Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das erste graue Laar

Die böhmische Köchin nickte:

„Ganz meiner Meinung — werd ich jetzt nur noch denken an
Knödlitschki und Buchtitschkis und Kolatschi —"

Die Mollige hielt das weiße Laar in der Land, rollte es zu-
sammen, öffnete die Ofentür und warf es kurz entschlossen ins Feuer.

„Ja," sagte sie, „Knödeln und Buchtel» und Küchelchen! Warum
auch nicht? Endlich kann ich mich einmal wieder richtig sattesten!"

Der große Star

Der große Revuestar saß in seiner Garderobe.

Es klopfte. Der Pressechef trat ein.

„Sie haben mich rufen lassen. Miß Wonderful?"

„Ich will Ihnen ein Geheimnis anvertrauen."

„Vertrauen Sie an!"

„Ich trage seit heute graues Laar."

„Blaues?"

„Nein. Graues."

Der Pressechef schwang den Bleistift.

„Wundervoll, Miß Wondcrful! Ich werde sofort an alle Zeitungen
Berichte gehen lassen, daß sich unser großer Revuestar Miß Wonder-
sul von der Bühne ins Privatleben zurückzieht, weil sie ein graues
Laar an sich entdeckt hat. Darauf wird es Anträge hageln."

„Sind Sie verrückt geworden?"

„Ich verstand es so. Miß Wonderful."

„Dann verstanden Sie miß! Ich habe kein graues Laar an mir
entdeckt. Ich kreiere eine neue Mode. Labe ich nicht alle Laarmoden
Europas geschaffen? Platinblond mit Engelsgesicht? Kastanienbraun
mit verderbt? Biauschwarz mit Vamp? Flachsblond mit Komtesse?
And dieses Jahr wird eben graues Laar mit Lausfrau die große
Mode werden!"

Der Pressechef beugte sich vor und flüsterte leise:

„Eine Frage, Miß Wonderful — die graue Strähne, die dort
silbern aus Ihrem Laar quillt-ist sie echt?"

Die Stimme des Stars war eisig und kam wie aus einem Kühlkasten:

„Sie irren, mein Lerr! Die graue Strähne ist selbstverständlich der
erste Versuch meines Friseurs."

Die Zerstreute.

Es war in Wien, in einer Frauenkonditorei am Naschmarkt. An
einem kleinen runden Tisch saß die beste Freundin und löffelte Eis.
Die allerbeste Freundin nahte ihrer besten Freundin.

„Servus, Gerdi! Wartest du schon lange?" — „Aus wen, Kitty?"

„Auf mich, Gerdi! Ich weiß, ich hatte dir versprochen, am Vor-
mittag hier zu sein, aber ich hatte es ganz durcheinander gebracht
und komme erst jetzt am Nachmittag."

390

Die beste Freundin nickte:

„Ja. Du wolltest vormittags kommen, aber am Mittwoch. And
heute ist Donnerstag."

„Richtig. Richtig. Verzeih! Ich bin so zerstreut! Ich will mir hier
nur schnell meinen Schirm abholen, den ich mit dir hier vergessen
habe."

„Erstens war es nicht dein Schirm, sondern mein Schirm, Kitty!
Zweitens hast du ihn nicht hier vergessen, sondern beim Gerstner.
Drittens hast du ihn nicht stehen gelassen, sondern aus Versehen
mitgenommen, und viertens hast du ihn mir längst wieder gebracht."

Die Zerstreute lächelte verzweifelt.

„Das habe ich auch wieder vergessen! Ich habe ja so viel im
Kopf! Ich bin ja so unglücklich! Ich habe so einen großen Kummer!
Das muß ich dir erzählen! Was war es denn nur? Jetzt habe ich
es schon wieder ganz vergessen!"

„Ist es das, was du mir seit einem Jahr immer erzählen willst
und jedesmal wieder vergißt?"

„Ja. Das ist es."

' „Vor einem Jahr kamst du ganz aufgelöst und aufgeregt zu mir,
und plötzlich wußtest du es nicht mehr. Das ist jetzt haargenau ein
Jahr her."

Die allerbeste Freundin schrie auf:

„Laargenau! Laargenaul Das ist es! Jetzt weiß ich es wieder.
Also, was sagst du zu meinem Schmerz? Ich habe mein erstes graues
Laar entdeckt!"

Die beste Freundin lächelte:

„Aber Gerdi! Das hast du mir doch schon vor zwei Jahren erzählt!"

„Wirklich? Das habe ich schon wieder ganz vergessen."

Die Mutter.

Die Kinder lärmten um den Küchentisch.

„Mutter! Mutter!"

„Was denn, Kinder?"

„Du hast ein graues Laar, Mutter!"

Die gute Mutter lächelte sanft.

„Eines? Viele, sehr viele. Ich weiß es schon lange. Wenn man
große und viele Kinder hat, darf man auch getrost graue Laare
haben. Ich bin stolz auf meine grauen Laare. Jedes von ihnen ist
eine Sorge um euch, eine durchwachte Nacht an euerm Bett, ein
Kummer wegen euch."

„And wenn du dich über uns ärgertest, Mutter, wuchs dir da
auch ein graues Laar?"

Die Mutter strich den Kindern zärtlich über den Kopf.

„Ich habe mich nie über euch geärgert," sagte sie, „ich habe euch
immer lieb gehabt."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Nehmen Sie Jsi Haarwuchsmittel..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum
um 1941
Entstehungsdatum (normiert)
1936 - 1946
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 195.1941, Nr. 5029, S. 390

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen