Peter tut es nicht anders
Bot« Michael Molander
Schön ist ein Zylinderhut, wenn man ihn besitzen tut. Än diesen
Vers mußte Lerr Müller denken, als er die schwarzglänzende Kopf-
bedeckung aus der eigens für sie bestimmten Schachtel herausnahm.
Lerrn Müller war es zwar weniger um den festlichen Zylinder, als
um die praktisch zum Tragen eingerichtete runde Schachtel zu tun.
Mit sichtlichem Stolz brachte er sie seiner Frau, die im Nebenzimmer
mit dem Packen eines Koffers beschäftigt war. Der zweijährige Peter
brachte soeben seinen Teddybär angeschleppt, der unbedingt mit ein-
gepackt werden sollte.
„Großartig I Er könnte gar nicht beffer hineinpassen. Nun ist auch
diese wichtige Frage gelöst, und du hast ihn immer gleich zur Land."
Lachend mußte Frau Müller den Erfindungsgeist ihres Mannes
anerkennen. —
Zwei Stunden später verstaute Lerr Müller Koffer und Zylinder-
schachtel im Gepäcknetz des
Zuges, der Frau und Kind
nach der nahen Kreisstadt zu
seiner Mutter bringen sollte,
während er selber aus beruf-
liche» Gründen der Ferienein-
ladung nicht Folge leisten
konnte. —
Einige Stationen später
stiegen in das bisher nur von
wenigen Reisenden besetzte
Abteil vier i» schwarze Braten-
röcke gekleidete Männer, von
denen einer eine in Wachstuch
gehüllte Fahne trug. Aus den
lauten und fröhlichen Reden
der Männer hatten die Mit-
reisenden bald erfahren, daß
die Vier eine Ehrenabordnung
des Gesangvereins,Larmonie'
bildeten. Anläßlich der Feier
Hochzeitsgeschenke
„Ich habe ein orientali-
sches Zimmer."
„Schwärmen Sie für orien-
talische Kunst?"
„Keineswegs."
„Warum haben Sie dann
so viele orientalische Sachen?"
Ich seufzte:
„Das sind lauter Äochzeits-
geschenke. Als ich heiratete,
war gerade Ausverkauf zu
unerhört günstigen Preisen im
Orientbazar."
des 25 jährigen Bestehens des besrsundeten Gesangvereins „Eintracht^
in Gundelfingen sollten sie ihren Verein würdig vertreten und dessen
Glückwünsche überbringen.
Je öfter der Zug hielt, desto fröhlicher wurde die Laune der vier
Sangesbrüder, denn auf jeder Station mußte die Stimme „geölt"
werden, was natürlich zur Hebung der Stimmung wesentlich beitrug.
In den mehr lauten als schönen Gesang, den die Männer immer
wieder anstimmten, fiel einer von ihnen nicht mit ein. Er konnte die
Fröhlichkeit seiner Sangesbrüder nicht teilen, ja, sie schien ihn sogar
zu stören. Angestrengt starrte er auf einen Zettel, den er vor sich in
den Länden hielt, wobei er die Lippen lautlos bewegte. Ab und zu
trocknete er sich mit einem riesigen bunten Taschentuch die Stirn.
Wenn die wilden Gesänge seine Gedanken jedoch zu sehr ablenkten,
hörten die Mitreisenden einzelne zusammenhanglose Worte, aus denen
unschwer zu entnehmen war,
daß ihr Sprecher eine Festrede
memorierte. Schon bald mußte
erjedoch einsehen, daß seine Be-
mühungen vergeblich waren,
und mit einem strafenden Blick
auf seine unbekümmerten Ka-
meraden nahm er seine Zylin-
derschachtel aus dem Gepäck-
netz und legte mit einem tiefen
Seufzer den Zettel sorgsam
auf den Bode» des Zylinders.
Obwohl die lustige» Sänger
viel zur Unterhaltung beige-
tragen hatten, war Frau
Müller doch froh, als die Vier
ausstiegen, denn auf Klein-
Peter hakte» sie eher beäng-
stigend als erheiternd gewirkt.
Als unser Festredner später
seinen Filzhut gegen den Zy-
linder vertauschen wollte, war
er entsetzt, in der Schachtel
statt der schwarzen Kopfbe-
deckung ein weißes — Kinder-
töpfchen vorzufinden. Sein
Verdacht wäre gewiß nicht
auf seineKameraden gefallen —
Mildernder Llmstand
„Lätten wir doch die Woh-
nung nie genommen! der
Rauch der Fabrik weht immer
hierher."
„Aber Männe, es ist doch
eine Marmeladefabrik!"
Konjunktur in Albion
„Das ist das Schöne an diesem Krieg: jeden Morgen, wenn man
vom bombensicheren Klub nach Lause fährt, sind die Aussichten ans
baldiges Kriegsende gefallen und die Rüstungsaktien gestiegen!"
Wahrsagen
„Versprochen? Versprochen ist gut! Was hat es denn gekostet?"
„Nicht der Rede wert. Einen Nickel oder zwei. Weiß nicht so
genau. Ich habe es ihr vorher gegeben. Lüttest hören sollen, wie da
ihr Mundwerk ging."
„Das glaub' ich ohnedies. And du wirst reich, nicht wahr, und
ein schönes, wunderbares Mädchen heiratet dich?"
Io eph schwieg beleidigt. „Na," sagte Lasatty und griff nach
Josephs großer, brauner Pratze, „komm mal her, nun will auch ich dir
mal weissagen." — „Laß den Blödsinn! Du und weissagen, hahaha!"
„Einen Sack voll Gold, wenn ich dir nicht die Wahrheit weissage.
Los! Gib her!" Joseph erstaunte und gehorchte. Lasatty schaute in
die derben Landlinien seines Freundes. „Lier steht," erklärte er und
84
deutete mit dem Finger irgendwohin, „die Alte hat dir durch ihre
Enkel beim Weissagen den Geldbeutel aus der Tasche stehlen lassen.
Stimmt's?"
Joseph fuhr mit beiden Pfoten in die Taschen und stülpte sie alle
um. Dann lief er fluchend und ohne Gruß davon. Wahrhaftig, er
war weg, der Geldbeutel!
Nachher traf ihn Lasatty wieder. „Na?" stieß er ihn in die
Seite, „bist du nun von deinem Glauben an das Wahrsagen kuriert?"
Stephan spielte mit einem Weidenstöckchen, in den Augen den
verräterischen Glanz des echten, unheilbaren Träumers, und erwiderte
in einem schönen, wenn auch aberwitzigen Stolz: „Da könnte ich dir
ja nun antworten: Warst es nicht du selbst, der mir ganz richtig
wahrgesagt hat?"
Bot« Michael Molander
Schön ist ein Zylinderhut, wenn man ihn besitzen tut. Än diesen
Vers mußte Lerr Müller denken, als er die schwarzglänzende Kopf-
bedeckung aus der eigens für sie bestimmten Schachtel herausnahm.
Lerrn Müller war es zwar weniger um den festlichen Zylinder, als
um die praktisch zum Tragen eingerichtete runde Schachtel zu tun.
Mit sichtlichem Stolz brachte er sie seiner Frau, die im Nebenzimmer
mit dem Packen eines Koffers beschäftigt war. Der zweijährige Peter
brachte soeben seinen Teddybär angeschleppt, der unbedingt mit ein-
gepackt werden sollte.
„Großartig I Er könnte gar nicht beffer hineinpassen. Nun ist auch
diese wichtige Frage gelöst, und du hast ihn immer gleich zur Land."
Lachend mußte Frau Müller den Erfindungsgeist ihres Mannes
anerkennen. —
Zwei Stunden später verstaute Lerr Müller Koffer und Zylinder-
schachtel im Gepäcknetz des
Zuges, der Frau und Kind
nach der nahen Kreisstadt zu
seiner Mutter bringen sollte,
während er selber aus beruf-
liche» Gründen der Ferienein-
ladung nicht Folge leisten
konnte. —
Einige Stationen später
stiegen in das bisher nur von
wenigen Reisenden besetzte
Abteil vier i» schwarze Braten-
röcke gekleidete Männer, von
denen einer eine in Wachstuch
gehüllte Fahne trug. Aus den
lauten und fröhlichen Reden
der Männer hatten die Mit-
reisenden bald erfahren, daß
die Vier eine Ehrenabordnung
des Gesangvereins,Larmonie'
bildeten. Anläßlich der Feier
Hochzeitsgeschenke
„Ich habe ein orientali-
sches Zimmer."
„Schwärmen Sie für orien-
talische Kunst?"
„Keineswegs."
„Warum haben Sie dann
so viele orientalische Sachen?"
Ich seufzte:
„Das sind lauter Äochzeits-
geschenke. Als ich heiratete,
war gerade Ausverkauf zu
unerhört günstigen Preisen im
Orientbazar."
des 25 jährigen Bestehens des besrsundeten Gesangvereins „Eintracht^
in Gundelfingen sollten sie ihren Verein würdig vertreten und dessen
Glückwünsche überbringen.
Je öfter der Zug hielt, desto fröhlicher wurde die Laune der vier
Sangesbrüder, denn auf jeder Station mußte die Stimme „geölt"
werden, was natürlich zur Hebung der Stimmung wesentlich beitrug.
In den mehr lauten als schönen Gesang, den die Männer immer
wieder anstimmten, fiel einer von ihnen nicht mit ein. Er konnte die
Fröhlichkeit seiner Sangesbrüder nicht teilen, ja, sie schien ihn sogar
zu stören. Angestrengt starrte er auf einen Zettel, den er vor sich in
den Länden hielt, wobei er die Lippen lautlos bewegte. Ab und zu
trocknete er sich mit einem riesigen bunten Taschentuch die Stirn.
Wenn die wilden Gesänge seine Gedanken jedoch zu sehr ablenkten,
hörten die Mitreisenden einzelne zusammenhanglose Worte, aus denen
unschwer zu entnehmen war,
daß ihr Sprecher eine Festrede
memorierte. Schon bald mußte
erjedoch einsehen, daß seine Be-
mühungen vergeblich waren,
und mit einem strafenden Blick
auf seine unbekümmerten Ka-
meraden nahm er seine Zylin-
derschachtel aus dem Gepäck-
netz und legte mit einem tiefen
Seufzer den Zettel sorgsam
auf den Bode» des Zylinders.
Obwohl die lustige» Sänger
viel zur Unterhaltung beige-
tragen hatten, war Frau
Müller doch froh, als die Vier
ausstiegen, denn auf Klein-
Peter hakte» sie eher beäng-
stigend als erheiternd gewirkt.
Als unser Festredner später
seinen Filzhut gegen den Zy-
linder vertauschen wollte, war
er entsetzt, in der Schachtel
statt der schwarzen Kopfbe-
deckung ein weißes — Kinder-
töpfchen vorzufinden. Sein
Verdacht wäre gewiß nicht
auf seineKameraden gefallen —
Mildernder Llmstand
„Lätten wir doch die Woh-
nung nie genommen! der
Rauch der Fabrik weht immer
hierher."
„Aber Männe, es ist doch
eine Marmeladefabrik!"
Konjunktur in Albion
„Das ist das Schöne an diesem Krieg: jeden Morgen, wenn man
vom bombensicheren Klub nach Lause fährt, sind die Aussichten ans
baldiges Kriegsende gefallen und die Rüstungsaktien gestiegen!"
Wahrsagen
„Versprochen? Versprochen ist gut! Was hat es denn gekostet?"
„Nicht der Rede wert. Einen Nickel oder zwei. Weiß nicht so
genau. Ich habe es ihr vorher gegeben. Lüttest hören sollen, wie da
ihr Mundwerk ging."
„Das glaub' ich ohnedies. And du wirst reich, nicht wahr, und
ein schönes, wunderbares Mädchen heiratet dich?"
Io eph schwieg beleidigt. „Na," sagte Lasatty und griff nach
Josephs großer, brauner Pratze, „komm mal her, nun will auch ich dir
mal weissagen." — „Laß den Blödsinn! Du und weissagen, hahaha!"
„Einen Sack voll Gold, wenn ich dir nicht die Wahrheit weissage.
Los! Gib her!" Joseph erstaunte und gehorchte. Lasatty schaute in
die derben Landlinien seines Freundes. „Lier steht," erklärte er und
84
deutete mit dem Finger irgendwohin, „die Alte hat dir durch ihre
Enkel beim Weissagen den Geldbeutel aus der Tasche stehlen lassen.
Stimmt's?"
Joseph fuhr mit beiden Pfoten in die Taschen und stülpte sie alle
um. Dann lief er fluchend und ohne Gruß davon. Wahrhaftig, er
war weg, der Geldbeutel!
Nachher traf ihn Lasatty wieder. „Na?" stieß er ihn in die
Seite, „bist du nun von deinem Glauben an das Wahrsagen kuriert?"
Stephan spielte mit einem Weidenstöckchen, in den Augen den
verräterischen Glanz des echten, unheilbaren Träumers, und erwiderte
in einem schönen, wenn auch aberwitzigen Stolz: „Da könnte ich dir
ja nun antworten: Warst es nicht du selbst, der mir ganz richtig
wahrgesagt hat?"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Konjunktur in Albanien"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1942
Entstehungsdatum (normiert)
1937 - 1947
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 196.1942, Nr. 5036, S. 84
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg