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Aschendorps Automat

eifrig benutzt, ja sogar öfter, als eigentlich nötig war, denn mancher,
der feinen Tabaksbeutel mithatte, versah sich doch aus dem Kasten,
weil ihm das Spaß machte. And zu dem Spaß kam noch der Am-
stand, daß „Pskurn Optimum" zu schätzen und sonst nicht so billig war.

Ja, da war also eine nützliche Einrichtung geschaffen worden.
Aber wie das immer so ist: wenn eine nützliche Einrichtung auftaucht,
findet sich bald einer, der sie mißbraucht, wobei mit dem Mißbrauch
immer ein Vorteil herausgeschlagen werden soll. Als mißbrauchender
Benutzer des Aschendorpschen Automaten trat Daniel Skibbe auf,
der „Ship-Chandler". So wurde damals sein Gewerbe genannt; in
der Neuzeit kam dann die etwas umständlichere Bezeichnung „Ländler
mit Schiffsausrüstungsgegenständen jeder Art" dafür aus. 30 Jahre
lang hatte Daniel Skibbe mit Segeln und Tauwerk, mit soliden
Ankerketien und beinahe ebenso hartem Schiffszwieback gehandelt;
sein Geschäft hatte geblüht und ihm reiche Früchte getragen. Jetzt
versahen es seine beiden Söhne, aber er Paßte scharf aus. Er hatte
es also wahrhaftig nicht nötig, ängstlich zu sparen und sich irgend
etwas abgehen zu lassen, aber er war doch mit Leidenschaft daraus
bedacht. Er gönnte sich immer nur ein einziges Glas Grog abends
in den „Sieben Provinzen" — allerdings ein großes, denn kleine gab
es da überhaupt nicht — und rauchte dazu ganz miserablen Tabak.
Nun aber war der vortreffliche „Petum optimum“ da, und ein Pfeifen-
kops voll davon war sür einen Dreier zu haben. Also benutzte Skibbe
den Automaten, aber er stopfte die Pfeife so fest, daß er nachher
kaum ziehen konnte, und vor Anstrengung ihm die Backen schmerzten.
Seine von den Tischgenossen wohl bemerkte übermäßige Versorgung
mit Tabak wurde unter diesen Amständen nicht einmal mit Anwillen
ausgenommen, da er so, ein mühsam arbeitender menschlicher Va-
kuumsauger, doch stille Leiterkeit weckte.

„Sie haben zehnmal geklingelt, mein Lerr. Aus einmal Klingeln
kommt das Zimmermädchen, aus zweimal das Etagenmädchen, aus
dreimal der Kellner und aus viermal der Lausdiener."

„Quatsch! Ich Hab doch bloß zehnmal nach Ihnen geklingelt."

Aber selbst eine ganz fest gestopfte, ordentlich voll gestampfte
Pfeife ist einnial ausgebrannt, und Daniel Skibbe kämpfte dann mit
sich, ob er wirklich noch einmal einen Dreier hingeben sollte. Sparte
er den Dreier, dann quälte ihn der Appetit auf „Petum optimum“,
und gab er diesem nach, dann ärgerte ihn der ausgegebene Dreier.
Wer zu kämpfen hat, soll dabei auch Nachdenken, und das tat Skibbe.
Eines Abends stopfte er kurz vor dem Aufbruch scheinbar überflüssiger
Weise, wie in Gedanken, noch einmal die Pfeife und nahm sie dann
mit der Erklärung, daß am nächsten Tage der Rest, der sogenannte
Polack, ja doch nicht schmecken würde, auf den Leimweg mit. Am
nächsten Tage brachte er zwar die Pfeife wieder, aber nun hatte sie
einen anderen Kopf. Er hätte, brummte er, Pech gehabt und gestern,
als er seine Laustür aufschloß, den alten, so wunderschön angerauch-
ten Kopf zerschmissen, und nun hätte er die Plage, einen neuen an-
zurauchen. Er führte aber nicht weiter aus, daß diese Plage erheblich
sein würde wegen der außerordentlichen Größe des neuen Kopfes;
auf diesen Amstand noch besonders hinzuweisen, schien ihm nicht an-
gebracht. An sich freilich war dieser Pfeifenkopf wohl der Aufmerk-
samkeit wert, und man hätte gern gewußt, wo Skibbe ihn wohl auf-
getrieben haben mochte, denn im gewöhnlichen Lande! war solch ein
Maß nicht zu haben .Vielleicht war es ein Stück einer studentischen
Renommierpfeise.

Daniel Skibbe warf einen Dreier ei», öffnete den Kasten und
stopfte seine Pfeife, wobei er sich bemühte, nicht das Behagen merken
zu lassen, mit dem er das vielleicht Drei-, wenn nicht gar Vierfache
der sonst üblichen Tabaksmenge stopfte und immer noch stopfte.

Die Tischgenossen sahen zwar aufmerksam zu, aber ohne Miß-
billigung zu verraten. Sie selbst entnahmen im Bedarfsfälle dem
Tabakskasten, was ihnen für einen Dreier zukam; wenn Skibbe dabei
jetzt exzedierte, so war das nicht ihre Angelegenheit, denn ihnen ge-
hörte der beraubte Kasten ja nicht. Nur der emeritierte Lotsenkom-
mandeur Reimers, ein engerer Freund Aschendorps und an dessen
Nachteil denkend, meinte leicht ironisch: „Donner, da geht ja ordent-
lich was 'rein!"

Daniel Skibbe überhörte die Ironie. Er suehte einen ausreichenden
Grund für sein Verfahren anzugeben: „Na ja, da muß man nich'
alle Nas' lang stopfen. Is ja umständlich!"

„Stimmt! Ist auch umständlich, alle Nas'lang 'nen Dreier 'rein-
zuschmeißen."

Aber das traf nicht. Skibbe hatte ein dickes Fell; er nickte, als
hätte Renners das gerade ihm zur Rechtfertigung bemerkt.

Christian Aschendorp sagte nichts. Er hatte seinen Gästen den
Kasten hingestellt mit der Abmachung, daß die Füllung einer Pfeife
einen Dreier kosten sollte. Wenn einer das ungebührlich ausnutzte —
nun, den kleinen Schaden konnte er tragen. And Daniel Skibbe
würde ja wohl auch der einzige sein.

Daß er dieser einzige war, erhöhte Skibbes Behagen am Genuß
seiner Großraumpfeife. Ja, er war eben gerissener als die anderen
und unbekümmerter, einen Vorteil wahrzunehmen. Eine ganze Woche
lang erfreute ihn dieses Bewußtsein.

Dann aber kam ein Sonnabend. Da erschien Skibbe immer als
letzter in den „Sieben Provinzen", denn er ließ sich vorher von
seinen Söhnen über die Geschäfte der Woche berichten. Diesmal
wartete man mit Spannung auf ihn. Denn Lotsenkommandeur
Reimers hatte auch einen neuen Pseifenkopf mitgebracht, den man
eher als Tabaksofen hätte bezeichnen mögen, wenn man seine Be-
sonderheit nicht kannte. Von dieser hatte die Tafelrunde mit Ver-
gnügen Kenntnis genommen: Reimers hatte um einen normalen
Pfeifenkopf von einem kunstfertigen Töpfer einen dicken Mantel aus
Gips legen lassen, wodurch mit gewaltigem Außenmaß auch ein ent-
sprechendes Fassungsvermögen des gigantischen Kopfes vorgetäuscht
wurde.

Skibbe stellte sich ein, stopfte seine Pfeife und tat die ersten ent-
zündenden Züge. Lotsenkommandeur Reimers, der ihm gegenüber
am anderen Ende des Tisches saß, rief ihn an: „Sehen Sie mal
her, Skibbe!" And dabei hob er seine Pfeife und ließ den Monstre-
kopf über der Tischplatte auftauchen. „Fein, was?"

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Was wollen Sie denn alle?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Reinhardt, Franz
Entstehungsdatum (normiert)
1938 - 1938
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

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Digitales Bild
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Fliegende Blätter, 195.1941, Nr. 5028, S. 372

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