Zweck« Kennenlernen
heimliche Sehnsucht klang in seinen Worten
durch. Lilde erzählte von ihrem Beruf. Ge-
wiß, sie habe nicht zu klagen. Der Nachmittag
wurde schließlich noch ganz nett. Aber mehr
war es nicht. And als sie sich trennten, sagte
Kurt, leider könne er heute nichts verabreden,
er werde schreiben. Lilde war durchaus da-
mit einverstanden. Sie trennten sich, beide
gewiß, sich nicht wieder zu sehen.
Es vergingen acht Tage. Kurt überlegte
hin und her. Denn, seltsam, je mehr Abstand
er zu jenem Nachmittag bekam, um so freund-
licher wurde das Bild der Erinnerung. Aehn-
lich ging es Lilde. Am Ende der Woche
dachte sie: „Eigentlich wäre es doch ganz nett,
wenn er schreiben würde!" Aber es kam der
Sonntag, und Lilde ging mit Onkel und Tante
spazieren. Doch wenn sie einen jungen Lerrn
herankommen sah, mußte sie immer denken:
„Eigentlich wäre es ganz nett, wenn es zu-
fällig Kurt wäre!"
Kurt aber stand auf dem Sportplatz und
schaute einem Länderspiel zu. Doch mitten im
spannendsten Augenblick ertappte er sich, wie
er die Zuschauer musterte und dachte: „Eigent-
lich wäre es nett, wenn ich irgendwo Lilde
entdecken würde!" Aber das Schicksal tat
beiden diesen Gefallen nicht.
Wieder vergingen einige Tage. Nun zwei-
felte Lilde schon, ob eigentlich Kurt, oder sie
schreiben sollte? Es wurde Freitag. Lilde zerbrach sich an der Schreib-
maschine den Kopf darüber, was sie tun solle. Vorerst aber machte
sie ungewöhnlich viele Tippfehler.
Am Abend aber sah man nach Geschäftsschluß einen jungen
Lerrn zu einem Briefkasten eilen. Von der entgegengesetzten Seite
kam eine junge Dame. Sie kamen zur gleichen Zeit an. Beide hoben
die Kastenklappe, der Lerr rechts, die Dame links, beide schauten
einander an. Die Klappen fielen überrascht zu, ohne die Briefe ver-
schluckt zu haben.
„Fräulein Lilde?!" sagte der junge Mann.
„Ach, welche Aeberrasckung," erwiderte sie. „Sagen Sie mal,
haben wir nun ausgemacht. Sie sollen schreiben — oder ich?" Der
junge Mann zeigte lachend seinen Brief. „Da kann ich ja gleich ..."
„Natürlich — und auch mein Brief ist nun überflüffig geworden!"
rief Lilde.
„Ich schlage vor, wir erledigen überhaupt unsere Korrespondenz
mündlich," sagte Kurt.
Sie wurde mündlich erledigt. Sogar ein Kuß war nachher dabei.
Obwohl in keinem der beiden Briefe davon etwas gestanden hatte.
„Ru machen Se bloß en Punkt, Lerr, ich
esse gern Kohl, aber ich hör ihn nicht gern!"
„Welcher von beiden kleidet mich am besten?"
Unberechtigte Forderung
„Der Zahn muß 'raus!" stellt der Zahnarzt Lästig fest. „Das
machen wir aber ganz schmerzlos."
„Ist nicht nötig!" erklärt Wusternack. „Das kostet ja etwas mehr,
nicht wahr?"
„Allerdings, aber die Differenz ist ja nicht so beträchtlich; statt
drei Mark berechne ich dann fünf. And ich muß Ihnen doch dazu
raten. Der Zahn ist nämlich bereits so schadhaft, daß wahrscheinlich
zunächst die Krone abbricht. Dann muß ich noch die Wurzel heraus-
holen, und das dürste Ihnen doch recht unangenehm sein."
Wusternack fügt sich. „Na, meinetwegen!"
Der Zahnarzt Lästig macht die Injektion, wartet ein Weilchen,
setzt die Zange an-und da hat er auch schon den Zahn samt
der Wurzel mit einem kunstvollen Ruck herausgeholt.
Wusternack, der nichts gespürt hat, spült ergiebig und klettert
dann aus dem Operatjonsstuhl heraus. And dann, um die Sache
gleich zu erledigen, legt er drei Mark hin.
„Verzeihung!" sagt der Zahnarzt Lästig. „Ich muß um fünf
Mark bitten."
Wusternack schüttelt energisch den um einen Zahn ärmer ge-
wordenen Kopf. „Aber Sie haben ja die Krone nicht abgebrochen!"
—on.
„Äaben Sie gehört? Der Sohn vom Weinhändler Koch kommt
als Redakteur ans Wochenblatt!"
„Aha, der übernimmt wohl die Abteilung ,Vermischtes"?"
Bewegung
„Warum trittst du fortwährend Pedal, Junge? Ist das in
diesem Stück vorgeschrieben?" — „Nein, ich habe so kalte Füße!"
Cornelius ist ein zurückhaltender Mensch; ohne sehr genaue
Prüfung wünscht er sich nicht mit andern Leuten einzulassen.
Cornelius wird im Foyer des Schauspielhauses von einem ihm
fremden Menschen angesprochen und mit Worten überschüttet. Der
fremde Mensch behandelt ihn wie einen guten Bekannten.
„Verzeihung!" sagt Cornelius steif. „Aber mit wem habe ich
unter Amständen vielleicht die Ehre?"
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heimliche Sehnsucht klang in seinen Worten
durch. Lilde erzählte von ihrem Beruf. Ge-
wiß, sie habe nicht zu klagen. Der Nachmittag
wurde schließlich noch ganz nett. Aber mehr
war es nicht. And als sie sich trennten, sagte
Kurt, leider könne er heute nichts verabreden,
er werde schreiben. Lilde war durchaus da-
mit einverstanden. Sie trennten sich, beide
gewiß, sich nicht wieder zu sehen.
Es vergingen acht Tage. Kurt überlegte
hin und her. Denn, seltsam, je mehr Abstand
er zu jenem Nachmittag bekam, um so freund-
licher wurde das Bild der Erinnerung. Aehn-
lich ging es Lilde. Am Ende der Woche
dachte sie: „Eigentlich wäre es doch ganz nett,
wenn er schreiben würde!" Aber es kam der
Sonntag, und Lilde ging mit Onkel und Tante
spazieren. Doch wenn sie einen jungen Lerrn
herankommen sah, mußte sie immer denken:
„Eigentlich wäre es ganz nett, wenn es zu-
fällig Kurt wäre!"
Kurt aber stand auf dem Sportplatz und
schaute einem Länderspiel zu. Doch mitten im
spannendsten Augenblick ertappte er sich, wie
er die Zuschauer musterte und dachte: „Eigent-
lich wäre es nett, wenn ich irgendwo Lilde
entdecken würde!" Aber das Schicksal tat
beiden diesen Gefallen nicht.
Wieder vergingen einige Tage. Nun zwei-
felte Lilde schon, ob eigentlich Kurt, oder sie
schreiben sollte? Es wurde Freitag. Lilde zerbrach sich an der Schreib-
maschine den Kopf darüber, was sie tun solle. Vorerst aber machte
sie ungewöhnlich viele Tippfehler.
Am Abend aber sah man nach Geschäftsschluß einen jungen
Lerrn zu einem Briefkasten eilen. Von der entgegengesetzten Seite
kam eine junge Dame. Sie kamen zur gleichen Zeit an. Beide hoben
die Kastenklappe, der Lerr rechts, die Dame links, beide schauten
einander an. Die Klappen fielen überrascht zu, ohne die Briefe ver-
schluckt zu haben.
„Fräulein Lilde?!" sagte der junge Mann.
„Ach, welche Aeberrasckung," erwiderte sie. „Sagen Sie mal,
haben wir nun ausgemacht. Sie sollen schreiben — oder ich?" Der
junge Mann zeigte lachend seinen Brief. „Da kann ich ja gleich ..."
„Natürlich — und auch mein Brief ist nun überflüffig geworden!"
rief Lilde.
„Ich schlage vor, wir erledigen überhaupt unsere Korrespondenz
mündlich," sagte Kurt.
Sie wurde mündlich erledigt. Sogar ein Kuß war nachher dabei.
Obwohl in keinem der beiden Briefe davon etwas gestanden hatte.
„Ru machen Se bloß en Punkt, Lerr, ich
esse gern Kohl, aber ich hör ihn nicht gern!"
„Welcher von beiden kleidet mich am besten?"
Unberechtigte Forderung
„Der Zahn muß 'raus!" stellt der Zahnarzt Lästig fest. „Das
machen wir aber ganz schmerzlos."
„Ist nicht nötig!" erklärt Wusternack. „Das kostet ja etwas mehr,
nicht wahr?"
„Allerdings, aber die Differenz ist ja nicht so beträchtlich; statt
drei Mark berechne ich dann fünf. And ich muß Ihnen doch dazu
raten. Der Zahn ist nämlich bereits so schadhaft, daß wahrscheinlich
zunächst die Krone abbricht. Dann muß ich noch die Wurzel heraus-
holen, und das dürste Ihnen doch recht unangenehm sein."
Wusternack fügt sich. „Na, meinetwegen!"
Der Zahnarzt Lästig macht die Injektion, wartet ein Weilchen,
setzt die Zange an-und da hat er auch schon den Zahn samt
der Wurzel mit einem kunstvollen Ruck herausgeholt.
Wusternack, der nichts gespürt hat, spült ergiebig und klettert
dann aus dem Operatjonsstuhl heraus. And dann, um die Sache
gleich zu erledigen, legt er drei Mark hin.
„Verzeihung!" sagt der Zahnarzt Lästig. „Ich muß um fünf
Mark bitten."
Wusternack schüttelt energisch den um einen Zahn ärmer ge-
wordenen Kopf. „Aber Sie haben ja die Krone nicht abgebrochen!"
—on.
„Äaben Sie gehört? Der Sohn vom Weinhändler Koch kommt
als Redakteur ans Wochenblatt!"
„Aha, der übernimmt wohl die Abteilung ,Vermischtes"?"
Bewegung
„Warum trittst du fortwährend Pedal, Junge? Ist das in
diesem Stück vorgeschrieben?" — „Nein, ich habe so kalte Füße!"
Cornelius ist ein zurückhaltender Mensch; ohne sehr genaue
Prüfung wünscht er sich nicht mit andern Leuten einzulassen.
Cornelius wird im Foyer des Schauspielhauses von einem ihm
fremden Menschen angesprochen und mit Worten überschüttet. Der
fremde Mensch behandelt ihn wie einen guten Bekannten.
„Verzeihung!" sagt Cornelius steif. „Aber mit wem habe ich
unter Amständen vielleicht die Ehre?"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Welcher von beiden kleidet mich am besten?" "Nu machen se bloß den Punkt..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1939
Entstehungsdatum (normiert)
1934 - 1944
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 190.1939, Nr. 4899, S. 391
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg