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Der Traum vom Gaskassier

Von Ralph Urban

Wir sprachen von Träumen. Von Träumen, die sich erfüllten,
von Angstträumen und von solchen, die in das dunkle Reich des
Jenseits hinüberspielen. Einer nach dem andern gab ein merkwürdiges
Traumerlebnis zum besten.

„Was Sie da erzählten," ergriff schließlich Lerr Keller das Wort,
„ist ja recht interessant gewesen. Aber ich glaube, behaupten zu
können, den tollsten aller Träume doch selbst geträumt zu haben."

„Donnerwetter," meinte einer, „dann nur los."

„Es war der Traum vom Gaskasster," meinte Keller seufzend
und begann: „Schuld daran hatte wieder einmal der Alkohol. Jawohl.
Es fing damit an, daß ich damals meinen Geburtstag in aller Stille
begehen wollte, weil in meiner Kaffe starke Ebbe herrschte. Aller-
dings machte mir das in solchen
Fällen geradezu bewunderungs-
würdige Erinnerungsvermögen
meiner Kollegen einen Strich
durch die Rechnung. Als näm-
lich am Vorabend meines hohen
Festes unsere Partie bis um
Mitternacht Dienst hatte, schlän-
gelte sich einer meiner Kollegen
nach dem andern an mich heran,
bedachte mich mit Segenswün-
schen und gab der angenehmen
Erwartung Ausdruck, nachher
zur Begießung der Angelegen-
heit auf einen guten Tropfen
eingeladen zu werden. Da blieb
mir nichts anderes übrig, als
die ganze Gesellschaft einzuladen.

Die Aeberprüfung meiner Geld-
tasche ergab ein flüsstges Bar-
vermögen von zwölf Mark zwan-
zig. Damit sollte ich den restlichen
Monat auskommen. Außerdem
befanden sich in einem Seitenfach
fünfzehn Mark für die fällige
Gasrechnung. Ich wollte nämlich
demnächst heiraten und bewohnte
seit dem Vormonat unsere künf-
tige gemeinschaftliche Wohnung
bis zur Lochzeit allein. Jawohl,
und da batte ich einmal ver-
gessen, in der Küche das Gas
abzudrehen. Es brannte dort in
Ruhe fünf Tage lang, dann kam
meine Verlobte Nachsehen und
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brachte das ewige Licht zum Erlöschen. Immerhin war das Ergebnis
die gepfefferte Gasrechnung. Also, ich zog damals nach dem Dienst-
schluß mit meinen Kollegen los, bekam es infolge des ungewohnten
Alkoholgenusses mit dem Leichtsinn, und als ich gegen vier Ahr
morgens auf allen Vieren meine Wohnung betrat, hatte ich auch
das Geld für die Gasrechnung verjubelt. Auf dem Weg durch die Woh-
nung zog ich mich aus und gelangte glücklich ins Bett. Mein letzter
Gedanke war, daß ich am nächsten Tag schlafen konnte, denn mein
Dienst begann erst mittags. Dann schlief ich ein. Schlaf ist vielleicht
nicht der richtige Ausdruck, der Alkohol rächte sich, und ich ver-
brachte die ersten Stunden in einem Delirium wüster Träume. Erst
später klärten sie sich etwas und nahmen bestimmte Gestalt an, um

schließlich in Lartnäckigkeit aus-
zuarten. Es fing damit an, daß
es entsetzlich lang klingelte. Ich
träumte, daß ich aufstand, mit
schmerzendem Kopf zur Tür
wankte und aufschloß. Dann fuhr
ich zusammen, denn draußen
stand der Gaskassier.

„Entschuldigen," stammelte
ich — im Traum natürlich —
„ich habe kein Geld."

„Laha —" lachte der Mann
höhnisch, „das könnte jeder sagen.
Fünfzehn Mark und zwölf
Pfennige."

„Die zwölf Pfennige könnte
ich Ihnen vielleicht einstweilen
geben," meinte ich.

„Lerr," sagte der darauf,
„mit mir macht man solcheScherze
nicht!" And stach mir seinen lan-
gen Bleistift tief ins Gekröse.
Ich schrie fürchterlich. Der Gas-
kassier zog den Bleistift aus
meinem Eingeweide und rannte
ihn mir diesmal in die Rippen.
In meiner Pein holte ich aus
und schlug ihm die Faust ins
Kinn. Puff — machte es, der
Gaskassier war zerplatzt wie ein
Kinderballon; das einzige, was
zurückblieb, war ein leichter Gas-
geruch. Ich mußte herzlichst
lachen, wankte ins Bett zurück
und schlief weiter. Bald darauf

„Ich habe so viele Sachen, die sich ändern lassen, daß ich meine
Kleiderkarte gar nicht brauchen würde."

„Ach, dann könntest du mir ein paar Punkte abgeben."

„Ich brauche sie aber doch, sonst sagt mein Mann, ich hätte
früher wohl zu viel angeschafft."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Ich habe so viele Sachen, die sich ändern lassen, daß ich meine Kleiderkarte gar nicht brauche."
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Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Niemeyer-Moxter, E.
Entstehungsdatum
um 1940
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1950
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Weltkrieg <1939-1945>
Freundin <Motiv>
Gespräch <Motiv>
Frauenkleidung
Schneidern
Toilette <Körperpflege, Motiv>
Frisiertoilette

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 192.1940, Nr. 4947, S. 242

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Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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