Im Lazarett für Völker mit englischer Krankheit
f
Bei dem hier sind wir grade noch zur rechten Zeit gekommen!
Erinnerung an ein früheres Leben
„Aber ja, aber ja!" jauchzt Zünder. „Gleich sind wir so weit.
Kommen Sie schnell!-Sehen Sie: da ist der See und da der
Birkenwald! Laben Sie etwa in Ihrem jetzigen Leben schon ein-
mal solch einen Birkenwald gesehen?"
„Nein!" gibt Steinbrück zu. „Ich bin ja vorher noch nie so weit
ostwärts gekommen." Aber er will jetzt keine weiteren Erinnerungen
auftauchen lasten; er schaut nicht nach rechts und nicht »ach links,
er sieht auf den Weg hinunter, als gebe es da etwas Wertvolles
zu finde».
So kommt man in das Dorf, in dem ein für Ausflüge beliebtes
Wirtshaus das Ziel ist. Paul Steinbrück blickt auf und erschrickt.
„Limmel — ich habe es schon erwartet! Da ist ja die altmodische
Glasveranda! Erna, kennst du sie?"
„Ja, Paulchen! Lier habe ich gestanden und nach der Veranda
gesehen. Da waren Tische gedeckt, und daran saßen eine Menge Leute,
alle festlich angezogen. And da hinten in der Tür stand eine ganz
dicke Frau. So dick war sie, daß sie kaum durch die Tür ging."
Zünder ist begeistert; er kennt diese Frau. „Das ist ja hier die
Wirtin. Passen Sie auf!" Er ruft: „Frau Spirgatis! Lallo, Frau
Spirgatis — Gäste sind da!" Im Lause rührt sich was, und dann
erscheint eine dicke Frau; fast füllt sie den Türrahmen aus.
„Am Gottes willen, das ist sie!" Paul Steinbrück schüttelt sich-
„Das ist ja gräßlich!"
Die junge Frau klammert sich an den Gatten. „Ja, das ist sie!
Gerade so stand sie auch damals in der Tür. Paulchen, mir graust!"
Zünder aber erklärt sachlich: „Die Frau ist jetzt 60 Jahre alt.
Vor 30 Jahren ist sie wahrscheinlich auch schon so dick gewesen."
Man nimmt Platz, und die dicke Frau kommt, nach den Wünschen
der Gäste zu fragen. Da rappelt sich Paul Steinbrück aus. „Bitte,
sagen Sie mir doch: wie lange steht hier diese Veranda?"
„Ach, die ist noch nicht so alt; die haben wir vor 5 Jahren
gebaut."
„Erst vor 5 Jahren!" Paul Steinbrück atmet auf. Der Kollege
Zünder ist betroffen. Richtig, das hat er ja gewußt; er hat nur nicht
daran gedacht. Aber das stimmt dann ja nicht zu dem festgestellten
Zeitraum von 30 Jahren.
„Erst war die Veranda eigentlich viel feiner," erzählt die Wirtin
weiter. „Aber vor zwei Jahren haben wir sie — na, es ist uns ja
gut bezahlt worden! — so altmodisch Herrichten lassen müssen. Da-
mals, als hier der Film gemacht wurde."
„Was, hier wurde ein Film gedreht?" schreit Paul Steinbrück.
„Ja, ein feiner Film. ,Die Erbtochter' hieß er. And hier war
das Lochzeitsessen, als die Erbtochter — nachher ging es schlimm
mit dem Mann — geheiratet hat. Da Hab' ich mich in die Tür ge-
stellt, damit ich doch auch auf den Film kam. And vorher wurde
die Braut eingeholt. Da ist der ganze Lochzeitszug vom Bahnhof
hierher gefahren, und hinterher kam das Auto mit dem Apparat,
der die ganze Fahrt ausgenommen hat. Ja, das war fein!"
Paul Steinbrück ist sehr vergnügt. „Ra, nun wollen wir mal
was Gutes essen. And eine anständige Flasche Wein trinken wir
281
f
Bei dem hier sind wir grade noch zur rechten Zeit gekommen!
Erinnerung an ein früheres Leben
„Aber ja, aber ja!" jauchzt Zünder. „Gleich sind wir so weit.
Kommen Sie schnell!-Sehen Sie: da ist der See und da der
Birkenwald! Laben Sie etwa in Ihrem jetzigen Leben schon ein-
mal solch einen Birkenwald gesehen?"
„Nein!" gibt Steinbrück zu. „Ich bin ja vorher noch nie so weit
ostwärts gekommen." Aber er will jetzt keine weiteren Erinnerungen
auftauchen lasten; er schaut nicht nach rechts und nicht »ach links,
er sieht auf den Weg hinunter, als gebe es da etwas Wertvolles
zu finde».
So kommt man in das Dorf, in dem ein für Ausflüge beliebtes
Wirtshaus das Ziel ist. Paul Steinbrück blickt auf und erschrickt.
„Limmel — ich habe es schon erwartet! Da ist ja die altmodische
Glasveranda! Erna, kennst du sie?"
„Ja, Paulchen! Lier habe ich gestanden und nach der Veranda
gesehen. Da waren Tische gedeckt, und daran saßen eine Menge Leute,
alle festlich angezogen. And da hinten in der Tür stand eine ganz
dicke Frau. So dick war sie, daß sie kaum durch die Tür ging."
Zünder ist begeistert; er kennt diese Frau. „Das ist ja hier die
Wirtin. Passen Sie auf!" Er ruft: „Frau Spirgatis! Lallo, Frau
Spirgatis — Gäste sind da!" Im Lause rührt sich was, und dann
erscheint eine dicke Frau; fast füllt sie den Türrahmen aus.
„Am Gottes willen, das ist sie!" Paul Steinbrück schüttelt sich-
„Das ist ja gräßlich!"
Die junge Frau klammert sich an den Gatten. „Ja, das ist sie!
Gerade so stand sie auch damals in der Tür. Paulchen, mir graust!"
Zünder aber erklärt sachlich: „Die Frau ist jetzt 60 Jahre alt.
Vor 30 Jahren ist sie wahrscheinlich auch schon so dick gewesen."
Man nimmt Platz, und die dicke Frau kommt, nach den Wünschen
der Gäste zu fragen. Da rappelt sich Paul Steinbrück aus. „Bitte,
sagen Sie mir doch: wie lange steht hier diese Veranda?"
„Ach, die ist noch nicht so alt; die haben wir vor 5 Jahren
gebaut."
„Erst vor 5 Jahren!" Paul Steinbrück atmet auf. Der Kollege
Zünder ist betroffen. Richtig, das hat er ja gewußt; er hat nur nicht
daran gedacht. Aber das stimmt dann ja nicht zu dem festgestellten
Zeitraum von 30 Jahren.
„Erst war die Veranda eigentlich viel feiner," erzählt die Wirtin
weiter. „Aber vor zwei Jahren haben wir sie — na, es ist uns ja
gut bezahlt worden! — so altmodisch Herrichten lassen müssen. Da-
mals, als hier der Film gemacht wurde."
„Was, hier wurde ein Film gedreht?" schreit Paul Steinbrück.
„Ja, ein feiner Film. ,Die Erbtochter' hieß er. And hier war
das Lochzeitsessen, als die Erbtochter — nachher ging es schlimm
mit dem Mann — geheiratet hat. Da Hab' ich mich in die Tür ge-
stellt, damit ich doch auch auf den Film kam. And vorher wurde
die Braut eingeholt. Da ist der ganze Lochzeitszug vom Bahnhof
hierher gefahren, und hinterher kam das Auto mit dem Apparat,
der die ganze Fahrt ausgenommen hat. Ja, das war fein!"
Paul Steinbrück ist sehr vergnügt. „Ra, nun wollen wir mal
was Gutes essen. And eine anständige Flasche Wein trinken wir
281
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Im Lazarett für Völker mit englischer Krankheit"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1940
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1950
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 192.1940, Nr. 4950, S. 281
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg