Der Damenstrumpf
Von Ralph Arb an kLauptfeldw. Arbanetz)
„Muschi/' sagte Lerr Korn zu seiner jungen Frau, „ich habe
heute einige wichtige Besprechungen, es dürfte daher etwas später
werden." Der Vorwurf von weichen Lippen traf ihn nicht mehr, denn
er raste bereits mit fliegenden Mantelschößen die Treppe runter. Er
war spät dran, und am Montag morgen ging es immer am stärksten.
Kaum war Lerr Korn im Büro angelangt, setzte auch schon Loch-
betrieb ein, und alsbald rauchte es dort vor Arbeitsgeist. So um
neun surrte wieder einmal der Fernsprecher. Der Angestellte Müller
hob den Lörer ab, um sich gleich darauf an den Chef zu wenden.
„Lerr Korn," so sagte er, während er die Muschel mit der Land
bedeckte, „ich glaube, es ist Ihre Frau."
Der Chef, der gerade einen Brief diktiert hatte, griff mit nervöser
Last nach dem Lörer. „Lallo," rief er, „ich habe eben wahnsinnig
zu tun. Ich rufe dich später an."
„Ich werde dich nicht lange aufhalten," erklang es bebend und
fremd, „es handelt sich nur um eine kleine Frage —"
„Aber, Muschi, was hast du denn? Warum bist du so aufgeregt?"
„Ich möchte mir Sammelnamen in Linkunft verbeten haben —"
„Aber Kind —"
„Ich bin nicht dein Kind —" — „Aber Liebste —"
„Schon gar nicht Liebste. Du stotterst bereits vor schlechtem Ge-
wiffen. Schwant dir was? Ich will dich nicht lange raten lassen.
Sage mir nur schnell:
Wie kommt der Damen-
strumpf in deine Rock-
tasche?"
„Wa — was für ein
Damenstrumpf?"
„Ein Damenstrumps,
jawohl, und zwar ein
fremder Damenstrumps.
Verstelle dich nicht so al-
bern. Pfui Spinne! Das
weitere erfährst du dann
daheim —"
„Aber Muschi, das gibt
es ja gar nicht —" Lerr
Korn lauschte, am andern
Ende hatte man abge-
hängt. Verstört wandte
er sich um, merkte, daß er
im Mittelpunkt des In-
teresses stand, daß das
Klappern der Schreibma-
schine verstummt war,und
daß der Lehrling grinste.
Er pfiff also den Lehrling
an und griff nach dem zu beantwortenden Brief, worauf alsogleich
der Geschäftslärm wieder einsetzte. Sobald er das Diktat beendet
hatte, ging er in sein Privatkontor, setzte sich an den Schreibtisch und
starrte düster sinnend vor sich hin. Wie kam ein Damenstrumps in
seine Rocktasche? Kopfschüttelnd griff er schließlich in die Scheibe
des Tischtelephons und wählte die Nummer seines Freundes Berger.
„Du," sagte er, sobald sich Berger meldete, „es ist da etwas
schreckliches passiert. Eben rief mich meine Frau an und sagte, sie
hätte einen fremden Damenstrumpf in einer meiner Rocktaschen
gefunden. Kannst du dir das erklären?"
„Nee, wieso ich?" klang es fröhlich zurück.
„Es ist mir ein Rätsel," fuhr Korn fort. „Am Mittwoch nach
der Sitzung, da hat uns doch dieser Kunert noch in den ,Kakadu'
verschleppt, wo es dann so hoch herging, daß ich zwei Tage lang
Kopfschmerzen hatte. Es wird dort doch nicht einer von euch irr-
tümlich —"
„Nicht schlecht, haha —" wieherte Berger, „nur fürchte ich, wird
sie es nicht glauben. Aber mir, alter Junge, kannst du es schon
sagen. Wie kam denn wirklich der Damenstrumps in deine Rocktasche? "
Wütend knallte Korn den Lörer auf die Gabel und begann wie
ein gereizter Löwe hin und her zu laufen. Wie kam ein Damenstrumpf
in die Tasche eines vorbildlichen Ehemannes? Rätsel, dunkles Rätsel.
Am Nachmittag sagte
Lerr Korn sämtliche Be-
sprechungen ab und ver-
ließ eine halbe Stunde
vor Geschäftsschluß das
Büro. Er ging in eine
Blumenhandlung und
kaufte einen schönen
Strauß. Was half ihm
das reine Gewissen I Das
Rätsel mit dem Damen-
strumpf in seiner Tasche
würde sich wahrscheinlich
nie klären, aber ebenso-
wenig würde ihm Muschi
Anschuldlsbeteuerungen
glauben. Besser also, man
spielte den reuigen Sün-
der und versuchte, den
häuslichen Frieden gleich
im voraus mit dem
Pflaster der Aufmerksam-
keit zusammenzukleben.
So kam es, daß Lerr
Korn dann im Vorzimmer
Der übereifrige Maler
98
Von Ralph Arb an kLauptfeldw. Arbanetz)
„Muschi/' sagte Lerr Korn zu seiner jungen Frau, „ich habe
heute einige wichtige Besprechungen, es dürfte daher etwas später
werden." Der Vorwurf von weichen Lippen traf ihn nicht mehr, denn
er raste bereits mit fliegenden Mantelschößen die Treppe runter. Er
war spät dran, und am Montag morgen ging es immer am stärksten.
Kaum war Lerr Korn im Büro angelangt, setzte auch schon Loch-
betrieb ein, und alsbald rauchte es dort vor Arbeitsgeist. So um
neun surrte wieder einmal der Fernsprecher. Der Angestellte Müller
hob den Lörer ab, um sich gleich darauf an den Chef zu wenden.
„Lerr Korn," so sagte er, während er die Muschel mit der Land
bedeckte, „ich glaube, es ist Ihre Frau."
Der Chef, der gerade einen Brief diktiert hatte, griff mit nervöser
Last nach dem Lörer. „Lallo," rief er, „ich habe eben wahnsinnig
zu tun. Ich rufe dich später an."
„Ich werde dich nicht lange aufhalten," erklang es bebend und
fremd, „es handelt sich nur um eine kleine Frage —"
„Aber, Muschi, was hast du denn? Warum bist du so aufgeregt?"
„Ich möchte mir Sammelnamen in Linkunft verbeten haben —"
„Aber Kind —"
„Ich bin nicht dein Kind —" — „Aber Liebste —"
„Schon gar nicht Liebste. Du stotterst bereits vor schlechtem Ge-
wiffen. Schwant dir was? Ich will dich nicht lange raten lassen.
Sage mir nur schnell:
Wie kommt der Damen-
strumpf in deine Rock-
tasche?"
„Wa — was für ein
Damenstrumpf?"
„Ein Damenstrumps,
jawohl, und zwar ein
fremder Damenstrumps.
Verstelle dich nicht so al-
bern. Pfui Spinne! Das
weitere erfährst du dann
daheim —"
„Aber Muschi, das gibt
es ja gar nicht —" Lerr
Korn lauschte, am andern
Ende hatte man abge-
hängt. Verstört wandte
er sich um, merkte, daß er
im Mittelpunkt des In-
teresses stand, daß das
Klappern der Schreibma-
schine verstummt war,und
daß der Lehrling grinste.
Er pfiff also den Lehrling
an und griff nach dem zu beantwortenden Brief, worauf alsogleich
der Geschäftslärm wieder einsetzte. Sobald er das Diktat beendet
hatte, ging er in sein Privatkontor, setzte sich an den Schreibtisch und
starrte düster sinnend vor sich hin. Wie kam ein Damenstrumps in
seine Rocktasche? Kopfschüttelnd griff er schließlich in die Scheibe
des Tischtelephons und wählte die Nummer seines Freundes Berger.
„Du," sagte er, sobald sich Berger meldete, „es ist da etwas
schreckliches passiert. Eben rief mich meine Frau an und sagte, sie
hätte einen fremden Damenstrumpf in einer meiner Rocktaschen
gefunden. Kannst du dir das erklären?"
„Nee, wieso ich?" klang es fröhlich zurück.
„Es ist mir ein Rätsel," fuhr Korn fort. „Am Mittwoch nach
der Sitzung, da hat uns doch dieser Kunert noch in den ,Kakadu'
verschleppt, wo es dann so hoch herging, daß ich zwei Tage lang
Kopfschmerzen hatte. Es wird dort doch nicht einer von euch irr-
tümlich —"
„Nicht schlecht, haha —" wieherte Berger, „nur fürchte ich, wird
sie es nicht glauben. Aber mir, alter Junge, kannst du es schon
sagen. Wie kam denn wirklich der Damenstrumps in deine Rocktasche? "
Wütend knallte Korn den Lörer auf die Gabel und begann wie
ein gereizter Löwe hin und her zu laufen. Wie kam ein Damenstrumpf
in die Tasche eines vorbildlichen Ehemannes? Rätsel, dunkles Rätsel.
Am Nachmittag sagte
Lerr Korn sämtliche Be-
sprechungen ab und ver-
ließ eine halbe Stunde
vor Geschäftsschluß das
Büro. Er ging in eine
Blumenhandlung und
kaufte einen schönen
Strauß. Was half ihm
das reine Gewissen I Das
Rätsel mit dem Damen-
strumpf in seiner Tasche
würde sich wahrscheinlich
nie klären, aber ebenso-
wenig würde ihm Muschi
Anschuldlsbeteuerungen
glauben. Besser also, man
spielte den reuigen Sün-
der und versuchte, den
häuslichen Frieden gleich
im voraus mit dem
Pflaster der Aufmerksam-
keit zusammenzukleben.
So kam es, daß Lerr
Korn dann im Vorzimmer
Der übereifrige Maler
98
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der übereifrige Maler"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1941
Entstehungsdatum (normiert)
1936 - 1946
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 195.1941, Nr. 5011, S. 98
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg