Abenölieö
Wie zärtlich singt der leise Wind
sein Abendlied durch Busch und Baum.
Die Gärten und die Wiesen sind
bezaubert schon von einem Traum.
Der Erde ist das Angesicht
mit einem Schleier sanft verhüllt.
Der Sterne silberklares Licht
hat schon den Himmel tief erfüllt.
Und leiser fließt der Strom der Zeit
-er dunklen Wolkenferne 51t.
Dein Herz ist in der Einsamkeit
gesegnet von dem Glück der Ruh.
Franz Ltngta
Zuschauer
Von Ralph Urban
Die Menschen sind bekanntlich schaulustig, sie bleiben stehen und
vergessen die Amwelt, wenn es irgendwo etwas zu sehen gibt. Dem
Mann, der am Baugerüst turnt, schenkt man gewöhnlich nur flüchtig
mit eingezogenem Genick und offenem Mund seine Aufmersamkeit und
geht hierauf zufrieden weiter. Ebenso bewilligt man dem Mann mit
dem Preßlufthammer höchstens eine Minute. Geraten aber zwei
Radfahrer aneinander, so
pflegt man auch dann den
Gang der Ereignisse in Ruhe
abzuwarten, wenn man erst
kurz vorher mit Alltagshast
und wehenden Schnürsenkeln
dem Autobus nachgejagt ist.
Besonderen Anlaß bieten na-
türlich Dinge, die verhüllt sind.
So erweckt stets der von
Brettern umgebene Bauplatz
hohes Interesse. Man tritt an
die Amplankung heran, schiebt
sich den Lut ins Genick, legt
ein Auge an den Spalt und
blinzelt. Man sieht nicht viel,
aber man ist zufrieden, setzt sich
den Lut wieder gerade und
macht dem Nächsten Platz.
Außer diesen beliebten und
zufälligen Gratisvorstellungen
gibt es auch andere, für die
man gerne bezahlt. Daher geht
man für wenig Geld ins Kino,
dort steht man was, erlebt man
was und vergißt außerdem für
zwei Stunden seine Sorgen.
Manche Leute allerdings gehen
anscheinend nur deshalb ins
Kino, um ihre Mitmenschen zu
ärgern. Ihr verspätetes Er-
scheinen pflegen sie dadurch
anzukündigen, daß vorerst ihr
Lut im Lichtkegel des Projek-
266
tionsapparats als scharfes Schattenbild in die Landlung auf der
Leinwand eingreift. And da sie gewöhnlich einen Mittelsitz wollen, jagen
sie ein Dutzend Besucher wie Stehaufmännchen von ihren Plätzen,
treten ihnen dabei dankbar auf die Lühneraugen und strafen das
Zischen im Lintergrund mit eisiger Verachtung. Meist ist es auch so,
daß gerade die Riesen vorne sitzen. Die unglückliche Reihe dahinter
richtet es sich so ein, daß ab-
wechselnd ein Lintermann über
die rechte, der nächste über die
linke Schulter schaut. Ist der
großeMann dazu noch unruhig,
und neigt er sich bald auf die
eine und bald auf die andere
Seite, dann ist es erschütternd
anzusehen, wie die ganze Reihe
jeder seiner Bewegungen folgt.
Nur ihrem mächtigen Körper
verdanken oft diese Leute, daß
sie noch nicht von ihren Linter-
männern zerrissen worden sind.
Geradezu empörend wirkt es
daher, wenn solch ein von
seiner Kino-Nachwelt gehaßter
Mann nach der Vorstellung
aufsteht, plötzlich klein wird und
als Sitzriese auf seinen kurzen
Beinen hinausgeht.
Wenn jemand krank ist,
dann braucht er gute Kost und
kriegt auck die feinsten Lecker-
bissen. And wenn jemand stark
erkältet ist, so kann man nicht
von ihm verlangen, daß er ins
Kino gehe. In diesem Fall be-
gibt er sich ins Theater. Dort
hustet er, krächzt und niest, daß
es nur so sprüht. Da nicht nur
Gähnen ansteckend wirkt, son-
dern auch Lüsten, bildet sich
bald ein Chor getreuer Jünger,
Erpressung „Geht doch zu hart, das Trockenrasieren, was? Männe,
ich glaub doch, du entschließt dich, mir einen neuen Lut zu kaufen —
dann sag ich dir auch, wo ich deine Seifenkarte versteckt Habel"
Wie zärtlich singt der leise Wind
sein Abendlied durch Busch und Baum.
Die Gärten und die Wiesen sind
bezaubert schon von einem Traum.
Der Erde ist das Angesicht
mit einem Schleier sanft verhüllt.
Der Sterne silberklares Licht
hat schon den Himmel tief erfüllt.
Und leiser fließt der Strom der Zeit
-er dunklen Wolkenferne 51t.
Dein Herz ist in der Einsamkeit
gesegnet von dem Glück der Ruh.
Franz Ltngta
Zuschauer
Von Ralph Urban
Die Menschen sind bekanntlich schaulustig, sie bleiben stehen und
vergessen die Amwelt, wenn es irgendwo etwas zu sehen gibt. Dem
Mann, der am Baugerüst turnt, schenkt man gewöhnlich nur flüchtig
mit eingezogenem Genick und offenem Mund seine Aufmersamkeit und
geht hierauf zufrieden weiter. Ebenso bewilligt man dem Mann mit
dem Preßlufthammer höchstens eine Minute. Geraten aber zwei
Radfahrer aneinander, so
pflegt man auch dann den
Gang der Ereignisse in Ruhe
abzuwarten, wenn man erst
kurz vorher mit Alltagshast
und wehenden Schnürsenkeln
dem Autobus nachgejagt ist.
Besonderen Anlaß bieten na-
türlich Dinge, die verhüllt sind.
So erweckt stets der von
Brettern umgebene Bauplatz
hohes Interesse. Man tritt an
die Amplankung heran, schiebt
sich den Lut ins Genick, legt
ein Auge an den Spalt und
blinzelt. Man sieht nicht viel,
aber man ist zufrieden, setzt sich
den Lut wieder gerade und
macht dem Nächsten Platz.
Außer diesen beliebten und
zufälligen Gratisvorstellungen
gibt es auch andere, für die
man gerne bezahlt. Daher geht
man für wenig Geld ins Kino,
dort steht man was, erlebt man
was und vergißt außerdem für
zwei Stunden seine Sorgen.
Manche Leute allerdings gehen
anscheinend nur deshalb ins
Kino, um ihre Mitmenschen zu
ärgern. Ihr verspätetes Er-
scheinen pflegen sie dadurch
anzukündigen, daß vorerst ihr
Lut im Lichtkegel des Projek-
266
tionsapparats als scharfes Schattenbild in die Landlung auf der
Leinwand eingreift. And da sie gewöhnlich einen Mittelsitz wollen, jagen
sie ein Dutzend Besucher wie Stehaufmännchen von ihren Plätzen,
treten ihnen dabei dankbar auf die Lühneraugen und strafen das
Zischen im Lintergrund mit eisiger Verachtung. Meist ist es auch so,
daß gerade die Riesen vorne sitzen. Die unglückliche Reihe dahinter
richtet es sich so ein, daß ab-
wechselnd ein Lintermann über
die rechte, der nächste über die
linke Schulter schaut. Ist der
großeMann dazu noch unruhig,
und neigt er sich bald auf die
eine und bald auf die andere
Seite, dann ist es erschütternd
anzusehen, wie die ganze Reihe
jeder seiner Bewegungen folgt.
Nur ihrem mächtigen Körper
verdanken oft diese Leute, daß
sie noch nicht von ihren Linter-
männern zerrissen worden sind.
Geradezu empörend wirkt es
daher, wenn solch ein von
seiner Kino-Nachwelt gehaßter
Mann nach der Vorstellung
aufsteht, plötzlich klein wird und
als Sitzriese auf seinen kurzen
Beinen hinausgeht.
Wenn jemand krank ist,
dann braucht er gute Kost und
kriegt auck die feinsten Lecker-
bissen. And wenn jemand stark
erkältet ist, so kann man nicht
von ihm verlangen, daß er ins
Kino gehe. In diesem Fall be-
gibt er sich ins Theater. Dort
hustet er, krächzt und niest, daß
es nur so sprüht. Da nicht nur
Gähnen ansteckend wirkt, son-
dern auch Lüsten, bildet sich
bald ein Chor getreuer Jünger,
Erpressung „Geht doch zu hart, das Trockenrasieren, was? Männe,
ich glaub doch, du entschließt dich, mir einen neuen Lut zu kaufen —
dann sag ich dir auch, wo ich deine Seifenkarte versteckt Habel"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Erspressung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1940
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1950
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 192.1940, Nr. 4949, S. 266
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg