Fliegende Blätter (195.1941 (Nr. 5005-5030) = 97. Jahrg.)

„Ich fürchte. Liebster, mein Vater wird nichts von dir
wissen wollen, wenn du zu ihm kommst."

„Ich fürchte eher, er wird zu viel wissen wollen."

SEHNSUCHT

Der Stabnehmer V°-> Alfred R,ch<er

Es ruft einer beim Gaswerksbüro an:
„Fräulein, sagen Sie mal, was ist eigent-
lich ein Stabnehmer?"

„Ein Stabnehmer? Kenn' ich nicht!"

„Na, Sie sind gut! Sie annoncieren es
doch in der Zeitung!"

„Wer?"

„Sie! Das Gaswerk!"

„Ich bin doch nicht das Gaswerk, mein
Lerr, das möcht' ich mir ausgebeten
haben, ja?"

„Aber Fräulein, nun schnappen Sie
doch nicht gleich ein, wenn ich Sie beruf-
lich etwas frage. Schließlich sind Sie
doch dazu da, den Abnehmern des Gas-
werks dienstliche Auskünfte zu geben!"

„Die gebe ich auch jederzeit."

„Dann sagen Sie mir also, bitte, end-
lich, was Sie unter einem Stabnehmer
verstehen."

„Einen Stabnehmer gibt es nicht,
mein Lerr."

„Wenn hier in der Zeitung die Gas-
werksleitung eine dicke Sache über Stab-
nehmer schreibt, dann wird es diese Stab-
nehmcr ja wohl auch geben, sollte ich
meinen, wie? And wenn Sie über die
Sache sonderbarerweise nicht orientiert
sind,dann müssen Sie sich eben erkundigen!"

Das Fräulein deckt verblüfft die
Muschel mit der Land zu und fragt
möglichst leise eine vorübergehende An-
gestellte: „Pst, was ist denn ein Stab-
nehmer —? Aber bitte fix, da wartet
einer und schnauzt schon mächtig."

„Skabnehmer? Keine Ahnung I Führen
wir denn das: Stabnehmer, oder wie
sagten Sie?"

„Stabnehmer!"

„Kenn' ich nicht, den Artikel. Fragen
Sie doch mal bei der Materialabteilung
an. Oder bei der Verkaufsabteilung,
oder — —"

Es kommen noch drei andere hinzu.
Da bemerkt der Abteilungsvorsteher die
Ansammlung und pirscht sich an sie heran.
„Nun,meine Damen? Was gibt's denn?"

„Wir wissen nicht, was ein Stabneh-
mer ist, Lerr Möller."

Nun schweigt das grünverschattete Zimmer dort oben
im Wald:

wir sind ja weg, und was gestern noch warm war, ist
finster und kalt.

Du meine Sehnsucht nach dem verbreiteten Grün,
den spätreifenden Rosen, die über Nacht noch erblühn
und welken werden, bis daß ihre Blätter sie fallen
lassen ins Gras, das dahin wächst, allen

Der Abteilungsvorsteher macht große
Augen. „Stabnehmer? Sagten Sie Stab-
nehmer? Ist das ein Gegenstand? Wie
kommen Sie überhaupt daraus?"

„Es hat einer angerufen, was ein Stab-
nehmer wäre. Es stände was darüber in
der Zeitung."

„Das geht uns doch nichts an hier beim
Gaswerk, wen» ein Stabnehmerroman —"

„Nein! Kein Roman! Eine Anzeige!

Unser Gaswerk hätte Stabnehmer annon-
ciert!"

„Fräulein Molle, da verklapst Sie einer. Geben Sie mir mal den
Lörer, ich will selber mal mit ihm sprechen — hallo, sind Sie »och da?"

„Jawohl. Ich warte schon seit genau 13 Minuten auf Antwort.
Ich will wissen, was ein Stabnehmer ist. Äier steht was davon in
der Zeitung."

Die Nacht schleicht um das verschlossene Haus, die Eulen,
die weichhin das Dunkel durchstreichenden, klagen,
die wachsamen Hunde lauschen und heulen,
und wenn aus der Tiefe des Tals der Wind streicht, tragen
die Bäume den rauschenden weiter und ragen
dann wieder still unter blitzenden Sternen:
o, ihr-mir schon wie in Träumen fernen,
kann ich euch denn verbannt auch nur meine Sehnsucht
sagen ?

den kleinen Vögeln, die zwitschernd auf Zweigen sich
wiegen,

den schwarzen Eichhörnchen, wie sie schwingende Fichten-
fittiche biegen,

meinen Erlen am gleitenden Wiesenrand
und dem in die Wolken wandelnden Gipfelband!
Ach, ich bin wieder von traurigen Mauern umrungen,
und das Horn meines Herbsts hat den Tod sich
er sangen l

Richard von Schaukal

„Mein Äerr, ist es auch eine hiesige Zeitung? And eine von
heute? Ich meine, nicht wahr: man vergreift sich manchmal."

„Ich habe mich gar nicht vergriffen. Vergreifen bloß Sie sich
nicht im Ton, verstanden: Lier vor mir auf dem Tisch liegt die neuste
hiesige Zeitung, und darin steht groß und breit auf Seite 7 — warten

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