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Das Preisausschreiben

Von Alfred Richter

„Pffst!" sagte Mutti und schaute beschwörend auf die drei im
Kinderzimmer. Sie schwiegen auch sofort. Aber sowie Mutti draußen
war, begann die Kinderkonferenz. „Warum denn immer pffst?"
maulte Lannelore.

„Du bist aber frech! Wo Vati doch so arbeitet!" schulmeisterte
die Bärbel, die stets Vernünftige.

„Ich bin frech?" gibt Lannelore zurück und schlägt nach Bärbel.
Lorst, glücklich über dieses Startzeichen, geht sofort mit Püffen
zwischen die Schwestern. Rufe, Gepolter, ein stürzender Stuhl, und
sofort erscheint in der einen Tür mit einem Gesicht, als wäre ihr
die letzte Milch übergekocht, Mutti. In der anderen Tür aber steht
wie ein Donnergott der Vater. In der einen Land hält er eine
Illustrierte, in der anderen einen Zettel und einen Bleistift. Er
schaut auf die Kinder, die jäh verstummen, und er schaut auf seine
Frau. „Es geht um zehntausend Mark," sagt er und betont jede
Silbe, „ich habe es schon fast heraus. Aber das erlebt man ja nicht,
daß Ruhe gehalten wird!" Einen neuen Dolchblick in die Runde
der gesenkten Läupter schickend, zieht er sich zurück. In seinem Ler-
renzimmer ist eine so wunderbar gemütliche Anordnung, was nur
Männer zu schätzen wissen; Frauen verstehen das ja nicht. Auf dem
Schreibtisch liegen Bände eines Lexikons, Wörterbücher, Zitaten-
sammlungen, ein Band Schiller, Goethes Faust und ein Geographie-
werk, auf dem runden Tisch eine ausgeschlagene Kunstgeschichte und
eine dickleibige Weltgeschichte, ein offener Atlas. Ja, das alles
braucht man, wenn man schwierige Kreuzworträtsel löst. Vati ist
in dieser Fertigkeit seit langem ein Meister. Er weiß manchmal
ganz genau, wo man etwas findet, und wenn er es nicht
findet, sucht er eben so lange, bis er es doch noch findet. Wenn
Vati danach im Triumph sei-
ner Leistung das Laus ver-
lassen hat, erscheint Mutti tief
seufzend auf der Walstatt und
beginnt mit den verzwickten
Aufräumungsarbeiten, denn
wehe hintennach, wenn nicht
jedes Buch in den Regalen
an seinem richtigen Platze
steht!

Vater lauscht hinter der ge-
schlossenen Tür seines Zim-
mers noch ein paar Augen-
blicke, ob es im Kinderzimmer
auch wirklich ruhig geworden
ist, dann setzt er sich wieder
an seinen Schreibtisch und
sinnt, knobelt, grübelt weiter.

Mutter verweilt noch eine
Minute — sie hat gar keine
Zeit, sie muß doch kochen! —

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bei den Kindern und predigt auf sie ein, doch nun endlich wirklich
und ernstlich ganz still zu sein. Als sie Atem schöpft, bevor sie das
kollektive Drohungsschlußwort spricht, fragt Lannelore: „Mutti,
wenn Vati zehntausend Mark gewinnt, kriege ich dann den großen
Kaufmannsladen?"

„Du kriegst ihn," sagt Mutter.

„And ich mein Kriegsschiff?" fragt Lorst.

„Dein Kriegsschiff," nickt Mutter.

„And ich? Was kriege ich, wenn Lannelore und Lorst so viel
kriegen?" fragt Bärbel.

„Du kriegst auch was. Aber vor allen Dingen müßt ihr ruhig
sein, sonst kann Vati das Kreuzworträtsel nickt lösen, na, und wenn
er nicht die richtige Lösung einschickt, dann kriegt er nicht die zehn-
tausend Mark und ihr nicht eure Geschenke! Denkt doch, Kinder,
wie schön das wäre, wenn wir ein eigenes, kleines >Läuschen — ach!"
ihr Blick wird ganz versonnen und schweift in die Ferne, sie sieht
die Vorstadtgärten im Geiste vor sich, die Vögel fingen, die Bäume
flüstern miteinander im Wind, die Kinder spielen im Freien, unge-
fährdet, behütet und in gesunder Luft. Lerrlich! And warum sollte
es unmöglich sein, daß Vati tatsächlich den großen Preis gewinnt?
Zwar, er wird nicht der einzige sein, der die richtige Lösung findet,
o nein, unter vielleicht tausenden wird voraussichtlich gelost werden
müssen,.die alle die richtige Lösung fanden, aber Vati hat schon ein-
mal ein dickes Buch und ein andermal eine große Vase gewonnen,
und kann es sich da diesmal nicht vielleicht so fügen, daß-—

Mutti wird in ihren schönen Träumereien unterbrochen. Aus
dem Lerrenzimmer ertönt ein Wutschrei. Eine Faust drischt
auf die Schreibtischplatte, und Folianten poltern zu Bo-
den. Dann hört man Vater
eine Serie gröbster Aus-
drücke deutlich von sich geben.
Die Kinder kriechen in die
Ecken, Mutti stürzt entgeistert
und auf das Schlimmste gefaßt
zu ihrem Männe in seinen
Denkerraum: „Mein Gott,
was ist denn —?"

Stumm und entwaffnet steht
der große Rätsellöser da und
stiert bloß auf das Titelblatt
der Illustrierten, das er eben,
nachdem er mit der schweren
Arbeit fertig ist, zum erstenmal
genauer betrachtet hat. Er deu-
tet mit dem Finger auf das
Datum, und tonlos entfährt
es ihm: „Ist ja eine uralte
Nummer — wie kommt die
in mein Zimmer?"

Steuermänner „Fachmann?"

„Ja, sozusagen Kollege, bin am Finanzamt."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Steuermänner"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Entstehungsdatum
um 1942
Entstehungsdatum (normiert)
1937 - 1947
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 196.1942, Nr. 5031, S. 2
 
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