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Wie einer seßhaft wurde

Von Peter Esten

Der Bauer Welling vom Knops-
hof ist ein braver und tüchtiger Kerl.

Er hat aus seinem Kotten im Lauf
der Jahre so was wie ein Muster-
gütchen gemacht und darf sich etwas
darauf einbilden, daß die Nachbarn
ihn gelegentlich um einen Rat fragen
und ihm auch wohl die und jene kleine
Neuerung abgucken.

Soviel Erfolg und Anerkennung
tun einem natürlich gut. And wenn
einem auch nicht gleich darob der
Kamm zu schwellen braucht: es bildet
sich doch leicht irgendein gehobenes
und schönes Gefühl heraus, das, ohne
daß wir uns dessen bewußt werden,
uns zu einem neuen Lebensstil bekehrt.

Bei Welling kommt die innere
Wandlung zunächst dadurch zum Aus-
druck, daß er für seinen äußeren Men-
schen einiges mehr zu tun beginnt, als
das früher der Fall war. Er schniegelt
und striegelt sich, daß die Bäuerin
manchmal, wenn er vorm Spiegel
steht und mit Kamm und Bürste das
melierte Laar dressiert, damit es
einigermaßen die aufleuchtende Glatze
bedecke, ihn heimlich von der Seite
betrachtet und sorgenvoll den Kopf
schüttelt. Es beunruhigt sie auch, daß
er sich jetzt selbst an Werktagen häu-
figer in seine» Sonntagsstaat wirft,
den Kutschwagen anspannt und unter
allerlei mehr oder minder nichtigen
Vorwänden über Land oder in die
Stadt fährt. „Du wirst doch auf deinen
alten Tag keine Dummheiten machen
wollen?" fragt sie gelegentlich und
droht in halbem Ernst mit dem Finger.

„Daß du mir ja hübsch brav bleibst,

Lannes!" Aber dann lacht der Bauer
so herzhaft und bieder, daß man ihm
keine richtige Missetat zutrauen mag:

„Wie werd ich denn, Fina! Sei nit
närrisch! Du kennst doch deinen alten
treuen Schluffen. And du wirst sehn:
heut wirds gar nit so spät."

Aber es wird allemal spät und
später, und manchmal kommt es sogar
vor, daß der Bauer erst gen Morgen
wieder in den Los einkcktschiert und
beim Ausspannen nicht mehr ganz
sicher auf den Beinen steht. Die Frau
redet ihm, wenn er mit so einem
Mordsrausch heimkehrt, erst im Guten
zu, dann, als das nicht hilft, heult sie sich ihren Kummer von der
Seele, und schließlich wird sie böse und liest ihm die Leviten, so wie
das ein Sausaus eben verdient.

Den Lannes schert all das nicht viel. Er sitzt nach wie vor ein paar-
mal in der Woche in den Schenken herum, spielt Karten, säuft und
führt ein großes Wort. Allmählich wird er auch zum Krakehler und
bändelt mit aller Welt an, mit der er früher in Frieden lebte. „Der
Welling hat gestern wieder seine Tour gehabt," heißt es dann andern
Tags im Dorf und auf den Lösen. Die Frau daheim wird ganz ratlos
und weiß, daß schon sowas wie ein kleines Wunder geschehen muß,
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wenn der Lannes wieder auf den
rechten Weg finden soll.

Da führt der Zufall dem Welling
eines Abends, als er wieder in der
Kneipe sitzt und zecht, den humpeln-
den Flickschuster Meid in die Quere.
Nicht als ob ihm der Schuster schon
irgendwann einmal zu nahegetreten
wäre! Aber der Bauer mag ihn
trotzdem nicht recht leiden. Vielleicht,
weil der Meid, wenn er stunden-
lang bei einem kleinen Schnäpschen
klebt, den Kiebitz beim Skat macht
und mit einem pfiffig-verschlagenen
Lächeln in den Augenwinkeln die
Gäste betrachtet; vielleicht aber auch,
weil ihn die Knickerigkeit des Schusters
erbost, der jeden Groschen dreimal
in der Land umdreht, ehe er ihn
ausgibt. And so wächst denn in Wel-
ling langsam ein rechter Groll hoch,
und schließlich kann er nicht anders:
er muß dem Meid eins auswischen.
„So sauf doch endlich deinen Finger-
Hut aus!" herrscht er den vom Neben-
tisch her ihm in die Karten spionie-
renden Schuster an. And den Wirt
kommandiert er: „Einen Schnaps für
den Abstinenzler da! Aber einen ganz
großen!"

„Nein," lehnt der Schuster ab, als
der Wirt ihm das Glas hinstellt,
„ich danke. Erstens trink ich soviel
und so wenig, wie ich Lust Hab, und
zweitens bezahl ich meine Zeche sel-
ber." — Was das heißen solle, braust
der Bauer auf; ob der Meid ihm
einen Korb geben wolle. — Aber
der Schuster hüllt sich in Schweigen
und begnügt sich damit, seinen Wider-
sacher mit spöttischen Blicken zu trak-
tieren. Der gerät nun ganz außer
sich, nennt den Schuster einen Ziegen-
kötter und hat nicht Übel Lust, auf
ihn loszugehen. Aber mit einiger
Mühe gelingt es seinen Zechgenossen,
ihn zu beruhigen. Nur braucht er
jetzt viele, viele Schoppen, um sein
inneres Gleichgewicht wieder herzu-
stellen, und als er spät als Letzter
aus der Schenke aufbricht, ist's schon
mehr ein Torkeln als ein vernünfti-
ges Gehen.

Aber nun schau einer an: wer
steht da im Los bei seinem Kutsch-
wagen? Man sieht ja zwar nicht mehr
ganz klar, aber wahrhaftig, das ist
doch kein anderer als der Schuster.
„Welling," sagt der treuherzig, „wollen wir uns nicht wieder
vertragen? Ich seh ein, es war nit recht von mir, daß ich Euch den
Schnaps abschlug. Aber Ihr wißt: ich bin auf so große Gläser
eben nit geeicht." — Sowas läßt sich hören. And so schlägt denn
der Bauer in die Land der Versöhnung, die sich ihm darbietek,
kräftig ein. „Kannst dich draus verlassen, Meid," versichert er lallend,
„ich trag dir nichts nach."

Schwer, arg schwer fällt es diesmal dem Welling, den Kutschbock
zu erklimmen. Aber der Schuster leiht ihm seinen hilfreichen Beistand

(Fortsetzung Sette 38)

„Verdammte Bummelei!"

„Meinst du uns oder die Straßenbahn?"
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"Verdammte Bummelei!"
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
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In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 190.1939, Nr. 4877, S. 36

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