Kleine Geschichten
aus England
Es gibt auch recht einsichtsvolle
Engländer. Zu ihnen gehört Mister
Crumpton.
Crumpton hat einen Vetter namens
Trotter. Der ist ein braver Mann, aber
er hat sehr wenig gelernt; von der
Weltgeschichte und auch der seines
Vaterlandes weiß er so gut wie nichts.
Trotter seufzt über den Krieg. „Eine
schreckliche Zeit ist dasl Warum stellen
die Menschen sowas an? Ich verstehe
nicht, wie es überhaupt zu einem Kriege
kommen kann."
„Das will ich dir erklären," sagt
Crumpton. „Aber du mußt mir einen
Shilling geben."
Trotter wundert sich, daß der Vetter
Crumpton so habgierig geworden ist,
aber er gibt den Shilling her.
Crumpton fängt an: „Also ein Krieg
entsteht, wenn-Aber nein, du
mußt mir noch einen Shilling geben."
Trotter findet das Verlangen häß-
lich, aber er holt noch einen Shilling
heraus.
Crumpton beginnt wieder: „Also ein
Krieg entsteht, wenn-Aber nein,
du mußt mir noch einmal einen Shilling'
geben."
Trotter ist empört, aber er fügt sich
und rückt zum dritten Male mit einem
Shilling heraus.
„Schön! Also ein Krieg entsteht,
wenn-Aber nein, ich muß noch
einen Shilling haben."
Daueralarm in London
„Mein Patent, Professor Atkinson, ich stopfe mir Wachs
in die Ohren, sowie die Sirenen ertönen!"
„Verz, nice, aber das hat schon der alte Grieche Odysseus
erfunden!"
Mister Augustus Potter hat
Geld genug; er braucht sich nichts
abgehen zu lassen. Was weniger
bemittelte Leute nicht für die
Küche bekommen, könnte für ihn
hintenherum besorgt werden.
Duff Looper hat die Gründung der
englischen Einheitszeitung abgeblasen.
Dafür will er jetzt Flugblätter heraus-
geben, in denen die „wahre" Lage dar-
gestellt wird.
Die wahre Lage? Dann muß er ja
seine eignen Rundfunkreden dementieren.
Jetzt wird Trotter wild. „Was
fällt dir ein? Du willst mir wohl
die Tasche ausleeren? Ich hätte
Lust, mit dir zu boxen."
„Recht so!" lacht Crumpton.
„Da hast du deine drei Shillings
wieder. Nun hast du wohl be-
griffen, nicht wahr? Ein Krieg ent-
steht, wenn der eine immer zu viel
habe» will, und der andere schließ-
lich deshalb böse wird."
„Ach so!" nickt Trotter. „Du
meinst also, wir Engländer haben
immer zu viel —-"
Aber Crumpton hält ihm den
Mund zu. „Pscht! Weiter wollen
wir lieber nicht darüber reden."
Viscount Gattleton und Lord
Porter sitzen zu später Stunde
wohlgeborgen in einem sehr tief
gelegene», aber angenehm aus-
gestatteten Raum des Savoy-
Lotels. Sie werden dort auch schlafen, aber vor-
läufig erquicken sie sich noch. Sie haben mit Sekt
angefangen, doch der war ihnen nicht stramm ge-
nug; jetzt trinken sie Whisky, vielen schweren Whisky.
§>in und wieder dringt aus dem oberirdischen
London, wenn auch wohltuend gedämpft, das Knat-
tern von Flakgeschützen und das Krachen von Bom-
ben in das sichere Asyl hinunter. Da — jetzt muß
es ganz in der Nähe einen heftigen Einschlag ge-
geben haben.
Lord Porter schüttelt sich und macht ein bedenk-
liches Gesicht. Er seufzt: „Ich habe Sorge, ob ich
morgen mein Laus wohl noch wiederfinde» werde."
Viscount Gattleton schiebt ihm die Whiskykaraffe
hin und lacht. „Ansinn! Sie vertragen ja was, und
außerdem können Sie hier aus-
schlafe», bis Sie wieder ganz
nüchtern sind."
Dem Leiter der großen Zei-
tung war cs gelungen, bis zum
Lerrn des Informationsministe-
riums vorzudringen. Er beschwerte
sich: „Die meisten Mitteilungen
des Informations-Ministeriums
mag ich nicht mehr bringen; sie
sind unverwendbar für ein ernst-
haftes Blatt."
„Ja, was wünschen Sie denn?"
„Ich möchte die Wahrheit
wissen, die reine Wahrheit."
Duff Cooper zuckte die Achseln.
„Aber ich bitte Sie-mit
der reinen Wahrheit können Sie
doch in Ihrer Zeitung erst recht
nichts anfangen."
„Schon wieder kommst du zu spät, Donald!"
„Excuse me, darling, erstens die Verdunkelung, und
zweitens tun wir Engländer das jetzt doch immer!"
Aber Mistreß Potter denkt neuerdings
anders darüber.
Das Dinner kommt auf den Tisch.
Mister Potter verzieht das Gesicht.
„Soll das etwa alles sein?"
„Mehr gibt es nicht! Du hast doch
gehört: um den Sieg zu erringen, sollen
alle Engländer sich den Leibriemen enger
schnallen."
„Ach was!" knurrt Augustus Potter.
„Ich habe keinen Leibriemen; ich habe
Losenträger."
Am Periskop
In Brasilien will man den über-
flüssigen Kaffee nicht mehr fortschütte»,
sondern er soll zu einem Baustoff für
kleinere Läufer verarbeitet werden.
Ein warmer Regen — und der
Mokka ist fertig!
Der bekannte Oberst Beck war in
Rumänien interniert und hatte sein
Ehrenwort gegeben, nicht zu fliehen.
Vor etlichen Wochen wurde er bei dem
Versuch, die Grenze zu überschreiten,
festgenominen.
Na ja: kein Mann — kein Wort!
Eine englische Zeitschrift versucht,
ihren Lesern klarzumachen, daß der Ber-
liner Besuch Molotows gar keinen po-
litischen Lindergrund gehabt habe.
Natürlich nicht! Molotow wollte sich
in Berlin nur das Aquarium ansehen.
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aus England
Es gibt auch recht einsichtsvolle
Engländer. Zu ihnen gehört Mister
Crumpton.
Crumpton hat einen Vetter namens
Trotter. Der ist ein braver Mann, aber
er hat sehr wenig gelernt; von der
Weltgeschichte und auch der seines
Vaterlandes weiß er so gut wie nichts.
Trotter seufzt über den Krieg. „Eine
schreckliche Zeit ist dasl Warum stellen
die Menschen sowas an? Ich verstehe
nicht, wie es überhaupt zu einem Kriege
kommen kann."
„Das will ich dir erklären," sagt
Crumpton. „Aber du mußt mir einen
Shilling geben."
Trotter wundert sich, daß der Vetter
Crumpton so habgierig geworden ist,
aber er gibt den Shilling her.
Crumpton fängt an: „Also ein Krieg
entsteht, wenn-Aber nein, du
mußt mir noch einen Shilling geben."
Trotter findet das Verlangen häß-
lich, aber er holt noch einen Shilling
heraus.
Crumpton beginnt wieder: „Also ein
Krieg entsteht, wenn-Aber nein,
du mußt mir noch einmal einen Shilling'
geben."
Trotter ist empört, aber er fügt sich
und rückt zum dritten Male mit einem
Shilling heraus.
„Schön! Also ein Krieg entsteht,
wenn-Aber nein, ich muß noch
einen Shilling haben."
Daueralarm in London
„Mein Patent, Professor Atkinson, ich stopfe mir Wachs
in die Ohren, sowie die Sirenen ertönen!"
„Verz, nice, aber das hat schon der alte Grieche Odysseus
erfunden!"
Mister Augustus Potter hat
Geld genug; er braucht sich nichts
abgehen zu lassen. Was weniger
bemittelte Leute nicht für die
Küche bekommen, könnte für ihn
hintenherum besorgt werden.
Duff Looper hat die Gründung der
englischen Einheitszeitung abgeblasen.
Dafür will er jetzt Flugblätter heraus-
geben, in denen die „wahre" Lage dar-
gestellt wird.
Die wahre Lage? Dann muß er ja
seine eignen Rundfunkreden dementieren.
Jetzt wird Trotter wild. „Was
fällt dir ein? Du willst mir wohl
die Tasche ausleeren? Ich hätte
Lust, mit dir zu boxen."
„Recht so!" lacht Crumpton.
„Da hast du deine drei Shillings
wieder. Nun hast du wohl be-
griffen, nicht wahr? Ein Krieg ent-
steht, wenn der eine immer zu viel
habe» will, und der andere schließ-
lich deshalb böse wird."
„Ach so!" nickt Trotter. „Du
meinst also, wir Engländer haben
immer zu viel —-"
Aber Crumpton hält ihm den
Mund zu. „Pscht! Weiter wollen
wir lieber nicht darüber reden."
Viscount Gattleton und Lord
Porter sitzen zu später Stunde
wohlgeborgen in einem sehr tief
gelegene», aber angenehm aus-
gestatteten Raum des Savoy-
Lotels. Sie werden dort auch schlafen, aber vor-
läufig erquicken sie sich noch. Sie haben mit Sekt
angefangen, doch der war ihnen nicht stramm ge-
nug; jetzt trinken sie Whisky, vielen schweren Whisky.
§>in und wieder dringt aus dem oberirdischen
London, wenn auch wohltuend gedämpft, das Knat-
tern von Flakgeschützen und das Krachen von Bom-
ben in das sichere Asyl hinunter. Da — jetzt muß
es ganz in der Nähe einen heftigen Einschlag ge-
geben haben.
Lord Porter schüttelt sich und macht ein bedenk-
liches Gesicht. Er seufzt: „Ich habe Sorge, ob ich
morgen mein Laus wohl noch wiederfinde» werde."
Viscount Gattleton schiebt ihm die Whiskykaraffe
hin und lacht. „Ansinn! Sie vertragen ja was, und
außerdem können Sie hier aus-
schlafe», bis Sie wieder ganz
nüchtern sind."
Dem Leiter der großen Zei-
tung war cs gelungen, bis zum
Lerrn des Informationsministe-
riums vorzudringen. Er beschwerte
sich: „Die meisten Mitteilungen
des Informations-Ministeriums
mag ich nicht mehr bringen; sie
sind unverwendbar für ein ernst-
haftes Blatt."
„Ja, was wünschen Sie denn?"
„Ich möchte die Wahrheit
wissen, die reine Wahrheit."
Duff Cooper zuckte die Achseln.
„Aber ich bitte Sie-mit
der reinen Wahrheit können Sie
doch in Ihrer Zeitung erst recht
nichts anfangen."
„Schon wieder kommst du zu spät, Donald!"
„Excuse me, darling, erstens die Verdunkelung, und
zweitens tun wir Engländer das jetzt doch immer!"
Aber Mistreß Potter denkt neuerdings
anders darüber.
Das Dinner kommt auf den Tisch.
Mister Potter verzieht das Gesicht.
„Soll das etwa alles sein?"
„Mehr gibt es nicht! Du hast doch
gehört: um den Sieg zu erringen, sollen
alle Engländer sich den Leibriemen enger
schnallen."
„Ach was!" knurrt Augustus Potter.
„Ich habe keinen Leibriemen; ich habe
Losenträger."
Am Periskop
In Brasilien will man den über-
flüssigen Kaffee nicht mehr fortschütte»,
sondern er soll zu einem Baustoff für
kleinere Läufer verarbeitet werden.
Ein warmer Regen — und der
Mokka ist fertig!
Der bekannte Oberst Beck war in
Rumänien interniert und hatte sein
Ehrenwort gegeben, nicht zu fliehen.
Vor etlichen Wochen wurde er bei dem
Versuch, die Grenze zu überschreiten,
festgenominen.
Na ja: kein Mann — kein Wort!
Eine englische Zeitschrift versucht,
ihren Lesern klarzumachen, daß der Ber-
liner Besuch Molotows gar keinen po-
litischen Lindergrund gehabt habe.
Natürlich nicht! Molotow wollte sich
in Berlin nur das Aquarium ansehen.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Schon wieder kommst du zu spät, Donald!" "Daueralarm in London"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1940
Entstehungsdatum (normiert)
1930 - 1950
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 193.1940, Nr. 4977, S. 293
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg