Aschendorps Automat
Von Peter Robinson
Den Nutzen der Automaten wird wohl niemand bestreiten; sie
ersparen manche Mühe und Schererei. Man denke nur, welche Um-
stände es auf einem großen Bahnhof geben würde, wenn alle die
Leute, die nur auf den Bahnsteig wollen, sich auch noch in das Ge-
dränge vor den Fahrkartenschaltern einreihen würden, bloß um für
10 Pfennig eine Bahnsteigkarte zu kaufen.
Ein Erfinder der Automaten läßt sich wohl nicht Nachweisen. Viel-
leicht hat es schon im Altertum hier und dort primitive Einrichtungen
dieser Art gegeben, denn durch das Gewicht eines Geldstücks eine
Sperrvorrichtung auszulösen, lag ja nahe, zumal man früher ja viel
schwerere Münzen hatte. Die heutigen Automaten kamen in Masse in den
80er Jahren des vorigen Jahrhunderts auf, zunächst hauptsächlich als
wesentliche Förderung des Schokoladenkonsums in kleinen Mengen.
Aber schon lange Jahre vorher war Christian Aschendorp darauf
verfallen, ganz selbständig einen Automaten zur Erleichterung eines
bestimmten Verkaufsvorgangs zu bauen und in seinem Lokal aufzu-
stellen oder vielmehr mitten aus den großen Stammtisch zu setzen.
Das Lokal war die kleine Kneipe „Zu den 7 Provinzen", an die
heute nichts mehr, aber auch gar nichts mehr erinnert, denn in-
zwischen hat die Gegend dort an dem großen Fluß ganz nahe der
See sehr viel erlebt, ja auch durch-
gemacht, wovon nur erwähnt sei,
daß gerade dort, wo einst am Afer
die „Sieben Provinzen" lagen, in
allerneuester Zeit einmal auf dem
Fluß ein deutsches Kriegsschiff die
sehr bedeutsame weltgeschichtliche
Geschehnisse einleitende Beschie-
ßung eines unverschämter Weise
errichteten fremden Depots vor-
genommen hat.
Christian Aschendorp hatte es
nicht nötig, die Kneipe zu betrei-
ben. Er hatte sich als Kapitän,
lange Jahre auf der Ostsee fahrend,
ein kleines Vermögen erworben
und sich damit zur Ruhe gesetzt —
bei seinem Bruder, dem Wirt der
„Sieben Provinzen". Aber schon
nach einem Jahre starb der Bruder,
und Christian war sein Erbe. Er
behielt die Kneipe, weil er gewöhnt
war, dort seine Abende zu ver-
bringen und keine Lust hatte, ein
anderes Lokal aufzusuchen. So
konnte er auch einigen alten Stamm-
gästen die gewohnte abendliche Er-
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holungsstätte erhalten. Diese Gäste waren durchweg Leute, die mit
der Seefahrt in Beziehung standen.
Es war sehr gemütlich in den „Sieben Provinzen". Za, so be-
haglich konnte man sich dort fühlen, daß man gar nicht hätte Weg-
gehen mögen. Aber genau um 11 Uhr 10 Minuten schloß Christian
Aschendorp, denn dann wollte er ins Bett. Und es war dann ja auch
schon fast zu viel geredet und beinahe genug getrunken und geraucht
worden. Man rauchte aus langen Pfeifen, die man dort ein für
allemal stehen hatte. Nur den Tabak brachte man mit, aber das
wurde manchmal vergessen, und dann mußte Aschendorp aushelfen,
und dadurch kam er auf seinen Automaten. Er nahm einen hübschen
Kasten aus schwarz gebeiztem Eichenholz mit aufklappbarem Deckel
und versah diesen Deckel mit einem Laken, der im Innern des
Kastens in ein mit Angeln leicht beweglich angebrachtes, von einer
Feder in entsprechender Lage gehaltenes Blechstück einschnappen
konnte. Die Feder aber — das war der schwierigste Teil der Kon-
struktion und kostete vieles Probieren — war gerade so schwach, daß
sie dem Gewicht eines Geldstücks nachgab, wodurch dann das Blech-
stück etwas hochklappte und den Laken sreigab. Zum Einwersen des
Geldstücks war natürlich ein Schlitz im Deckel. Das Geldstück aber
stellte den 100. Teil eines Talers
dar, nach dem damals gerechnet
wurde, und der überhaupt Thaler
geschrieben wurde; es mutzte ein
Dreipfennigstück sein, ein Dreier.
„Da haben wir das Ding!"
sagte Aschendorp, als er mit der
Bastelei fertig war. Denn auf die
Bezeichnung Automat wäre er
natürlich nie und nimmermehr ver-
fallen. Jetzt kam die Füllung:
Aschendorp tat Tabak in den Kasten,
sehr guten Tabak — „Petum Opti-
mum" hieß die Sorte, die damals
bei kundigen Rauchern recht be-
liebt war. So — fertig! Wer nun
von seinen Gästen Tabak wünschte,
der brauchte nur einen Dreier ein-
zuwerfen, dann konnte er den Kasten
öffnen und seine Pfeife stopfen.
Daß nachher der Deckel wieder
zugeklappt werden mußte, war
eine selbstverständliche Verpflich-
tung.
Aschendorps sinnreiche Kon-
struktion fand den allgemeinen
Beifall seiner Gäste und wurde
„Du bist 'reingefallen! Ich habe ja schon ein gleiches,
und darin findest du mich sehr hübsch."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Würde ich dir in dem Kleide gefallen, Rudi?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1941
Entstehungsdatum (normiert)
1936 - 1946
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 195.1941, Nr. 5028, S. 370
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Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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