o
Ein Mann von Arteil
„daß ich ohne Einschränkung ein Bewunderer Shakespeares bin. So
wird es Ihnen wohl auch gehen."
„O ja 1" sagt Blaffer. „Natürlich bin ich ein Bewunderer Sha-
kespeares."
„Aber für ^Richard III/ kann ich nicht die Begeisterung aufbrin-
gen, die gerade diesem Schauspiel von manchen zuteil geworden ist.
Können Sie das?"
„O neinl" sagt Blaffer. „Dafür kann ich auch nicht solche Be-
geisterung aufbringen."
„Ich muß gestehen," fährt Schwenk fort, „daß es mir
zu schwer fällt, den Zusammenhang von Szene zu Szene
zu verfolgen. Ich fühle mich betäubt von all dem Tru-
bel wilder Metzeleien; ich sehe kein Schauspiel vor mir,
sondern ein höchst übles, mit Gemeinheit, Verrat und
Mord angesülltes Stück britischer Geschichte."
„Allerdings!" nickt Blaffer. „Es ist ein höchst übles
Stück britischer Geschichte."
„And nun nehmen Sie Richard selbst — ich meine
nicht den historischen, von dem ich wenig weiß, sondern
den auf der Bühne nach allem, was der Dichter ihn
selbst oder andere von ihm sagen läßt, darzustellenden
Menschen. Wie soll der Schauspieler dieser Aufgabe
gerecht werden?"
„Za, das ist die Frage! murmelt Blaffer. „Wie soll
der Schauspieler dieser Aufgabe gerecht werden?"
„Da kommt also zu Anfang dieser Richard an und
legt gleich los, daß er im Sinn habe, ein scheußlicher
Bösewicht zu werden. And warum? Womit begründet
er das? Weil er ein verwachsenes, hinkendes Scheusal
sei, eine Angestalt von Kerl-darum muß er betrü-
gen, schikanieren, morden? Rein, der Grund ist doch der,
daß er von Anfang an nach der Krone strebt."
„Freilich, er strebt nach der Krone," bestätigt
Blaffer.
„And wenn er das nun gleich zu Anfang sagen
würde, dann könnte doch der Darsteller wenigstens diesen
Ehrgeiz aus ihm Herausschimmern lassen und der Gestalt
immerhin etwas tragische Würde geben. Aber dieser
Richard läßt sich Beschimpfungen an den Kops werfen
wie Mißgeburt, wildes Schwein, Klumpen usw. And des-
halb muß er wohl auch, weil das der Dichter anscheinend
so gewollt hat, in so übler Gestalt, mit so ekelhafter Fratze
dargestellt werden. Aber ist es denn glaubhaft, daß es
diesem Wechselbalg so ohne weiteres glückt, die unglück-
liche, noch von wildem Lasse gegen ihn erfüllte Witwe
seines ermordeten Opfers zu erringen? Gewiß, geschicht-
lich steht es fest, daß sie seine Frau wurde, aber auf
der Bühne kann ich das, wenn ich nur solch ein
Schwenk, Blaffer und Krause sitzen zusammen im Kaffeehaus.
Krause hat eine Zeitschrift vor und löst ein Rätsel; vielleicht versucht
er auch nur, es zu lösen, jedenfalls ist er vertieft und hört nicht auf
die Unterhaltung zwischen Schwenk und Blaffer.
Schwenk ist gestern im Schauspielhause gewesen und hat,Richard »1/
gesehen. Er hat dann auf dem Leimwege und auch heute vormittag
über dieses Drama nachgedacht und muß sich jetzt auch vor Blaffer
darüber äußern. „Ich brauche wohl nicht zu versichern," beginnt er.
„Der junge Mann schreibt dir wohl gar Reimbriefe?"
„Versbriefe! Der Inhalt ist völlig ungereimt,"
Ein Mann von Arteil
„daß ich ohne Einschränkung ein Bewunderer Shakespeares bin. So
wird es Ihnen wohl auch gehen."
„O ja 1" sagt Blaffer. „Natürlich bin ich ein Bewunderer Sha-
kespeares."
„Aber für ^Richard III/ kann ich nicht die Begeisterung aufbrin-
gen, die gerade diesem Schauspiel von manchen zuteil geworden ist.
Können Sie das?"
„O neinl" sagt Blaffer. „Dafür kann ich auch nicht solche Be-
geisterung aufbringen."
„Ich muß gestehen," fährt Schwenk fort, „daß es mir
zu schwer fällt, den Zusammenhang von Szene zu Szene
zu verfolgen. Ich fühle mich betäubt von all dem Tru-
bel wilder Metzeleien; ich sehe kein Schauspiel vor mir,
sondern ein höchst übles, mit Gemeinheit, Verrat und
Mord angesülltes Stück britischer Geschichte."
„Allerdings!" nickt Blaffer. „Es ist ein höchst übles
Stück britischer Geschichte."
„And nun nehmen Sie Richard selbst — ich meine
nicht den historischen, von dem ich wenig weiß, sondern
den auf der Bühne nach allem, was der Dichter ihn
selbst oder andere von ihm sagen läßt, darzustellenden
Menschen. Wie soll der Schauspieler dieser Aufgabe
gerecht werden?"
„Za, das ist die Frage! murmelt Blaffer. „Wie soll
der Schauspieler dieser Aufgabe gerecht werden?"
„Da kommt also zu Anfang dieser Richard an und
legt gleich los, daß er im Sinn habe, ein scheußlicher
Bösewicht zu werden. And warum? Womit begründet
er das? Weil er ein verwachsenes, hinkendes Scheusal
sei, eine Angestalt von Kerl-darum muß er betrü-
gen, schikanieren, morden? Rein, der Grund ist doch der,
daß er von Anfang an nach der Krone strebt."
„Freilich, er strebt nach der Krone," bestätigt
Blaffer.
„And wenn er das nun gleich zu Anfang sagen
würde, dann könnte doch der Darsteller wenigstens diesen
Ehrgeiz aus ihm Herausschimmern lassen und der Gestalt
immerhin etwas tragische Würde geben. Aber dieser
Richard läßt sich Beschimpfungen an den Kops werfen
wie Mißgeburt, wildes Schwein, Klumpen usw. And des-
halb muß er wohl auch, weil das der Dichter anscheinend
so gewollt hat, in so übler Gestalt, mit so ekelhafter Fratze
dargestellt werden. Aber ist es denn glaubhaft, daß es
diesem Wechselbalg so ohne weiteres glückt, die unglück-
liche, noch von wildem Lasse gegen ihn erfüllte Witwe
seines ermordeten Opfers zu erringen? Gewiß, geschicht-
lich steht es fest, daß sie seine Frau wurde, aber auf
der Bühne kann ich das, wenn ich nur solch ein
Schwenk, Blaffer und Krause sitzen zusammen im Kaffeehaus.
Krause hat eine Zeitschrift vor und löst ein Rätsel; vielleicht versucht
er auch nur, es zu lösen, jedenfalls ist er vertieft und hört nicht auf
die Unterhaltung zwischen Schwenk und Blaffer.
Schwenk ist gestern im Schauspielhause gewesen und hat,Richard »1/
gesehen. Er hat dann auf dem Leimwege und auch heute vormittag
über dieses Drama nachgedacht und muß sich jetzt auch vor Blaffer
darüber äußern. „Ich brauche wohl nicht zu versichern," beginnt er.
„Der junge Mann schreibt dir wohl gar Reimbriefe?"
„Versbriefe! Der Inhalt ist völlig ungereimt,"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der junge Mann schreibt dir wohl gar Reimbriefe?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1940
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1950
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 192.1940, Nr. 4928, S. 14
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg