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Der amerikanisierte Handschuh V°» R-»ph uro«»

„Smith," sagte der Redakteur des große» amerikanischen Wochen'
blattes zu dem jungen Tagesschriftsteller, „die Deutschen machen in letzter
Zeit so viel von sich reden, daß man sie auch in der Literatur nicht mehr
ganz übergehen kann. Ich möchte in der nächsten Nummer eine kleine
Aebersetzung bringen. Lier habe ich einen Band mit Gedichten, sie dürften
von einem prominenten deutschen Schriftsteller sein. Ich kenne ihn zwar
nicht, es ist auch egal, ob er noch lebt oder nicht, Lonorare bezahlen
wir an Deutsche sowieso nicht. Sehen Sie sich den Band durch, viel-
leicht können Sie etwas davon für eine Kurzgeschichte verwenden. Gedicht-
form kommt natürlich nicht in Frage, hingegen wäre es wünschenswert,
wenn Sie in die Skizze geschickt etwas Reklame für einen unserer großen
Inserenten einflechten könnten." — Mr. Smith begab sich an seinen Schreib-
tisch und studierte die Gedichte durch. Und da er etwas deutsch konnte, fiel
es ihm nicht schwer, geeigneten Stoff zu finden.

Am nächsten Sonntag erschien in dem Blatt folgender Artikel:

Der Landschuh — Kurzgeschichte von F. v. Schiller.

Einzig berechtigte Aebersetzung aus dem Deutschen von I. B. T. Smith.

(Nachdruck verboten)

Der Stahlkönig Frank Wood gab auf seinem Besitz in Florida wieder
einmal eines seiner großartigen Parkfeste. Den Löhepunkt der Veran-
staltung sollte diesmal eine Raubtierschau bilden. Zu diesem Zweck war
ein Zwinger erbaut worden, um den sich ringsum in Galerien die Plätze
für die Zuschauer zogen.

Die Gäste waren bereits versammelt, Scheinwerfer flammten auf, die
sechzigköpfige Original-Neger-Iazzband intonierte den Dankee-Doodle.

Mr. Wood trat an die Brüstung und winkte mit dem Finger. Lierauf
öffnete sich eines der Gittertore der Käfige, und in den Zwinger trat be-
dächtigen Schrittes ein Löwe. Er sah sich ringsum, gähnte, schüttelte die
Mähne, streckte sich und legte sich nieder.

Mr. Wood winkte wieder, worauf sich die zweite Tür öffnete und mit
wilden Sprüngen ein Tiger herausschoß. Als er den Löwen erblickte, stutzte er,
brüllte, peitschte mit der Rute, reckte die Zunge, umkreiste den Löwen, aber mit
gebührendem Respekt, und legte sich dann grimmig schnurrend ebenfalls nieder.

Nun winkte der Stahlkönig zum drittenmal, die nächste Gittertür flog . . .

hoch, zwei Leoparden stürzten in den Zwinger und fuhren auch schon fauchend "®ie ^al>en e*ncn wundervollen Schmelz, das muß ich Ihnen
auf den Tiger los. Der Tiger nicht faul, sprang auf und wehrte sich mit seinen Fachmann sagen. — „Sie sind aber doch Zahnarzt!
grimmigen Tatzen. Nun erhob sich auch der Löwe mit fürchterlichem Brüllen, -Eben, ich meine Ihren Zahnschmelz."
worauf die anderen Raubtiere plötzlich still wurden und sich verhältnismäßig

artig im Kreis lagerten. Nur in den Augen des Katzengetiers funkelte
Mordlust.

„Ach!" erklang ein kleiner Schrei von einer Loge her, und im gleichen
Augenblick fiel ein Damenhandschuh mitten unter die wilden Bestien, die
davon übrigens gar keine Notiz nahmen. Der Landschuh gehörte der Miß
Kunigunde, der Tochter des Fleischkönigs von Chicago.

„Peinlich," sagte Miß Kunigunde zu ihrem Kavalier, dem Mr. Ritter,
„was machen wir da?" — „Nichts!" schlug ihr Verehrer vor.

„Oh," seufzte Miß Kunigunde, „Sie sagten doch. Sie würden für mich
alles tun. Warum holen Sie mir also den Landschuh nicht?"

Mr. Ritter erbleichte. Dann aber erhob er sich, verneigte sich stumm und
ging hinunter. Als er durch die Eisentür in den Zwinger trat, ertönten ein
paar bange Schreie, worauf es so still wurde, als hielten alle den Atem
ein. And Mr. Ritter ging festen Schrittes mitten unter die knurrenden
Bestien, hob den Landschuh auf und erreichte unbeschadet die Gittertür.
Donnernder Beifall belohnte die mutige Tat, und während der Leld des
Abends die Treppe Hinausstieg, bewarfen ihn die Damen mit Blumen.

„Mein Leld!" empfing ihn Miß Kunigunde, und in ihren Augen glänzte
es verheißungsvoll. „Wie soll ich Ihnen danken!"

„Auf den Dank verzichte ich," entgegnete Mr. Ritter und warf ihr den
Landschuh ins Gesicht, „denn ich dachte nicht, daß Sie mich wegen eines ge-
wöhnlichen Landschuhs in den Löwenkäfig zu schicken wagten, sondern ich
nahm als selbstverständlich an, daß eine Dame nur die Qualitätshandschuhe
mit dem Stern von Sanford & Co. tragen würde!"

Sprachs und verließ Miß Kunigunde trotz ihrer Millionen. And alles nur
deswegen, weil sie schlechten Geschmack verraten hatte, indem sie sich noch
immer nicht die schnittigen und unvergleichlichen Landschuhe Marke .Stern"
angeschafft hatte, die doch in jedem besseren einschlägigen Geschäft schon für
Der Zahnarzt hat sich zur Ruhe gesetzt Dollars S.— zu bekommen sind.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Zahnarzt hat sich zur Ruhe gesetzt" "Sie haben einen wundervollen Schmelz..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Bauer, Max
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 190.1939, Nr. 4882, S. 119

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