o
Die Heiratsanzeige
Von Alfred Richter
Edmund Schreck hatte es satt. Er wollte wieder heiraten. Aber
die Laushälterin brauchte vorerst nichts zu merken. Vielleicht schmiß
sie sonst vorzeitig den Schlüsselbund hin. wer weiß es? „Diese Frauen-
zimmer," knurrte Edmund Schreck, „sind unberechenbar." Er stiefelte
zu seinem Freunde Karl und legte ihm seine Absicht dar. Karl schaute
ihn verwundert an. „Aber warum heiratest du denn nicht einfach
deine Haushälterin? Das ist doch eine ansehnliche Person, und tüch-
tig ist sie auch, wie du selber sagst!"
„MeineÄaushälterin,"unterbrach ihn Edmund und ließ die schon sachte
angegrauten Augenbrauenbö-
gen steigen, „hat einmal einen
großen Kummer erlebt. Das
weiß ich. Sie wird niemals
heiraten. Sie liebt ihre Frei-
heit, das sagt sie alle paar
Minuten."
„Na na, na na," meinte Karl,
„nu übertreibe bloß nicht! Aber
gut, ich habe keinen Grund, dir
zuzureden. Du wirst wahrschein-
lich schon anderweit — wie?"
„Unsinn," brummte Edmund,
„bin ich einer, der herumpous-
stert? Ich will eine Anzeige
loslassen, und da sollst du ver-
mitteln."
„Ich? Warum willst du es
denn nicht aus deinen Namen
machen? Fange doch nicht gleich
mit solcher Feigheit an!"
„Quatsch! Meine Laushälte-
rin soll nicht die Briefe in
Empfang nehmen, die dann
kommen, sonst merkt sie ja alles!
Begreifst du nicht?"
„Also gut," seufzte Karl,
„mach's, wie du's für richtig
hältst. Chiffreanzeige doch na-
türlich, was? In Ordnung. And
ich hole dann die Briefe für
dich ab."
„Du mußt natürlich auch in
meinem Namen antworten,
wenn ich gewählt habe," er-
klärte Edmund, „begreife doch
nur: Gebe ich der Partnerin
meine richtige Anschrift bekannt,
dann gelangt ihre Antwort
automatisch in meine Wohnung, und das gerade will ich doch ver-
meiden! Köpfchen, Karl, Köpfchen!"
„Schön, Köpfchen. Vielleicht muß ich dann auch noch an deiner
Statt heiraten, wie?"
„Das nicht," sagte Edmund, „heiraten tue ich sie dann selber. Ich
muß nur erst die Nichtige finden." — And also ließen sie die Such-
anzeige los. Es kamen auch viele Briefe, aber keiner war so herzens-
warm wie dieser eine, und auf diesen einen einigten sich die beiden
Freunde. „Regina Würzbacher klingt ganz gut," philosophierte der
zukünfttge Bräutigam, „be-
ziehungsweise: Regine Schreck.
Ob ihr mein Name gefällt?"
„Du mußt sie fragen," sagte
Karl, „also, nun muß das erste
Rendez-vous verabredet wer-
den." Die beiden Leiratsinse-
renten und — Interessenten
trafen sich im Cafe Ludwig und
schauten sich prüfend in die
Augen: Fand jeder in dem an-
deren, was er suchte? And dann
reichte Edmund seinen sehr
schönen und recht teuren Blu-
menstrauß dar und verbeugte
sich und sagte, wie er es gewöhnt
war: „Edmund Schreck." Doch
kaum hatte er den Namen
heraus, als Regine Würzbacher
zurückfuhr, als hätte sie in eine
glühendeNadel gefaßt. „Was?"
fuhr sie ihn an, „Sie sind gar
nicht der Herr Karl Forberger?
And ausgerechnet Edmund
Schreck?" Edmund ward ab-
wechselnd rot und blaß, der
Angstschweiß brach ihm aus.
Er wollte sich entschuldigen,
aber die Dame war zu tief
empört. Sie würdigte ihn keines
Blickes mehr, drehte auf dem
Absatz um und verließ den Ort
ihrer Enttäuschung. Edmund
aber kehrte ganz erschüttert zu
seinem Freunde Karl zurück
und gestand ihm, was er ver-
patzt hatte.
Karl schaute ihn aufge-
bracht an. „Köpfchen, Edmund,
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Die Heiratsanzeige
Von Alfred Richter
Edmund Schreck hatte es satt. Er wollte wieder heiraten. Aber
die Laushälterin brauchte vorerst nichts zu merken. Vielleicht schmiß
sie sonst vorzeitig den Schlüsselbund hin. wer weiß es? „Diese Frauen-
zimmer," knurrte Edmund Schreck, „sind unberechenbar." Er stiefelte
zu seinem Freunde Karl und legte ihm seine Absicht dar. Karl schaute
ihn verwundert an. „Aber warum heiratest du denn nicht einfach
deine Haushälterin? Das ist doch eine ansehnliche Person, und tüch-
tig ist sie auch, wie du selber sagst!"
„MeineÄaushälterin,"unterbrach ihn Edmund und ließ die schon sachte
angegrauten Augenbrauenbö-
gen steigen, „hat einmal einen
großen Kummer erlebt. Das
weiß ich. Sie wird niemals
heiraten. Sie liebt ihre Frei-
heit, das sagt sie alle paar
Minuten."
„Na na, na na," meinte Karl,
„nu übertreibe bloß nicht! Aber
gut, ich habe keinen Grund, dir
zuzureden. Du wirst wahrschein-
lich schon anderweit — wie?"
„Unsinn," brummte Edmund,
„bin ich einer, der herumpous-
stert? Ich will eine Anzeige
loslassen, und da sollst du ver-
mitteln."
„Ich? Warum willst du es
denn nicht aus deinen Namen
machen? Fange doch nicht gleich
mit solcher Feigheit an!"
„Quatsch! Meine Laushälte-
rin soll nicht die Briefe in
Empfang nehmen, die dann
kommen, sonst merkt sie ja alles!
Begreifst du nicht?"
„Also gut," seufzte Karl,
„mach's, wie du's für richtig
hältst. Chiffreanzeige doch na-
türlich, was? In Ordnung. And
ich hole dann die Briefe für
dich ab."
„Du mußt natürlich auch in
meinem Namen antworten,
wenn ich gewählt habe," er-
klärte Edmund, „begreife doch
nur: Gebe ich der Partnerin
meine richtige Anschrift bekannt,
dann gelangt ihre Antwort
automatisch in meine Wohnung, und das gerade will ich doch ver-
meiden! Köpfchen, Karl, Köpfchen!"
„Schön, Köpfchen. Vielleicht muß ich dann auch noch an deiner
Statt heiraten, wie?"
„Das nicht," sagte Edmund, „heiraten tue ich sie dann selber. Ich
muß nur erst die Nichtige finden." — And also ließen sie die Such-
anzeige los. Es kamen auch viele Briefe, aber keiner war so herzens-
warm wie dieser eine, und auf diesen einen einigten sich die beiden
Freunde. „Regina Würzbacher klingt ganz gut," philosophierte der
zukünfttge Bräutigam, „be-
ziehungsweise: Regine Schreck.
Ob ihr mein Name gefällt?"
„Du mußt sie fragen," sagte
Karl, „also, nun muß das erste
Rendez-vous verabredet wer-
den." Die beiden Leiratsinse-
renten und — Interessenten
trafen sich im Cafe Ludwig und
schauten sich prüfend in die
Augen: Fand jeder in dem an-
deren, was er suchte? And dann
reichte Edmund seinen sehr
schönen und recht teuren Blu-
menstrauß dar und verbeugte
sich und sagte, wie er es gewöhnt
war: „Edmund Schreck." Doch
kaum hatte er den Namen
heraus, als Regine Würzbacher
zurückfuhr, als hätte sie in eine
glühendeNadel gefaßt. „Was?"
fuhr sie ihn an, „Sie sind gar
nicht der Herr Karl Forberger?
And ausgerechnet Edmund
Schreck?" Edmund ward ab-
wechselnd rot und blaß, der
Angstschweiß brach ihm aus.
Er wollte sich entschuldigen,
aber die Dame war zu tief
empört. Sie würdigte ihn keines
Blickes mehr, drehte auf dem
Absatz um und verließ den Ort
ihrer Enttäuschung. Edmund
aber kehrte ganz erschüttert zu
seinem Freunde Karl zurück
und gestand ihm, was er ver-
patzt hatte.
Karl schaute ihn aufge-
bracht an. „Köpfchen, Edmund,
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Einsteigen Richtung 1942"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1941
Entstehungsdatum (normiert)
1936 - 1946
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 195.1941, Nr. 5030, S. 402
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg