Dunkles Mädchen — Blonder Lerr
Der Ahrzeiger wanderte weiter. Mädchen kamen, Lerren kame^,
Paare gingen.
Kein guter Platz für eine Zusammenkunft, dachte Oskar, die ganze
Stadt scheint sich hier Stelldichein zu geben. And schwarze Mädchen
gibt es überhaupt nicht, nur blonde!
Der Ahrzeiger wanderte weiter. Mädchen kamen, Lerren kamen,
Paare gingen. Oskar kam sich lächerlich vor; ähnlich erging es an-
scheinend auch einem Mädchen, das seit zehn Minuten vor der Oper
wartete. Sie hatte reizende, blonde Laare und. sah suchend um sich.
Oskar lächelte, so oft er an ihr vorbeikam. Beim fünften Mal lächelte
sie zurück.
Als es sieben Ahr geworden war, stampfte das Mädchen zdrnig
mit dem Fuße und wandte sich zum Gehen. Da wurde Oskar mutig;
vielleicht war auch der Aerger über das Ausbleiben des dunklen
Mädchens schuld daran. Kurz, er wagte, was er noch nie im Leben
gewagt hatte: er trat auf das Mädchen zu und sagte:
„Warten Sie auch umsonst, Fräulein?"
Sie lachte. „Sie vielleicht auch?"
Er nickte. „Könnten wir uns beim Warten nicht Gesellschaft leisten?
Vielleicht kommt der Lerr gar nicht, den Sie erwarten; vielleicht
kommt die Dame nicht, welche ich —"
Das blonde Mädchen unterbrach ihn. „Die beiden brauchen gar
nicht mehr zu kommen! Ich warte nicht mehr!"
Oskar: „Ich auch nicht! Darf ich Sie also begleiten? Wollen wir
nicht einen Spaziergang machen oder ein Kino aufsuchen oder —"
„Gut, gut!" sagte sie.
Es wurde ein netter Abend, dessen Verlaus mit größter Wahr-
scheinlichkeit versprach, daß ihm noch viele schöne Abende folgen würden.
So hatte ein Zeitungsinserat, das scheinbar vergeblich erschienen
war, doch die zwei Menschen zusammengesührt, die zusammenkommen
wollten. Ein dunkles Mädchen, das eigentlich blond war, und einen
blonden Lerrn, der eigentlich schwarz war.
Daß die beiden aber die Bücher, die in blaurot gestreiften Ein-
bänden staken, vorsichtig voreinander verbargen, braucht nicht erst
gesagt zu werden.
And von einem Inserat wurde zwischen den beiden überhaupt
nicht gesprochen. Auch wir wollen es den beiden, wenn wir ihnen
zufällig begegnen sollten, nicht verraten; das würde ihnen ja eine
große Illusion rauben, nicht wahr?
Am Periskop
Der Oberste Kriegsrat der Westmächte hat am 23. April in
Paris getagt, am 27. April schon wieder in London.
So ratlos ist man drüben!
In England werden die deutschen Anilinfarben knapp.
Kein Wunder! Man braucht dort viel zum Färben der amt-
lichen Berichte!
Ein Blatt der englischen Labourpartei sagt, in diesem Kriege
müßten auch die Vermögenden ihre Pflicht tun.
Das Blatt ist schlecht informiert. Die Vermögenden haben in
England keine Pflichten!
Eine englische Zeitung schreibt, ein Land, das an Deutschland
irgend etwas liefere, könne nicht als neutral betrachtet werden.
Warum liefert dann England selbst so viel Stoff für deutsche
Witzblätter?
Englische Kriegerfrauen beschwerten sich wütend darüber, daß
ihnen rücksichtslos das Gas abgesperrt würde, wenn sie es nicht
pünktlich bezahlen könnten.
Das plutokratische Ministerium antwortete, die Beschwerde sei
unbegründet. Es zeige sich ja, daß die Frauen auch so — kochten.
Für England gefallen
Kleine Sorgen
Die Mutter wunderte sich: „Aber, Mümmchen, warum willst du
nicht mit zu Dörfflers gehen?"
Mümmchen seufzte: „Meine Puppe hat nichts anzuziehen."
Kinkerlitzchen
Ein amerikanischer Korrespondent wurde in Frankreich in einem
Orte an der Maginotlinie verhaftet, weil sein Wirt angezeigt hatte,
daß er einen Kurzwellensender betreibe. Es handelte sich aber nur
um das Geräusch eines elektrischen Rasierapparats.
Trotzdem bleibt der Mann für ängstliche Franzosen verdächtig.
Er könnte ja die Befestigungen der Maginotlinie rasieren wollen.
*
Ein Londoner Gericht hat eine Rednerin, die in einer Volks-
versammlung Chamberlain einen „verfluchten Kriegshetzer, der auf
Befehl seiner jüdischen Lerren den Krieg erklärt habe," und Churchill
einen „verdammten Mörder" genannt hatte, zu fünf Pfund Geld-
strafe verurteilt.
Auf die Beleidigung Chamberlains und auf jene Churchills kom-
men also nur je etwa 30 Mark. Das ist sehr wenig. Sollte der Artikel
so billig sein, weil auch sonst ein großes Angebot vorliegt?
Das britische Gesundheitsministerium hatte an alle Eltern von
Kindern, die für eine Evakuierung in Frage kommen, einen Frage-
bogen geschickt. Darauf haben 8 v. L. der Eltern zustimmend und
IS v. L. ablehnend geantwortet; 73 v. L. aber haben sich überhaupt
nicht um den Fragebogen gekümmert.
Die weitaus größere Mehrzahl scheint zu denken: „Jetzt kommt
die Regierung mit Fragen an. Eie hätte uns erst einmal fragen
sollen, ob wir ihren blödsinnigen Krieg wollten."
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Der Ahrzeiger wanderte weiter. Mädchen kamen, Lerren kame^,
Paare gingen.
Kein guter Platz für eine Zusammenkunft, dachte Oskar, die ganze
Stadt scheint sich hier Stelldichein zu geben. And schwarze Mädchen
gibt es überhaupt nicht, nur blonde!
Der Ahrzeiger wanderte weiter. Mädchen kamen, Lerren kamen,
Paare gingen. Oskar kam sich lächerlich vor; ähnlich erging es an-
scheinend auch einem Mädchen, das seit zehn Minuten vor der Oper
wartete. Sie hatte reizende, blonde Laare und. sah suchend um sich.
Oskar lächelte, so oft er an ihr vorbeikam. Beim fünften Mal lächelte
sie zurück.
Als es sieben Ahr geworden war, stampfte das Mädchen zdrnig
mit dem Fuße und wandte sich zum Gehen. Da wurde Oskar mutig;
vielleicht war auch der Aerger über das Ausbleiben des dunklen
Mädchens schuld daran. Kurz, er wagte, was er noch nie im Leben
gewagt hatte: er trat auf das Mädchen zu und sagte:
„Warten Sie auch umsonst, Fräulein?"
Sie lachte. „Sie vielleicht auch?"
Er nickte. „Könnten wir uns beim Warten nicht Gesellschaft leisten?
Vielleicht kommt der Lerr gar nicht, den Sie erwarten; vielleicht
kommt die Dame nicht, welche ich —"
Das blonde Mädchen unterbrach ihn. „Die beiden brauchen gar
nicht mehr zu kommen! Ich warte nicht mehr!"
Oskar: „Ich auch nicht! Darf ich Sie also begleiten? Wollen wir
nicht einen Spaziergang machen oder ein Kino aufsuchen oder —"
„Gut, gut!" sagte sie.
Es wurde ein netter Abend, dessen Verlaus mit größter Wahr-
scheinlichkeit versprach, daß ihm noch viele schöne Abende folgen würden.
So hatte ein Zeitungsinserat, das scheinbar vergeblich erschienen
war, doch die zwei Menschen zusammengesührt, die zusammenkommen
wollten. Ein dunkles Mädchen, das eigentlich blond war, und einen
blonden Lerrn, der eigentlich schwarz war.
Daß die beiden aber die Bücher, die in blaurot gestreiften Ein-
bänden staken, vorsichtig voreinander verbargen, braucht nicht erst
gesagt zu werden.
And von einem Inserat wurde zwischen den beiden überhaupt
nicht gesprochen. Auch wir wollen es den beiden, wenn wir ihnen
zufällig begegnen sollten, nicht verraten; das würde ihnen ja eine
große Illusion rauben, nicht wahr?
Am Periskop
Der Oberste Kriegsrat der Westmächte hat am 23. April in
Paris getagt, am 27. April schon wieder in London.
So ratlos ist man drüben!
In England werden die deutschen Anilinfarben knapp.
Kein Wunder! Man braucht dort viel zum Färben der amt-
lichen Berichte!
Ein Blatt der englischen Labourpartei sagt, in diesem Kriege
müßten auch die Vermögenden ihre Pflicht tun.
Das Blatt ist schlecht informiert. Die Vermögenden haben in
England keine Pflichten!
Eine englische Zeitung schreibt, ein Land, das an Deutschland
irgend etwas liefere, könne nicht als neutral betrachtet werden.
Warum liefert dann England selbst so viel Stoff für deutsche
Witzblätter?
Englische Kriegerfrauen beschwerten sich wütend darüber, daß
ihnen rücksichtslos das Gas abgesperrt würde, wenn sie es nicht
pünktlich bezahlen könnten.
Das plutokratische Ministerium antwortete, die Beschwerde sei
unbegründet. Es zeige sich ja, daß die Frauen auch so — kochten.
Für England gefallen
Kleine Sorgen
Die Mutter wunderte sich: „Aber, Mümmchen, warum willst du
nicht mit zu Dörfflers gehen?"
Mümmchen seufzte: „Meine Puppe hat nichts anzuziehen."
Kinkerlitzchen
Ein amerikanischer Korrespondent wurde in Frankreich in einem
Orte an der Maginotlinie verhaftet, weil sein Wirt angezeigt hatte,
daß er einen Kurzwellensender betreibe. Es handelte sich aber nur
um das Geräusch eines elektrischen Rasierapparats.
Trotzdem bleibt der Mann für ängstliche Franzosen verdächtig.
Er könnte ja die Befestigungen der Maginotlinie rasieren wollen.
*
Ein Londoner Gericht hat eine Rednerin, die in einer Volks-
versammlung Chamberlain einen „verfluchten Kriegshetzer, der auf
Befehl seiner jüdischen Lerren den Krieg erklärt habe," und Churchill
einen „verdammten Mörder" genannt hatte, zu fünf Pfund Geld-
strafe verurteilt.
Auf die Beleidigung Chamberlains und auf jene Churchills kom-
men also nur je etwa 30 Mark. Das ist sehr wenig. Sollte der Artikel
so billig sein, weil auch sonst ein großes Angebot vorliegt?
Das britische Gesundheitsministerium hatte an alle Eltern von
Kindern, die für eine Evakuierung in Frage kommen, einen Frage-
bogen geschickt. Darauf haben 8 v. L. der Eltern zustimmend und
IS v. L. ablehnend geantwortet; 73 v. L. aber haben sich überhaupt
nicht um den Fragebogen gekümmert.
Die weitaus größere Mehrzahl scheint zu denken: „Jetzt kommt
die Regierung mit Fragen an. Eie hätte uns erst einmal fragen
sollen, ob wir ihren blödsinnigen Krieg wollten."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Für England gefallen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1940
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1950
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 192.1940, Nr. 4948, S. 257
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg