnen, vielleicht sogar
ziemlich knallig."
Lebbe hat sich schon geärgert, daß der
Vetter Krähfink sich gegen die Stirn ge-
tippt hat. Der unliebenswürdige Linweis
auf die Elektrizitätsrechnung ärgert ihn
noch mehr. Deshalb überlegt er nicht mehr
scharf, als er nun fagt: „Ah so, weil der
Apparat seine Tätigkeit nicht aus eigenem
Willen, den er ja nicht hat, einstellt —
deshalb bleibt er, was er ist. Beim
Menschen aber gilt das deiner Meinung
nach nicht. Wen» also ein Bäcker drei
Wochen Ferien macht, dann ist er in der
Zeit kein Bäcker; wenn ein Jäger einige
Zeit nicht auf die Jagd geht, weil ihn
vielleicht gerade das bei Jägern wohl
häufige Podagra quält, dann ist er kein
Jäger; wenn ein Arzt gerade keine Pa-
tienten hat, dann-"
„Quatsch, alles Quatsch!" unterbricht
Krähfink den Vetter Lebbe. „Bäcker, Jäger,
Arzt — das sind ja Berufe. Der Bäcker
bleibt natürlich in seinen Ferien Bäcker;
er hört erst auf, Bäcker zu sein, wenn er
sich endgültig zur Ruhe gesetzt hat. And
der Jäger wird schon wieder aus die Jagd
gehen können, und der Arzt wird Patienten
kriegen. Aber selbst wenn er keine kriegt,
ist er ja doch Arzt; es gibt sicherlich manche
solche Aerzte. Du kommst da mit ganz un-
sinnigen Beispielen an."
„Ach so — es soll sich also wie bei
deinem wählenden Wähler um eine vor-
übergehende Eigenschaft handeln. Paß auf!
Wer heute gewählt hak, den wirst du also
auch noch in vierzehn Tagen oder drei
Monaten einen Wähler nennen, nicht
wahr?"
„Aber selbstverständlich!"
„Aha! Dann würdest du also auch sagen:
,Nach seiner Genesung trat der Kranke
eine große Reise an' oder: ,Ein halbes
Jahr bereits befolgte der Raucher das
Gebot des Arztes und genoß keinen Tabak
mehr'. Das wäre aber falsch, denn wenn
ein Mensch genesen ist, dann ist er kein Kranker mehr, und wenn
der Raucher-"
„Stimmt ja, stimmt ja!" schreit der Vetter Krähfink. „Du mengst
ja lauter Blödsinn zusammen. In diesen Fällen würde ich selbstver-
ständlich sagen: Der krank Gewesene und der frühere Raucher."
Dem Vetter Lebbe fällt etwas ein. „Vorhin habe ich in einer
recht guten Geschichte den Satz gelesen: ,Endlich fühlte der Schwimmer
festen Boden unter den Füßen und stieg gerettet ans Äser/ Das ist
also deiner Meinung nach falsch. Du wirst jedenfalls behaupten:
Wenn jener Mensch festen Boden unter den Füßen fühlt und ans
Äser steigt, dann ist er kein Schwimmer mehr. Du hättest also ge-
schrieben: Endlich fühlte der frühere Schwimmer festen Boden unter
den Füßen."
„Das ist ja haarsträubend!" brüllt der Vetter Krähfink. „Natürlich
heißt es: der Schwimmer. Denn eben durch sein Schwimmen kommt
jener Mensch dazu, festen Boden unter den Füßen zu fühlen. Was
sind das für lächerliche Beispiele! Du bist ja verrückt!"
„Verrückt? Schön — nehmen wir das an! Aber ich werde geheilt.
Dann wirst du am Ende erzählen: ,Der Verrückte dankte dem
Psychiater für seine Leitung.' Das wäre aber schierer Blödsinn.
Liebe im Schnee
„Den Raverl hat's hindraht -- und die Annamirl a!"
„Ratürli! Die fallt eahm ja nach auf Schritt und Tritt!"
Denn wenn der Mann wirklich geheilt ist und für seine Leitung
sich bedankt, ist er kein Verrückter mehr."
„Selbstverständlich nicht! Ich werde sagen: Der verrückt Gewesene.
And wir wollen hoffen, mein Lieber, daß ich das recht bald von dir
sagen kann."
Lebbe wird böse. „Ich bedauere, eine ähnliche Loffnung nicht aus-
sprechen zu können. Von dir werde ich nie sagen können: Der verrückt
Gewesene. Denn du wirst es immer bleiben."
Lierauf springt Krähfink auf und verläßt den Vetter Lebbe. And
diesmal wird es mindestens zwei Wochen dauern, bis sie sich wieder
zu einem gemütlichen Abendtrunk und behaglichen Tabak zusammen-
finden.
Durchschaut
„Wenn der Bursche arbeiten soll, behauptet er immer, 's Reißen
zu haben — bald in den Armen, bald in den Beinen, bald im
Kreuz — ein ganz gerissener Junge!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Liebe im Schnee"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1938
Entstehungsdatum (normiert)
1933 - 1943
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 189.1938, Nr. 4873, S. 391
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg