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Drei Fliegen mit einer Klappe
Von Franz Rudolf Winkler
Man sage nicht, in New "Jork wisse heute niemand mehr den Wert
einer guten Tat zu schätzen, weil die Jagd nach dem Dollar und der
Einfluß von Wallstreet die Lerzen verhärtet habe. O nein, lohnt es
denn, Millionär zu sein, wenn man vergißt, daß Wohltun reichliche
Zinsen trägt?
Da war in New <Aork Mister Ironbroker, der es durch emsigen
Vertrieb von Lühneraugenpflaster zum Millionär gebracht hatte.
Kennen Sie nicht seinen Reklamespruch: „Ironbroker bricht Lorn-
haut"? Ja, und dieser Ironbroker war keiner von jenen, die faul
auf dem Lorbeer millionenfach beseitigter und wiedergewachsener
Lühneraugen eingeschlafen wären. Man nannte ihn nicht umsonst
den Lühneraugenkönig. Er blieb tätig und blieb die nie rastende
Seele des Geschäftes. Er fuhr unermüdlich kreuz und quer durch die
Staaten und munterte die säumigen Vertreter auf, damit der wohl-
tuende Steigungswinkel der Absatzkurve niemals verflachte. Und
dabei vergaß er nie, den Teig dieser ruhelosen Tätigkeit mit den
Rosinen guter Taten zu spicken.
So war das auch in Illinois. In einem kleinen Landstädtchen
hatte Mister Ironbroker die Nacht im Lotel verbracht und sich dann,
erquickt durch den Schlaf des Gerechten, auf den Weg zu seinem
Agenten begeben, den er gehörig
aus den Lumpen zu schütteln ge-
dachte. Wuchsen denn in Illinois
den Menschen keine Lühneraugen
mehr, daß der Absatz Iron-
brokerscher Präparate zu sinken
drohte? Doch des Lühneraugen-
königs Weg wurde jäh gehemmt.
Eine Frau mit einem Säugling
auf dem Arm saß auf einer Bank
an der Straße und weinte bitter-
lich. Zwar hatte Ironbroker Vor-
beigehen wollen, aber jäh erin-
nerte er sich, daß Wohltun Zinsen
tragen kann, und so verhielt er
den Schritt und fragte die Frau
nach dem Grund ihres Kummers.
„Ach," sprach die Frau unter
Tränen, „ich bettele ja nicht und
möchte das auch nie tun. Aber
ich bin in die Stadt gekommen,
um mein Erstgeborenes laufen zu
lassen. Da sagt man mir nun, das
koste drei Dollars, und die habe ich
nicht, ich bin eine arme Farmers-
frau. And nun muß ich mein Kind
ungetanst wieder mitnehmen."
14
Mister Jronbrokers Stirn zog sich in nachdenkliche Falten, dann
griff er in die Tasche und fingerte eine Zehn-Dollar-Note hervor.
„Gute Frau," sagte er, „das ist aber wahrlich nicht nötig. Nehmt
diese Banknote, laßt das Kind taufen und bringt mir das Wechsel-
geld in mein Lotell"
Damit ging er, die Sache mit dem säumigen Agenten ins Reine
zu bringen. Dies war bald geschehen, und siehe, vor dem Lotel er-
wartete ihn bereits die glückliche Frau, gab ihm sieben Dollars zu-
rück und wollte sich herzlich bedanken. Aber Ironbroker winkle ab,
steckte die sieben Dollars ein, streichelte noch einmal freundlich den
Täufling und verabschiedete sich schnell.
And im Lochgefühl, wie nur eine gute Tat es verleihen kann,
gab er ein langes Telegramm nach New °Zork auf, ließ viele Aktien
verkaufen und andere kaufen und hatte damit, kaum daß die Börse
schloß, fünfzigtausend Dollars verdient. Dann nahm er ein Flug-
zeug und flog nach Chicago. Dort saß er am Abend mit Geschäfts-
freunden zusammen und war heiter wie seit langem nicht.
„Einen großen Schlag in Wallstreet gemacht?" fragte man ihn
grinsend.
„Das auch," wehrte der Lühneraugenkönig bescheiden ab, „aber
der Grund meiner heiteren Stim-
mung ist ein anderer." And er
erzählte sein Erlebnis. „Ja," so
schloß er dann, „deutlich habe ich
es wieder erfahren, wie nützlich
eine gute Tat sein kann. Drei
Fliegen habe ich mit einer Klappe
geschlagen. Erstens bin ich barm-
herzig gewesen, und zweitens habe
ich durch die Taufe einem un-
schuldigen Kind den Weg ins
Paradies geebnet."
„And drittens?"
„Ach so, ja, und drittens, da
hatte mir doch am Abend zuvor
irgendwer eine falsche Zehn-Dol-
lar-Note angehängt, und auf die
habe ich so wenigstens sieben echte
Dollarswiederherausbekommen."
Schwer auszuführen
„Ist mein Zustand bedenklich,
Lerr Doktor?"
„Lm, einen entzündeten Blind-
darm darf man nicht auf die
leichte Schulter nehmen."
„Den Zucker für den ganzen Monat bitte, ebenso den Kunsthonig;
ich arbeite an einem Frühlings-Liebesgedicht!"
Drei Fliegen mit einer Klappe
Von Franz Rudolf Winkler
Man sage nicht, in New "Jork wisse heute niemand mehr den Wert
einer guten Tat zu schätzen, weil die Jagd nach dem Dollar und der
Einfluß von Wallstreet die Lerzen verhärtet habe. O nein, lohnt es
denn, Millionär zu sein, wenn man vergißt, daß Wohltun reichliche
Zinsen trägt?
Da war in New <Aork Mister Ironbroker, der es durch emsigen
Vertrieb von Lühneraugenpflaster zum Millionär gebracht hatte.
Kennen Sie nicht seinen Reklamespruch: „Ironbroker bricht Lorn-
haut"? Ja, und dieser Ironbroker war keiner von jenen, die faul
auf dem Lorbeer millionenfach beseitigter und wiedergewachsener
Lühneraugen eingeschlafen wären. Man nannte ihn nicht umsonst
den Lühneraugenkönig. Er blieb tätig und blieb die nie rastende
Seele des Geschäftes. Er fuhr unermüdlich kreuz und quer durch die
Staaten und munterte die säumigen Vertreter auf, damit der wohl-
tuende Steigungswinkel der Absatzkurve niemals verflachte. Und
dabei vergaß er nie, den Teig dieser ruhelosen Tätigkeit mit den
Rosinen guter Taten zu spicken.
So war das auch in Illinois. In einem kleinen Landstädtchen
hatte Mister Ironbroker die Nacht im Lotel verbracht und sich dann,
erquickt durch den Schlaf des Gerechten, auf den Weg zu seinem
Agenten begeben, den er gehörig
aus den Lumpen zu schütteln ge-
dachte. Wuchsen denn in Illinois
den Menschen keine Lühneraugen
mehr, daß der Absatz Iron-
brokerscher Präparate zu sinken
drohte? Doch des Lühneraugen-
königs Weg wurde jäh gehemmt.
Eine Frau mit einem Säugling
auf dem Arm saß auf einer Bank
an der Straße und weinte bitter-
lich. Zwar hatte Ironbroker Vor-
beigehen wollen, aber jäh erin-
nerte er sich, daß Wohltun Zinsen
tragen kann, und so verhielt er
den Schritt und fragte die Frau
nach dem Grund ihres Kummers.
„Ach," sprach die Frau unter
Tränen, „ich bettele ja nicht und
möchte das auch nie tun. Aber
ich bin in die Stadt gekommen,
um mein Erstgeborenes laufen zu
lassen. Da sagt man mir nun, das
koste drei Dollars, und die habe ich
nicht, ich bin eine arme Farmers-
frau. And nun muß ich mein Kind
ungetanst wieder mitnehmen."
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Mister Jronbrokers Stirn zog sich in nachdenkliche Falten, dann
griff er in die Tasche und fingerte eine Zehn-Dollar-Note hervor.
„Gute Frau," sagte er, „das ist aber wahrlich nicht nötig. Nehmt
diese Banknote, laßt das Kind taufen und bringt mir das Wechsel-
geld in mein Lotell"
Damit ging er, die Sache mit dem säumigen Agenten ins Reine
zu bringen. Dies war bald geschehen, und siehe, vor dem Lotel er-
wartete ihn bereits die glückliche Frau, gab ihm sieben Dollars zu-
rück und wollte sich herzlich bedanken. Aber Ironbroker winkle ab,
steckte die sieben Dollars ein, streichelte noch einmal freundlich den
Täufling und verabschiedete sich schnell.
And im Lochgefühl, wie nur eine gute Tat es verleihen kann,
gab er ein langes Telegramm nach New °Zork auf, ließ viele Aktien
verkaufen und andere kaufen und hatte damit, kaum daß die Börse
schloß, fünfzigtausend Dollars verdient. Dann nahm er ein Flug-
zeug und flog nach Chicago. Dort saß er am Abend mit Geschäfts-
freunden zusammen und war heiter wie seit langem nicht.
„Einen großen Schlag in Wallstreet gemacht?" fragte man ihn
grinsend.
„Das auch," wehrte der Lühneraugenkönig bescheiden ab, „aber
der Grund meiner heiteren Stim-
mung ist ein anderer." And er
erzählte sein Erlebnis. „Ja," so
schloß er dann, „deutlich habe ich
es wieder erfahren, wie nützlich
eine gute Tat sein kann. Drei
Fliegen habe ich mit einer Klappe
geschlagen. Erstens bin ich barm-
herzig gewesen, und zweitens habe
ich durch die Taufe einem un-
schuldigen Kind den Weg ins
Paradies geebnet."
„And drittens?"
„Ach so, ja, und drittens, da
hatte mir doch am Abend zuvor
irgendwer eine falsche Zehn-Dol-
lar-Note angehängt, und auf die
habe ich so wenigstens sieben echte
Dollarswiederherausbekommen."
Schwer auszuführen
„Ist mein Zustand bedenklich,
Lerr Doktor?"
„Lm, einen entzündeten Blind-
darm darf man nicht auf die
leichte Schulter nehmen."
„Den Zucker für den ganzen Monat bitte, ebenso den Kunsthonig;
ich arbeite an einem Frühlings-Liebesgedicht!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Den Zucker für den ganzen Monat bitte; ebenso den Kunsthonig; ..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1940
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1950
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 193.1940, Nr. 4954, S. 14
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg