Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
o

n

Der Brief

Von Ralph Urban

Als Lerr Seitz von der Arbeit nach Lause kam, holte er auf der
Treppe den Briefträger ein. „Was für mich?" fragte er gewohnheits-
gemätz und wollte schon weiter. „Doch," überraschte ihn der Postbote
und fischte einen schmalen Umschlag aus dem Paket Sendungen. Lerr
Seitz wunderte sich, ging bis zum nächsten Treppenabsatz, öffnete dort
das Schreiben und las:

,Liebster Leinz, es ist gar nicht nett von Dir, daß Du solange
nichts von Dir hören ließest, zumal wir damals so schöne Tage
miteinander verbracht hatten. Mit Fritz ist es aus, er war nicht der
richtige Mann, obwohl er mich heiraten wollte. Dich mochte ich immer
viel lieber. Werde deswegen aber nicht ein-
gebildet, ich mache mir überhaupt nichts
aus Männern. Trotzdem möchte ich Dich
ganz gern mal Wiedersehn. Es ist schon ein
Jahr her. Du mich auch? Wenn ja, dann
schreibe mir gleich, und ich komme Dich be-
suchen. Last Du noch die schöne Wohnung,
die für einen Junggesellen viel zu groß ist?

Schreibe also, oder rufe mich gleich oder
sofort mittags im Geschäft an. Es fehlt
Dir sicher eine kleine ordnende Frauenhand.

Deine treue Berti/

„Auwehkrach," sagte Lerr Seitz, „nur
das nicht." Dann steckte er das freundliche
Schreiben in die Brieftasche und bewältigte
weitere zwei Treppen. Löher ging es auch
nimmer. Oben angelangt folgte er dem
Geruch von Bratkartoffeln und schloß die
Tür zu seiner Wohnung auf.

„LeinzimännchenI" erklang es fröhlich
aus der Küche, und gleich darauf sprang ihm
seine mollige Frau an den Lals. Er war mit
ihr seit einem halben Jahr verheiratet.

Am nächsten Morgen saßen sie beim
Frühstück. Männer pflegen bei dieser Ge-
legenheit noch nicht ausgeschlafen und daher etwas mürrisch zu sein
und ihr Gespräch auf die schlichten Worte ja — nein zu beschränken.
Infolge des heutigen schwachen Gebrauches fiel es Leinz allmählich
auf, daß seine Frau Erna diesmal merkwürdig still war.

„Auf Wiedersehen, Maus," sagte der Mann etwas später, während
er mit geübtem Griff seinen Lut vom Kleiderrechen fing, ohne seinen
Schnellschritt zu hemmen. — „Seit wann der Sammelname Maus?"
erklang es da hinter ihm schrill. „Du verwechselst mich doch nicht mit
deiner Berti — treuen Berti?" — Leinz zog unwillkürlich das Genick
ein und beschleunigte seinen Treppenlauf. Am nächsten Absatz jedoch
nahm er Laltung an, drehte ein verwundertes Gesicht aufwärts und
rief zurück: „Wawowiewa — " And stob hinweg.

170

Leicht beunruhigt verbrachte er den Tag. Gegen Abend siegte der
alte Stratege in ihm, der da sprach: ,Das beste Mittel zur Abwehr
ist der Angriff/

„Esso —" begann er daheim alsogleich die Offensive, „du hast also
meine Taschen durchstöbert und auch jenen lächerlichen Brief gelesen.
Die Sache ist natürlich harmlos, denn die flüchtige Angelegenheit
mit Berti fällt in die Zeit zurück, da ich dich noch nicht kannte. Ich
habe sie heute diesbezüglich schriftlich aufgeklärt — "

„Ssss — " zischte Erna. — „Eine Frau aber, die in den Taschen
des Mannes herumstöbert, ist keine Frau. Lai" — „Das auch noch,"
sprach die Frau eisig und blaß, „nicht nur,
sondern auch — ich und herumstöbern —"
„Natürlich, wie kämest du sonst auf den
Namen Berti?"

„Weil duhuhu —" schluchzte Erna los,
sie im Schlaf gerufen hast."

Leinz begann zu schwitzen. And da die
Sache solch unvorhergesehene Wendung ge-
nommen hatte, trat der Stratege den Rück-
zug an. „Verzeih," sagte er, „ich kann nicht
begreifen, daß ich diesen Namen im Schlaf
genannt habe. Lier der Brief, lies ihn.
And hier die Kopie meiner Antwort darauf.
Die Sache ist lächerlich."

„Für mich nicht," rief die Frau unter
Tränen. „Deine Liebesbriefe interessieren
mich nicht, pfui. Welch ein Abgrund tut sich
vor mir auf. Das Schlimmste ist, daß du mich
obendrein noch in rohester Weise verdächtigst,
ich hätte deine Taschen durchstöbert."

Leinz ging sozusagen nach Canoffa. Auf
dem Weg dorthin wurde er kleiner und kleiner.
Die Sache war aber auch zu peinlich. Aber da
der Kläger aufrichtige Reue zeigte, versiegten
allmählich die Tränen der Angeklagten.

„Ich werde dich nie wieder verdächtigen," schwor schließlich Leinz.
„Außerdem räume ich dir ab heute das Recht ein, alle an mich ge-
richteten Briefe zu lesen, ob sie nun in meiner Brieftasche sind oder
nicht. Vertrauen gegen Vertrauen."

„Dann ist es gut," sagte Erna und lächelte bereits durch die letzte
Träne hindurch. „Ich habe noch nie deine Briefe gelesen und will es
auch nicht in Zukunft tun. Ebensowenig will ich wissen, was in dem
belastenden Brief hier von jener Berti alles drinnensteht. Linweg
mit ihm l Sollte es aber dieses Biest von einer Berti wirklich wagen,
hierher in die Wohnung zu kommen, dann werden dieser treuen Seele
vor Staunen die Augen übergehen, wie schnell sie die fehlende, kleine
ordnende Frauenhand wieder vor die Türe setzt."

Die Kennerin

„Ich muß schon sagen: Da bin ich doch viel
besser gemalt, als all die Bilder da!"
Image description

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Kennerin"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Frank, Hugo
Entstehungsdatum
um 1940
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1950
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Kunstausstellung <Motiv>
Gemälde
Malerei <Motiv>
Junge Frau <Motiv>
Spiegel <Motiv>
Selbsteinschätzung

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 193.1940, Nr. 4967, S. 170

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen