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Der ewige Regenschirm
Eine uralte Geschichte mit neuer Barttracht. Bon Ralph Urban
Lerr Waff saß im Restaurant, verzehrte ein Schnitzel und sah
von seinem Fensterplatz aus auf die nasse Straße. Es herrschte
neckisches Wetter, bald regnete es, bald regnete es nicht. Eben
regnete es wieder heftig.
„Lerr Ober!" erklang eine laute und zornbebende Stimme von
dem Garderobenständer nächst dem Ausgang her. Lerr Waff wandte
ein wenig das Laupt und blickte zu dem Rufer hinüber. Es war
ein älterer Lerr mit Spitzbart, der mit beiden Beine» zugleich auf
und nieder hüpfte. Der Ober kam mit wehenden Frackschötzen
herbeigeeilt.
„Mein Schirm ist weg," rief ihm der aufgeregte Mann entgegen,
„man hat mir meinen Schirm gestohlen!"
„Aber, aber," begütigte der Kellner, „heutzutage stiehlt doch
niemand einen Schirm. Da steht ja einer, ist es nicht dieser?"
„Dieser ist es nicht," sagte der Lerr mit dem Spitzbart und
wackelte vor Erregung mit den Ohren, „aber meiner stand auch hier.
Ich verlange Ersatz."
„Jeder hat auf seine Garderobe selbst zu achten," entgegnete der
Ober. „Ersatz kommt gar nicht in Frage. Wahrscheinlich hat ein
Gast irrtümlich diesen Schirm mit Ihrem vertauscht. Nehmen Sie
halt den da!"
„Den da, den da?" höhnte der Lerr. „Das ist ja ein Besen und
kein Regenschirm. Meiner war ganz neu und bildschön. Das da
hier ist eine häßliche Karikatur —"
„Lahaha —" lachte Lerr Waff auf seinem Platz und legte die
Gabel weg, um die tragisch heitere Szene zu genießen. Der cholerische
Lerr zog eben jenen Schirm aus dem Ständer und begann in seiner
maßlosen Wut das Regendach zu zerstören. Cr pflückte die Schirm-
spangen wie Blumen heraus und half mit dem Fuß nach. Der Ober
stand dabei und schüttelte den Kopf.
Plötzlich gab es Lerrn Waff einen scharfen Stich. Wo befand
sich denn sein Regenschirm, den mußte er ja bei jenem Ständer, an
dem auch sein Mantel hing, abgelegt haben? Ein schwarzer runder
Griff, natürlich war das seiner. — And schon sprang er auf und
sauste zum Kriegsschauplatz.
„Lerr!" rief er. „Sie unterhalten sich anscheinend recht gut mit
meinem Regenschirm. Machen Sie nur ruhig weiter, aber wenn Sie
dann fertig sind, bezahlen Sie an mich zwölf Mark fünfzig Pfennige.
Soviel hat er nämlich gekostet."
Der Mann hielt inne, japste und erbleichte.
„And wenn Sie nicht gutmütig zahlen," setzte ihm Waff das
Messer an die Brust, „dann zeige ich Sie noch wegen boshafter
Sachbeschädigung an."
Der Mann ließ die Anterlippe hängen, zahlte die Rm. 12.50 und
schlich aus dem Lokal. Lerr Waff kehrte zu seinem erkalteten Schnitzel
zurück und war ganz zufrieden mit sich. Man mußte nur den Leuten
energisch gegenübertreten, dann kam man gleich zu seinem Recht.
Gäste kamen, Gäste gingen. Bald zahlte Lerr Waff und begab
sich zum Garderobenständer. Als er den Mantel vom Laken nahm,
erblickte er einen schönen Regenschirm mit schwarzem runden Griff,
der dahinter gehangen hatte. Brennende Schamröte stieg ihm ins
Gesicht, natürlich hing da friedlich sein Regenschirm, den er sich von
„Willst das ganze Trumm Kas allein essen, Taver?"
„Fallt mir net ein-die Zenzi bringt mir noch Brot dazu."
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Der ewige Regenschirm
Eine uralte Geschichte mit neuer Barttracht. Bon Ralph Urban
Lerr Waff saß im Restaurant, verzehrte ein Schnitzel und sah
von seinem Fensterplatz aus auf die nasse Straße. Es herrschte
neckisches Wetter, bald regnete es, bald regnete es nicht. Eben
regnete es wieder heftig.
„Lerr Ober!" erklang eine laute und zornbebende Stimme von
dem Garderobenständer nächst dem Ausgang her. Lerr Waff wandte
ein wenig das Laupt und blickte zu dem Rufer hinüber. Es war
ein älterer Lerr mit Spitzbart, der mit beiden Beine» zugleich auf
und nieder hüpfte. Der Ober kam mit wehenden Frackschötzen
herbeigeeilt.
„Mein Schirm ist weg," rief ihm der aufgeregte Mann entgegen,
„man hat mir meinen Schirm gestohlen!"
„Aber, aber," begütigte der Kellner, „heutzutage stiehlt doch
niemand einen Schirm. Da steht ja einer, ist es nicht dieser?"
„Dieser ist es nicht," sagte der Lerr mit dem Spitzbart und
wackelte vor Erregung mit den Ohren, „aber meiner stand auch hier.
Ich verlange Ersatz."
„Jeder hat auf seine Garderobe selbst zu achten," entgegnete der
Ober. „Ersatz kommt gar nicht in Frage. Wahrscheinlich hat ein
Gast irrtümlich diesen Schirm mit Ihrem vertauscht. Nehmen Sie
halt den da!"
„Den da, den da?" höhnte der Lerr. „Das ist ja ein Besen und
kein Regenschirm. Meiner war ganz neu und bildschön. Das da
hier ist eine häßliche Karikatur —"
„Lahaha —" lachte Lerr Waff auf seinem Platz und legte die
Gabel weg, um die tragisch heitere Szene zu genießen. Der cholerische
Lerr zog eben jenen Schirm aus dem Ständer und begann in seiner
maßlosen Wut das Regendach zu zerstören. Cr pflückte die Schirm-
spangen wie Blumen heraus und half mit dem Fuß nach. Der Ober
stand dabei und schüttelte den Kopf.
Plötzlich gab es Lerrn Waff einen scharfen Stich. Wo befand
sich denn sein Regenschirm, den mußte er ja bei jenem Ständer, an
dem auch sein Mantel hing, abgelegt haben? Ein schwarzer runder
Griff, natürlich war das seiner. — And schon sprang er auf und
sauste zum Kriegsschauplatz.
„Lerr!" rief er. „Sie unterhalten sich anscheinend recht gut mit
meinem Regenschirm. Machen Sie nur ruhig weiter, aber wenn Sie
dann fertig sind, bezahlen Sie an mich zwölf Mark fünfzig Pfennige.
Soviel hat er nämlich gekostet."
Der Mann hielt inne, japste und erbleichte.
„And wenn Sie nicht gutmütig zahlen," setzte ihm Waff das
Messer an die Brust, „dann zeige ich Sie noch wegen boshafter
Sachbeschädigung an."
Der Mann ließ die Anterlippe hängen, zahlte die Rm. 12.50 und
schlich aus dem Lokal. Lerr Waff kehrte zu seinem erkalteten Schnitzel
zurück und war ganz zufrieden mit sich. Man mußte nur den Leuten
energisch gegenübertreten, dann kam man gleich zu seinem Recht.
Gäste kamen, Gäste gingen. Bald zahlte Lerr Waff und begab
sich zum Garderobenständer. Als er den Mantel vom Laken nahm,
erblickte er einen schönen Regenschirm mit schwarzem runden Griff,
der dahinter gehangen hatte. Brennende Schamröte stieg ihm ins
Gesicht, natürlich hing da friedlich sein Regenschirm, den er sich von
„Willst das ganze Trumm Kas allein essen, Taver?"
„Fallt mir net ein-die Zenzi bringt mir noch Brot dazu."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Willst das ganze Trumm Kas allein essen, Xaver?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)