Fliegende Blätter (196.1942 (Nr. 5031-5056) = 98. Jahrg.)

Zeichnung von 3. Mauder

„Schätzt, wir müssen Schluß machen, hier in der Fernsprechzelle wirds so eklig feucht!"

Im Wartezimmer

Lieber auf der Straße im strömenden Regen stehen und auf ein
Mädel warten, als beim Zahnarzt im Trocknen sitzen und warten,
bis man drankommt. Aber man ist doch schließlich ein Mann, und
als solcher versuchte ich, meine innere Anruhe durch äußere Ruhe zu
verbergen. Ich blätterte gleichgültig in Witzblättern herum, konnte
aber mit dem besten Willen über keinen Witz lachen; es war ge-
radezu lachhaft — diese Anruhe, die noch gesteigert wurde durch die
unabwendbare Tatsache, baß ich schon als drittnächster drankam.
Mein Ohr glaubte andauernd, das monotone Geräusch der Bohr-
maschine zu hören — plötzlich vernahm ich sogar einen unterdrückten
Schrei. — Ein junges Mädel, das schon immer nervös vor der
Sprechzimmertür auf und ab gegangen war, rückte ab, und ich rückte
auf Numero 2. —

Als bald danach eine Frau aufgerufen wurde, die einen kleinen
Zungen bei sich hatte, wurde die Sache für mich langsam ernst. Ich
rückte auf meinem Stuhl hi» und her und gleichzeitig auf Numero l.
Bevor die Frau im Sprechzimmer verschwand, setzte sie mir ihren
kleinen Jungen auf den Schoß. Ich schaute zunächst etwas blöde
drein, dann war ich aber froh, daß ich als Kindergärtner meine
Gedanken ablenken konnte.

Der Junge war noch nicht recht sprachkundig, er sagte nur „Momo" —
was wohl „Mama" heißen sollte, ihm lag aber anscheinend der
Bokal „a" nicht, er brachte ihn zu dumpf heraus! — Ich machte
„Äoppe, Hoppe, Reiter" mit ihm und gab ihm meine flache goldene
Ahr zum Spielen, die er gleich in de» Mund steckte. Er freute sich
riesig und nannte mich „Popo" (siehe unter „Papa"), worüber eine
ältere Dame lachte und dann sagte: „Paffen Se auf, daß der Junge

die Ahr nicht herunterschluckt I" „Sie können beruhigt sein," sagte ich,
„die Ahr ist an der Kette fest; falls er sie verschluckt, ziehe ich sie
wieder hoch!" — Nach ungefähr 20 Minuten fröhlichen Spiels kam
die junge Mutter zurück. Sie nahm ihr Kind, und ich nahm ihren
Dank in Empfang. Bevor ich aber ins Sprechzimmer ging, wollte
ich doch wissen, warum die Frau gerade mir das Kind zur Aufbe-
wahrung gegeben hatte. „Sie sind der einzige," meinte die vorsorg-
liche Mutter, „der einen Gummimantel anhat!" Seemann Rein,

J^uno braucht seine Garderobe vorläufig nicht zu ergänzen; er
hat schon immer auf einen gut gefüllten Kleiderschrank gehalten.
Jetzt vermißt er etwas darin. „Nanu, wo ist denn der dunkle An-
zug mit dem Fischgrätenmuster? Donner, Hab' ich ganz vergessen —
den Hab' ich ja vor sechs Wochen Willibald gepumpt, weil er bei
seinem Chef eingeladen war. Oho, dem krummen Bund werde ich
gleich mal aufs Dach steigen."

Da der krumme Lund jetzt noch im Geschäft sitzt, kann die Dach-
besteigung telephonisch erfolgen. „Du hast ja noch einen Anzug von
mir! Seit sechs Woche», was ich unerhört finde. Also noch heute
her damit!"

Etwas zaghaft tönt es von Willibald zurück: „Aber gewiß doch!
Nur fürchte ich, der Anzug wird dir nicht recht passen."

„Warum soll mir denn mein Anzug nicht passen?"

„Ja, siehst du, lieber Kuno- der Anzug saß bei mir nicht

recht; da habe ich ihn damals schnell an den Achsel» etwas ändern
und auch den Losenbund enger machen lassen."

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