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„Regen Sie sich bloß nicht auf, Towarisch Churchill,
so viel wie Sie Hab ich auch gesiegt!"

Der Schüttelreimler

bekomm's!" schrien wir hinab. Lerr Schnohr aber sagte es natür-
lich in einem Schüttelreim:

„Wohl ihm, daß ihm im Moosesgrunde
Sein köstlich Helles Großes munde!"

Abermals schickte Kritikaster Mohr die Kinder drunten mit irgend
einem Auftrag weg. Aber er blieb dennoch nicht allein mit seiner
Waldesruhe, es erging ihm wie dem Balduin Bählamm bei Wilhelm
Busch, auch das gute Lausgetier begann, ihn zu stören: zwei Kühe
kamen von ihrer Weide zu ihm hingetrottet und blökten um ihn
herum. Was Lerrn Schnohr zu dem Schüttelreim inspirierte:

„Nun kommt gar zu dem Ruhemann
Verstehend noch die Muh heran."

Wir kreischten auf vor Vergnügen über soviel Blödsinn. Frau Schnohr
aber zeterte: „Nein, nun ist's aber wirklich genug! Lörst du nun auf
oder nicht?"

Indem geschah drunten ein turbulenter Aufbruch. Der Riesen-
verein, oder war es eine ganze Sonntagsortschaft gewesen, strömte
auf einen Vorstandspfiff hin aus allen Winkeln herbei und sammelte
sich. Lerr Schnohr sah es, kritzelte eine Weile leise murmelnd und
mit Silben im Lirn jonglierend auf seinem Notizblock herum und
hatte wahrhaftig nach wenigen Minuten schon wieder einen Vers:
„Doch alles läuft vom Walde her.

Nun, solche Meute halte wer!"

Aber er hatte verfrüht berichtet. Eine Rotte Männer, die meisten
mit Zwickern und Bärten, also durchweg altgeübte Barden, hatten
sich am Waldrand in einen Lalbkreis gestellt, vor ihren Nasenspitzen
fuchtelte einer mit einem kurzen Stecken taktierend und beide Arme
schwingend umher, und alsbald sangen sie ein Waldeslied. Da fuhr
der Mann aus der Längematte wie von Taranteln gepiekt hoch und
lief, sich die Ohren zuhaltend, davon. Offenbar war er ein Kompo-
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nist oder sonstwie musikalisch hochempfindlich belastet. Lerr Schnohr
aber schüttelsang ihm sofort nach:

„Dann sang auch noch ein Männerchor.

Da lief davon der Kenner Mohr."

And als sich nun die Dutzende drunten aus die bereitstehenden
Wagen stürzten, um sie zu erklettern, und wir natürlich sehr begie-
rig waren, was Lerr Schnohr diesmal zutage bringen würde, wur-
den wir abermals keineswegs enttäuscht. Lerr Schnohr murmelte,
strichelte, neigte den Kopf rechts, neigte ihn links, wägte, probierte
und war endlich wieder einmal mit seinem Vers im reinen. And sprach:
„Die Menge fuhr auf Leiterwagen
Zu Restaurants, die weiter lagen."

„Lalt," sagte da Lerr Oskar Knoll, der uns des weiteren nicht
bekannte Glatzkopf, der sich uns einfach angeschlossen hatte, „halt,
mein Lerr: Ich bin nämlich, müssen Sie wissen, Zeitungsverleger.
And wenn Sie mir jetzt noch eine kleine Aufgabe lösen, die mir end-
gültig die große Wendigkeit Ihrer Begabung erweist, dann, glaube
ich, kann ich Ihnen vielleicht einmal ein Gedicht abnehmen." So
sprach Lerr Knoll. Der Dichter Schnohr aber schaute ihn an und
fragte: „Große Zeitung?"

„Nicht ganz so groß," erwiderte Lerr Knoll.

„Auflagenhöhe?" examinierte der Dichter unerbittlich weiter. Da
wurde Lerr Knoll nervös. „Die Auflagenhöhe wird zurzeit nicht
genannt," sprach er beleidigt. Offenbar war sein Blättchen furcht-
bar klein. And da er, als ein weltgewandter Mann, sehr wohl fühlte,
wie wir alle in diesen Augenblicken durchaus auf Seiten des Dichters
standen, daß es für ihn, den Zeitungsmann, also Ehrensache war,
sich nicht so ohne weiteres unterkriegen zu lassen, strengte er seinen
Grips an und machte die Aufgabe, von der er geredet hatte, extra
schwer. Er sprach: „Ich sage also in Fortsetzung Ihres letzten
Schüttelreims von den Restaurants, die weiter lagen, und der hin-
fahrenden Menge: „And fiel dort dichten Schwarmes ein." Wissen
Sie darauf, mein Lerr, einen Schüttelreimvers zu finden?"

Lerr Schnohr fing sofort an zu kritzeln. Atemlos schauten wir
ihm auf die Finger. Wir bangten sehr um ihn und um seinen Ruhm.
Er aber ließ sich nicht irre machen, schloß die Augen und murmelte.
Plötzlich sagte er, die Augen geschlossen haltend: „Da hat man nun
mal einen Verleger, der wirklich ein Gedicht von einem drucken will,

aber --Sie wollen mir also die Auflage Ihres Organs nicht

nennen, mein Lerr?"

„Ra, na, liebs Fräulein, so an neumodischen Lut möcht' i net,
da tat i Kopsweh kriag'n!"
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Regen Sie sich bloß nicht auf, Towarisch Churchill..." "Na, na, liebs Fräulein..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Frank, Hugo
Entstehungsdatum
um 1941
Entstehungsdatum (normiert)
1936 - 1946
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Weltkrieg <1939-1945>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 195.1941, Nr. 5017, S. 196

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