Frisch gestrichen!
Von Peter Robinson
Die Frühlingssonne scheint liebreich auf die lange Straße mit
den vielen kleinen Einfamilienhäusern, die von manchen ihrer Be-
sitzer auch gern als Villen bezeichnet werden. Es ist am Sonntag
Vormittag und deshalb so recht die Zeit, in den kleinen Vorgärten
vor den Läuschen etwas Nützliches zu tun.
Bastian, der ungefähr in der Mitte der Straße wohnt, hat das
soeben getan. Er hat vor seinem Läuschen — er gehört zu jenen,
die nicht Villa sagen — eine
Bank ausgestellt, auf der seine
Frau und er an den kommen-
den schönen Sommerabenden
sitzen und frische Luft genießen
wollen. Die Bank war billig,
aber deshalb war sie auch ein-
fach aus Rohholz. Da aber
leider auch häßliche Regentage,
und vielleicht viele, zu erwar-
ten sein werden, wobei dann
die Bank, die man ja nicht
jedesmal ins Laus tragen
kann — schon weil darin wenig
Platz ist — leiden und vor-
zeitig brüchig werden würde,
hat es sich empfohlen, sie mit
einem konservierenden Anstrich
zu versehen, der gleichzeitig
eine wesentliche Verschöne-
rung bewirken konnte. Das
hat Bastian gemacht. Er hat
die Bank zart grün gestrichen,
und nun steht sie vor dem
Kaufe als angenehmer Schmuck
und ein freundliches Symbol
von Ruhe, Behaglichkeit und
stillem Frieden. Bastian freut
sich über sein Werk und geht
nun ins Laus hinein, wo er
noch etwas zu erledigen hat.
Gerade ist Bastian ver-
schwunden, da erscheint in der
Tür des Nachbarhauses die junge Frau Wolpert mit ihrem vier-
jährigen Töchterchen Charlotte. Wolperts gehören zu jenen Leuten,
die ihr Läuschen eine Villa nennen; sie sind anspruchsvoller als
Bastian. Deshalb rufen sie ihr Töchterchen auch Charlotte und nicht
Lotte oder gar Lottchen. Bastian sagt Lottchen, und darüber ärgern
sich Wolperts, aber Frau Wolpert mehr als der Gatte, und dieser
auch nur aus Folgsamkeit gegenüber der Gattin. Wenn diese nicht
auf Charlotte bestünde, würde
er vielleichtauch Lottchen sagen.
Frau Wolpert geleitet das
Kind,das ein ganz neues rosa-
farbenes Sonntagskleidchen
trägt, die drei Treppenstufen
hinunter in den Vorgarten
und sagt: „So, Charlotte, jetzt
warte hier hübsch artig! Ich
komme gleich mit dem Vater,
und dann gehen wir spazieren."
Dann geht sie in das Laus
zurück, wo sie noch das halb-
fertige Mittagessen zur selb-
ständigen Vollendung in die
Kochkiste setzen muß. Albert
Wolpert,der Gatte und Vater,
sollte eigentlich schon zusam-
men mit Charlotte draußen
sein, aber er ist beim Rasieren
zu langsam gewesen. Aller-
dings hat er sich deshalb auch
nicht dabei geschnitten.-
Charlotte ist also sich selbst
überlassen. Sie schaut sich um,
gewahrt im Nachbargarten die
hübsche grüne Bank, die etwas
ganz Neues für sie ist, und
fühlt sich von dieser neuen
Erscheinung angelockt. Sie ver-
läßt, wenn auch zuerst etwas
Rat
Lakonisch
„Wenn ich nur nicht solche
Angst vor'm Leiraten hätte !"
„Unsinn! ermanne dich, be-
weibe dich!"
„Einen gräßlichen Traum habe ich gehabt, Clara-ich hatte
sehr viel Geld eingebüßt."
„Träume bedeuten das Gegenteil. Da kannst du mir jetzt ein
paar hundert Mark für Einkäufe geben."
„Daß man Sie niemals ohne
Korb sieht, Fräulein?"
„Ich muß was am Arm
haben!"
„Da schaffen Sie sich doch
'n Bräutigam an!"
298
Von Peter Robinson
Die Frühlingssonne scheint liebreich auf die lange Straße mit
den vielen kleinen Einfamilienhäusern, die von manchen ihrer Be-
sitzer auch gern als Villen bezeichnet werden. Es ist am Sonntag
Vormittag und deshalb so recht die Zeit, in den kleinen Vorgärten
vor den Läuschen etwas Nützliches zu tun.
Bastian, der ungefähr in der Mitte der Straße wohnt, hat das
soeben getan. Er hat vor seinem Läuschen — er gehört zu jenen,
die nicht Villa sagen — eine
Bank ausgestellt, auf der seine
Frau und er an den kommen-
den schönen Sommerabenden
sitzen und frische Luft genießen
wollen. Die Bank war billig,
aber deshalb war sie auch ein-
fach aus Rohholz. Da aber
leider auch häßliche Regentage,
und vielleicht viele, zu erwar-
ten sein werden, wobei dann
die Bank, die man ja nicht
jedesmal ins Laus tragen
kann — schon weil darin wenig
Platz ist — leiden und vor-
zeitig brüchig werden würde,
hat es sich empfohlen, sie mit
einem konservierenden Anstrich
zu versehen, der gleichzeitig
eine wesentliche Verschöne-
rung bewirken konnte. Das
hat Bastian gemacht. Er hat
die Bank zart grün gestrichen,
und nun steht sie vor dem
Kaufe als angenehmer Schmuck
und ein freundliches Symbol
von Ruhe, Behaglichkeit und
stillem Frieden. Bastian freut
sich über sein Werk und geht
nun ins Laus hinein, wo er
noch etwas zu erledigen hat.
Gerade ist Bastian ver-
schwunden, da erscheint in der
Tür des Nachbarhauses die junge Frau Wolpert mit ihrem vier-
jährigen Töchterchen Charlotte. Wolperts gehören zu jenen Leuten,
die ihr Läuschen eine Villa nennen; sie sind anspruchsvoller als
Bastian. Deshalb rufen sie ihr Töchterchen auch Charlotte und nicht
Lotte oder gar Lottchen. Bastian sagt Lottchen, und darüber ärgern
sich Wolperts, aber Frau Wolpert mehr als der Gatte, und dieser
auch nur aus Folgsamkeit gegenüber der Gattin. Wenn diese nicht
auf Charlotte bestünde, würde
er vielleichtauch Lottchen sagen.
Frau Wolpert geleitet das
Kind,das ein ganz neues rosa-
farbenes Sonntagskleidchen
trägt, die drei Treppenstufen
hinunter in den Vorgarten
und sagt: „So, Charlotte, jetzt
warte hier hübsch artig! Ich
komme gleich mit dem Vater,
und dann gehen wir spazieren."
Dann geht sie in das Laus
zurück, wo sie noch das halb-
fertige Mittagessen zur selb-
ständigen Vollendung in die
Kochkiste setzen muß. Albert
Wolpert,der Gatte und Vater,
sollte eigentlich schon zusam-
men mit Charlotte draußen
sein, aber er ist beim Rasieren
zu langsam gewesen. Aller-
dings hat er sich deshalb auch
nicht dabei geschnitten.-
Charlotte ist also sich selbst
überlassen. Sie schaut sich um,
gewahrt im Nachbargarten die
hübsche grüne Bank, die etwas
ganz Neues für sie ist, und
fühlt sich von dieser neuen
Erscheinung angelockt. Sie ver-
läßt, wenn auch zuerst etwas
Rat
Lakonisch
„Wenn ich nur nicht solche
Angst vor'm Leiraten hätte !"
„Unsinn! ermanne dich, be-
weibe dich!"
„Einen gräßlichen Traum habe ich gehabt, Clara-ich hatte
sehr viel Geld eingebüßt."
„Träume bedeuten das Gegenteil. Da kannst du mir jetzt ein
paar hundert Mark für Einkäufe geben."
„Daß man Sie niemals ohne
Korb sieht, Fräulein?"
„Ich muß was am Arm
haben!"
„Da schaffen Sie sich doch
'n Bräutigam an!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Einen gräßlichen Traum habe ich gehabt, Clara..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1941
Entstehungsdatum (normiert)
1936 - 1946
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 194.1941, Nr. 5003, S. 298
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg