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Der Werber
Von Alfred Rlchler
„Last du nicht auch den Eindruck?" fragte Fritz Möller, „seit ich
Zachariasbrunnen trinke, bin ich ein ganz anderer Mensch!"
Frau Möller fand das eigentlich keineswegs, im Gegenteil, ihr
guter Fritze war noch unentwegt der alte, der allzu leicht zu begeisternde
und dann, oft genug zum Gespött der Beschauer, weithin sichtbar
wie eine Strohfackel brennende Enthusiast, der er von Kindesbeinen
an gewesen war und nun auch wohl bis zu seinem Grabe bleiben
würde. Die Edelzucht-Steckrübe „Karl der Große" hatte er seiner-
zeit in seinem Gartenverein ebenso fanatisch propagiert wie kurz da-
nach die kernlose Kirsche „Riesenfaust", und beide Objekte hatten
denen, die sich von Möller hatten anstecken lassen, mächtige Lerein-
fälle gebracht, was hinwiederum Fritze Möllern kräftige Anfeindun-
gen eingetragen hatte. Das hatte ihn aber nicht abgeschreckt, die
Garten-Walderdbeer-Veredlung „Titan" versuchsweise selber im großen
anzubauen; das heißt,
im großen: vier Beete
hatte er nur, aber in
diesem Jahre gab es
eben auf allen vier Möl-
lerbeeten ausschließlich
die Titan, oder vielmehr,
es gab sie nicht, denn
der Möller-Boden war
für sie ungeeignet, wie
Fritze viel zu spät her-
ausfand, und sie schoß
nur ins Kraut und zei-
tigte keinerlei genieß-
bare Früchte. Und wie
in Dingen der Natur,
so war Fritze Möller
auch in allem anderen:
Er setzte sich ganz ein-
fach ein, wenn eine Er-
findung oder eine Ver-
besserung oder eine
Neuerung oder auch eine
besonders geschickt an-
gepriesene, im übrigen
aber uralte Sache ihn
überzeugte. And zu über-
zeugen war er halt sehr
leicht. So trank er seit
nunmehr vierzehn Ta-
gen literweise den Za-
chariasbrunnen, einen
natürlichen Säuerling
290
von widerwärtigem Beigeschmack, der aber für ein Gemüt wie das
Fritze Möllersche gerade durch diese Scheußlichkeit den Beweis einer
besonderen Leilkraft erbrachte. Fritze Möller schwor, das an sich
selber zu spüren, und er ließ auf seinen Reisen — er reiste von Be-
rufes wegen für eine Patentmatratzenfabrik in ganz Deutschland
umher — die Katarakte seiner wildschäumenden und überdies noch
in Kursen geschulten Beredsamkeit derartig auf die Mitreisenden
niederbrausen, daß Georg Kultzsche, der Besitzer jener Zacharias-
quelle, die er beim Abreißen eines alten Schuppens in seinem Garten
zufällig entdeckt hatte, tagaus, tagein Zuschriften kriegte von neu-
gewonnenen Interessenten, die sich samt und sonders auf einen ge-
wissen Fritz Möller, da und da wohnhaft, beriefen und auf die
großartigen Erfolge, die jener an sich selbst mit dem Zachariasbrun-
nen erzielt hatte. Keiner staunte über diese Leilerfolge mehr als
Georg Kultzsche selber,
der selber nie einen
Tropfen seines Mira-
kelquells trank, weil ihm
nach dem Genuß ganz
einfach schlecht werden
würde, er hielt sich mehr
an gutgekühlte, umfang-
reiche Lelle. „Wissen
Sie," sagte er an einem
sonnenfrohen Sonn-
abend, als er die Ver-
sandliste der Woche
überprüfte und eine
abermalige, kräftige
Steigerung des Um-
satzes feststellen mußte,
zu seiner Sekretärin, die
er seit kurzem eingestellt
hatte, da der Schrift-
kram sich mehrte, „wissen
Sie, diesen Möller, die
verrückte Nudel, die
möchte ich wirklich mal
kennen lernen! Ist der
Mann nun tatsächlich
so stark überzeugt von
unserem Wasser, oder
was steckt da eigentlich
dahinter? Das möchte
ich mal Herauskriegen I"
„Ich glaube, er glaubt,
was Sie selber nicht
„Das gelingt Ihnen nicht, Lerr Krengler; da gehe ich jede Wette ein."
„Wetten Sie doch mit dem Kollegen Zobel! Dann habe ich wenigstens
die Genugtuung, daß auf jeden Fall einer von Ihnen verliert."
Der Werber
Von Alfred Rlchler
„Last du nicht auch den Eindruck?" fragte Fritz Möller, „seit ich
Zachariasbrunnen trinke, bin ich ein ganz anderer Mensch!"
Frau Möller fand das eigentlich keineswegs, im Gegenteil, ihr
guter Fritze war noch unentwegt der alte, der allzu leicht zu begeisternde
und dann, oft genug zum Gespött der Beschauer, weithin sichtbar
wie eine Strohfackel brennende Enthusiast, der er von Kindesbeinen
an gewesen war und nun auch wohl bis zu seinem Grabe bleiben
würde. Die Edelzucht-Steckrübe „Karl der Große" hatte er seiner-
zeit in seinem Gartenverein ebenso fanatisch propagiert wie kurz da-
nach die kernlose Kirsche „Riesenfaust", und beide Objekte hatten
denen, die sich von Möller hatten anstecken lassen, mächtige Lerein-
fälle gebracht, was hinwiederum Fritze Möllern kräftige Anfeindun-
gen eingetragen hatte. Das hatte ihn aber nicht abgeschreckt, die
Garten-Walderdbeer-Veredlung „Titan" versuchsweise selber im großen
anzubauen; das heißt,
im großen: vier Beete
hatte er nur, aber in
diesem Jahre gab es
eben auf allen vier Möl-
lerbeeten ausschließlich
die Titan, oder vielmehr,
es gab sie nicht, denn
der Möller-Boden war
für sie ungeeignet, wie
Fritze viel zu spät her-
ausfand, und sie schoß
nur ins Kraut und zei-
tigte keinerlei genieß-
bare Früchte. Und wie
in Dingen der Natur,
so war Fritze Möller
auch in allem anderen:
Er setzte sich ganz ein-
fach ein, wenn eine Er-
findung oder eine Ver-
besserung oder eine
Neuerung oder auch eine
besonders geschickt an-
gepriesene, im übrigen
aber uralte Sache ihn
überzeugte. And zu über-
zeugen war er halt sehr
leicht. So trank er seit
nunmehr vierzehn Ta-
gen literweise den Za-
chariasbrunnen, einen
natürlichen Säuerling
290
von widerwärtigem Beigeschmack, der aber für ein Gemüt wie das
Fritze Möllersche gerade durch diese Scheußlichkeit den Beweis einer
besonderen Leilkraft erbrachte. Fritze Möller schwor, das an sich
selber zu spüren, und er ließ auf seinen Reisen — er reiste von Be-
rufes wegen für eine Patentmatratzenfabrik in ganz Deutschland
umher — die Katarakte seiner wildschäumenden und überdies noch
in Kursen geschulten Beredsamkeit derartig auf die Mitreisenden
niederbrausen, daß Georg Kultzsche, der Besitzer jener Zacharias-
quelle, die er beim Abreißen eines alten Schuppens in seinem Garten
zufällig entdeckt hatte, tagaus, tagein Zuschriften kriegte von neu-
gewonnenen Interessenten, die sich samt und sonders auf einen ge-
wissen Fritz Möller, da und da wohnhaft, beriefen und auf die
großartigen Erfolge, die jener an sich selbst mit dem Zachariasbrun-
nen erzielt hatte. Keiner staunte über diese Leilerfolge mehr als
Georg Kultzsche selber,
der selber nie einen
Tropfen seines Mira-
kelquells trank, weil ihm
nach dem Genuß ganz
einfach schlecht werden
würde, er hielt sich mehr
an gutgekühlte, umfang-
reiche Lelle. „Wissen
Sie," sagte er an einem
sonnenfrohen Sonn-
abend, als er die Ver-
sandliste der Woche
überprüfte und eine
abermalige, kräftige
Steigerung des Um-
satzes feststellen mußte,
zu seiner Sekretärin, die
er seit kurzem eingestellt
hatte, da der Schrift-
kram sich mehrte, „wissen
Sie, diesen Möller, die
verrückte Nudel, die
möchte ich wirklich mal
kennen lernen! Ist der
Mann nun tatsächlich
so stark überzeugt von
unserem Wasser, oder
was steckt da eigentlich
dahinter? Das möchte
ich mal Herauskriegen I"
„Ich glaube, er glaubt,
was Sie selber nicht
„Das gelingt Ihnen nicht, Lerr Krengler; da gehe ich jede Wette ein."
„Wetten Sie doch mit dem Kollegen Zobel! Dann habe ich wenigstens
die Genugtuung, daß auf jeden Fall einer von Ihnen verliert."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das gelingt Ihnen nicht, herr Krengler..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1941
Entstehungsdatum (normiert)
1936 - 1946
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 195.1941, Nr. 5023, S. 290
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg