Unbegreiflich
Frau Wrubel hält die alte Frau Stolle an.
„Sie werden sich wundern! Ich muß Ihnen
erzählen, was die Klöhnke gestern über Sie
gesagt hat."
Die alte Frau Stolle ist Patientin. Aengst-
lich wehrt sie ab. „Ach nee, das lassen Sie man!
Ich darf mich nicht aufregen."
„Ra, regt Sie denn die Neugier nicht noch
mehr auf?"
Ein Optimist
Mücke ist 40 Jahre alt geworden.
„Denken Sie eigentlich nicht ans Leiraten?"
wird er gefragt.
„O doch! Ich fühle mich sogar gebunden;
ich habe nämlich einem Mädchen einen Leirats-
antrag gemacht, und sie hat gesagt, sie würde
sich das überlegen und mir dann schreiben.
And bis jetzt hat sie noch nicht geschrieben."
„Ja, wann war denn das?"
„Vor zehn Jahren."
Die Frage
Lackebusch begegnet einem Bekannten mit
wallender Dichtermähne. — „Ja, waS treiben
Eie denn immer?" begrüßt er ihn.
„Nicht viel," erwidert dieser, „ich schreibe
ab und zu!"
„Was??" staunt Lackebusch, „zu auch??"
„Aber Mama! Was hast du da für eine entsetzliche Platte?!"
„Ich höre sie ganz gern. Als du noch ein Säugling warst, haben
wir dein Geschrei auf die Platte gebannt."
Der Kiesel
es war ein hübscher kleiner, glatter Kiesel. And solch einen Kiesel
brauche ich als Richard III."
Direktor Puppel atmet auf: Emanuel Stolz hat nicht „den Kiesel"
gesagt, sondern „solch einen Kiesel", und das muß sich machen lassen.
„Der Kerl ist verrückt, aber Verrückten muß man nachgeben, wenn
es nicht zu gefährlich ist," denkt er, stürzt davon und kriegt den
Bühnenarbeiter Schnase zu packen. „Mann, besorgen Sie sofort
einen Kiesel. Er darf nicht zu groß sein und nicht zu winzig, er darf
nicht scharfkantig sein, er soll-oder nein: hier am Theater werden
Sie ja überhaupt keinen Kiesel finden. Da sind 5 Mark! Nehmen Sie
ein Auto und rasen Sie nach dem Stadtpark! Da sind ja die Wege
mit Kieseln bestreut. Bringen Sie Kiesel zur Auswahl mit, hundert
Kiesel, tausend Kiesel, einen Sack voll Kiesel!" — —
Schnase bleibt gar nicht einmal so lange fort, aber Direktor Puppel
redet doch von einer Schnecke, einer Schildkröte und einem Faultier,
und das ist zu verstehen, denn das Laus ist gefüllt, und die Leute
werden ungeduldig. Da kommt Schnase an. Er hat in der Eile keinen
Transportbehälter finden können, und so hat er einfach seinen Lut,
einen großen Filzhut, bis oben mit Kieselsteinen gefüllt.
Der Lut wird Emanuel Stolz präsentiert wie einem Sieger der
Diamantenschatz des Besiegten. Er knurrt erst unwillig, aber dann
wühlt er doch in den Kieseln herum, und da-ha, sein Antlitz
erhellt sich, und sein Mund spricht die dem Direktor Puppel gar
lieblich klingenden Worte: „Wir können anfangen, Lerr Direktor.
Lier habe ich einen ausgezeichneten Kiesel. Passen Sie auf!"
And dann zieht Emanuel Stolz einen Schuh aus — später, wenn
die kriegerischen Aktionen kommen, wird er Ritterstiefel tragen —
legt den Kiesel in den Schuh, zieht den Schuh wieder an, steht auf
und macht einige Linkeschritte. „Sehen Sie, Lerr Direktor: so bewegt
sich der hinkende Richard III. And jetzt werde ich ihn spielen!"
„Eagen Sie, Lerr Doktor, war mein Leben wirklich in Gefahr?"
„Gnädigs Frau, ich war zweimal täglich bei Ihnen!"
Dftz Von Ralph Urban
Lans und Else wandelten am Äser des Sees. Er redete und redete,
und sie hörte mit gespannter Aufmerksamkeit zu, denn es handelte sich
um ein Thema, das junge Mädchen ungeheuer interessiert. Er sprach
vom Leiraten.
„Ein eigenes, wenn auch kleines Läuschen," sagte er, „wäre
natürlich wunderschön."
„Eine Kleinigkeit bekäme ich auch von daheim mit," sagte sie.
„Ich weiß —" «erschnappte er sich.
„Du weißt?" fragte sie erstaunt. „Woher weißt du?"
„Das ist natürlich nicht wichtig," beeilte Lans sich zu versichern,
„aber deine Eltern scheinen begütert zu sein. Man sieht das an
deinem Schmuck."
„Du meinst diesen Ring?" fragte Else.
„Ja, allerdings."
„Ein Erbstück," sagte das Mädchen. „Er ist gut seine zweitausend
wert. Aber er soll kein Glück bringen —"
„Dann könnte man ihn ja —"
„Was könnte man?"
„Dann könntest du ihn ja zu Lause lassen, wollte ich sagen."
Er fing rasch von anderen Dingen zu reden an, aber sie hörte ihm
jetzt nur mit halbem Ohr zu, und um ihren Mund lag ein kleines
mißtrauisches Lächeln.
Nach einer Weile blieb Else stehen, öffnete die Landtasche, kramte
darin herum, nahm einen Spiegel, besah sich flüchtig und klappte die
Tasche wieder zu. Dann gingen sie weiter.
„Lans!" sagte etwas später Else plötzlich. „Würdest du mich auch
heiraten wollen, wenn ich nichts hätte? Wenn ich gar nichts hätte?"
„Wie kannst du nur so fragen. Liebste?"
„And wenn ich auch den Ring nicht hätte?" setzte sie das Verhör
fort und zog das Schmuckstück spielerisch vom Finger.
„Natürlich!" versicherte Lans.
„Dann ist es gut!" sprach Else feierlich und warf. Lans sah noch
ein Glitzern, dann klatschte es in einiger Entfernung vom Äser leicht
auf, und nur die Wasserkreise verrieten die flüchtige Spur.
(Fortsetzung Seite 305)
303
Frau Wrubel hält die alte Frau Stolle an.
„Sie werden sich wundern! Ich muß Ihnen
erzählen, was die Klöhnke gestern über Sie
gesagt hat."
Die alte Frau Stolle ist Patientin. Aengst-
lich wehrt sie ab. „Ach nee, das lassen Sie man!
Ich darf mich nicht aufregen."
„Ra, regt Sie denn die Neugier nicht noch
mehr auf?"
Ein Optimist
Mücke ist 40 Jahre alt geworden.
„Denken Sie eigentlich nicht ans Leiraten?"
wird er gefragt.
„O doch! Ich fühle mich sogar gebunden;
ich habe nämlich einem Mädchen einen Leirats-
antrag gemacht, und sie hat gesagt, sie würde
sich das überlegen und mir dann schreiben.
And bis jetzt hat sie noch nicht geschrieben."
„Ja, wann war denn das?"
„Vor zehn Jahren."
Die Frage
Lackebusch begegnet einem Bekannten mit
wallender Dichtermähne. — „Ja, waS treiben
Eie denn immer?" begrüßt er ihn.
„Nicht viel," erwidert dieser, „ich schreibe
ab und zu!"
„Was??" staunt Lackebusch, „zu auch??"
„Aber Mama! Was hast du da für eine entsetzliche Platte?!"
„Ich höre sie ganz gern. Als du noch ein Säugling warst, haben
wir dein Geschrei auf die Platte gebannt."
Der Kiesel
es war ein hübscher kleiner, glatter Kiesel. And solch einen Kiesel
brauche ich als Richard III."
Direktor Puppel atmet auf: Emanuel Stolz hat nicht „den Kiesel"
gesagt, sondern „solch einen Kiesel", und das muß sich machen lassen.
„Der Kerl ist verrückt, aber Verrückten muß man nachgeben, wenn
es nicht zu gefährlich ist," denkt er, stürzt davon und kriegt den
Bühnenarbeiter Schnase zu packen. „Mann, besorgen Sie sofort
einen Kiesel. Er darf nicht zu groß sein und nicht zu winzig, er darf
nicht scharfkantig sein, er soll-oder nein: hier am Theater werden
Sie ja überhaupt keinen Kiesel finden. Da sind 5 Mark! Nehmen Sie
ein Auto und rasen Sie nach dem Stadtpark! Da sind ja die Wege
mit Kieseln bestreut. Bringen Sie Kiesel zur Auswahl mit, hundert
Kiesel, tausend Kiesel, einen Sack voll Kiesel!" — —
Schnase bleibt gar nicht einmal so lange fort, aber Direktor Puppel
redet doch von einer Schnecke, einer Schildkröte und einem Faultier,
und das ist zu verstehen, denn das Laus ist gefüllt, und die Leute
werden ungeduldig. Da kommt Schnase an. Er hat in der Eile keinen
Transportbehälter finden können, und so hat er einfach seinen Lut,
einen großen Filzhut, bis oben mit Kieselsteinen gefüllt.
Der Lut wird Emanuel Stolz präsentiert wie einem Sieger der
Diamantenschatz des Besiegten. Er knurrt erst unwillig, aber dann
wühlt er doch in den Kieseln herum, und da-ha, sein Antlitz
erhellt sich, und sein Mund spricht die dem Direktor Puppel gar
lieblich klingenden Worte: „Wir können anfangen, Lerr Direktor.
Lier habe ich einen ausgezeichneten Kiesel. Passen Sie auf!"
And dann zieht Emanuel Stolz einen Schuh aus — später, wenn
die kriegerischen Aktionen kommen, wird er Ritterstiefel tragen —
legt den Kiesel in den Schuh, zieht den Schuh wieder an, steht auf
und macht einige Linkeschritte. „Sehen Sie, Lerr Direktor: so bewegt
sich der hinkende Richard III. And jetzt werde ich ihn spielen!"
„Eagen Sie, Lerr Doktor, war mein Leben wirklich in Gefahr?"
„Gnädigs Frau, ich war zweimal täglich bei Ihnen!"
Dftz Von Ralph Urban
Lans und Else wandelten am Äser des Sees. Er redete und redete,
und sie hörte mit gespannter Aufmerksamkeit zu, denn es handelte sich
um ein Thema, das junge Mädchen ungeheuer interessiert. Er sprach
vom Leiraten.
„Ein eigenes, wenn auch kleines Läuschen," sagte er, „wäre
natürlich wunderschön."
„Eine Kleinigkeit bekäme ich auch von daheim mit," sagte sie.
„Ich weiß —" «erschnappte er sich.
„Du weißt?" fragte sie erstaunt. „Woher weißt du?"
„Das ist natürlich nicht wichtig," beeilte Lans sich zu versichern,
„aber deine Eltern scheinen begütert zu sein. Man sieht das an
deinem Schmuck."
„Du meinst diesen Ring?" fragte Else.
„Ja, allerdings."
„Ein Erbstück," sagte das Mädchen. „Er ist gut seine zweitausend
wert. Aber er soll kein Glück bringen —"
„Dann könnte man ihn ja —"
„Was könnte man?"
„Dann könntest du ihn ja zu Lause lassen, wollte ich sagen."
Er fing rasch von anderen Dingen zu reden an, aber sie hörte ihm
jetzt nur mit halbem Ohr zu, und um ihren Mund lag ein kleines
mißtrauisches Lächeln.
Nach einer Weile blieb Else stehen, öffnete die Landtasche, kramte
darin herum, nahm einen Spiegel, besah sich flüchtig und klappte die
Tasche wieder zu. Dann gingen sie weiter.
„Lans!" sagte etwas später Else plötzlich. „Würdest du mich auch
heiraten wollen, wenn ich nichts hätte? Wenn ich gar nichts hätte?"
„Wie kannst du nur so fragen. Liebste?"
„And wenn ich auch den Ring nicht hätte?" setzte sie das Verhör
fort und zog das Schmuckstück spielerisch vom Finger.
„Natürlich!" versicherte Lans.
„Dann ist es gut!" sprach Else feierlich und warf. Lans sah noch
ein Glitzern, dann klatschte es in einiger Entfernung vom Äser leicht
auf, und nur die Wasserkreise verrieten die flüchtige Spur.
(Fortsetzung Seite 305)
303
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Aber Mama! Was hast du denn da für eine entsetzliche Platte?!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1940
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1950
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 192.1940, Nr. 4952, S. 303
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg