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Eine Gewohnheit seines Berufs

Von Peter Robinson

Lehnert ist heute zum Mittagessen in eine Gastwirtschaft gegangen,
ganz ausnahmsweise, weil seine Frau zu ihrer Schwester gefahren
ist. Er hat sich diesem Zwang ungern unterworfen; seit 40 Jahren
wohl verheiratet, fühlt er sich in dem ungewohnten Lokal etwas un-
behaglich und hat sich deshalb ganz am Ende des Raums an einem
noch völlig freien Tisch einen Play gesucht. So, da sitzt er nun und
wartet seit fünf Minuten auf den Kellner, daß er seine Bestellung
aufgeben kann. Zu Lause hätte er schon gebrummt, wenn er nicht
bereits die Suppe bekommen hätte. Ja, so sind die alten Ehemänner.

Lehnert kann das ganze Lokal überschauen. Er sieht, wie nun
ein neuer Gast eintritt, ein untersetzter Lerr, ein guter Fünfziger.
Er hat die Drehtür recht schnell schwingen lasten, so daß er hurtig
hereingeflitzt kommt; er mag wohl an Fixigkeit bei der Erledigung
seiner Angelegenheiten gewöhnt sein. Er geht auch mit einiger.Last
durch das Lokal. Lier und dort sitzen einzelne Lerren allein an einem
Tisch. Er sieht sie kurz prüfend an, aber dann schüttelt er den Kopf;
sie scheinen ihm nicht zu passen. So kommt er bis zu Lehnert, und
der muß ihm wohl behagen, denn er nickt zufrieden und brummt
etwas vor sich hin. Lehnert glaubt zu verstehen: „Gut! Erledigter
Fall!" Dann folgt die konventionelle, nur mit höflicher Zustimmung
zu beantwortende Frage: „Sie gestatten?" und er nimmt Platz.

Run taucht auch der Kellner auf. Lehnert bestellt sich das Menü,
der andere gleichfalls. Der Kellner ist ein noch junger Mann, aber
er scheint schwach und kränklich. Als er matt davonschlorrt, sieht ihm
Lehnerts Tischgenosse mit einem Achselzucken nach. „Rischt!" spricht
er vor sich hin. „42, höchstens 45!"

Die Suppe schmeckt Lehnert besser,
als er gedacht hat. Aber der Tischge-
nosse ist unzufrieden, und er erlaubt sich,
das Lehnert milzuteilen. „Natürlich
wieder zu viel Salz! Leider entspricht
das der Gewohnheit vieler Leute. Es
wird im allgemeinen zu viel Salz ge-
braucht; das belastet dann die Nieren,
führt zu hohem Blutdruck und sonstigen

Beschwerden. Limmel-nun sehen

Sie das an!" Er hat nach dem Neben-
tisch geblickt und scheint fast erschrocken.

„Ist ja toll-der Mann da schüttet

sich noch extra Salz in die Suppe. Na,
eines Tages wird er die Folgen spüren.

50, nicht mehr als 50! Allerdings, vor-
läufig merkt man ihm das noch nicht
an. Wenn ich das mit dem Salzexzeß
nicht gesehen hätte, würde ich 70 meinen."

Lehnert versteht nicht, was das heißen
soll, aber er scheut sich, zu fragen; er
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ist eben an solch ein flüchtiges Beisammensein in einer Gastwirtschaft
nicht gewöhnt.

Es gibt ein Schnitzel mit gemischtem Gemüse. Der Tischgenosse
seufzt. „Natürlich aus der Konservendose. Was ist daran nun schon
an Vitaminen? Aber die braucht man doch; bei Vitaminmangel
fühlt man sich matt, und dann greift man zu Anregungsmitteln, die
schließlich schädigend wirken. Außerdem fördert Vitaminmangel die
Disposition, von Krankheiten erwischt zu werden. And deshalb —"
Er unterbricht sich; er hat — diesmal nach der anderen Seite — zum
Nebentisch hinübergesehen und schüttelt entrüstet den Kopf. „So
eine Anvernunft! Der Mann da hat sein Essen zur gleichen Zeit
bekommen wie wir, und schon ist er fertig. Der Mensch hat ge-
schlungen, er kann ja gar nicht gekaut haben. Aber man sieht ihm
auch schon die chronische Dyspepsie an. ?5-aber nur mit Zu-

schlag!"

Lehnert weiß wieder nicht, was das heißen soll; er wird neu-
gierig und hofft, daß seine Neugier befriedigt werden möge.

Als Nachtisch gibt es ein Stückchen Pflaumenkuchen. Der schmeckt
nun Lehnert doch nicht; es ist zu wenig Zucker bei den Pflaumen,
und der Teig ist zu zäh. Er läßt den Kuchen also stehen. Der Tisch-
genosse, der den seinen ohne Vergnügen verzehrt, nickt verstehend.
„Sie sind was Besseres gewöhnt, nicht wahr? So'n bedauernswerter
Junggeselle wie ich muß vorlieb nehmen, aber Sie sind durch die
Fürsorge der Frau Gemahlin verwöhnt."

„Ja, woher wissen Sie denn, daß ich verheiratet bin?" fragt
Lehnert. Es ist eine unüberlegte Frage;
der Tischgenosse zeigt aufLehnerts rechte
Land. „Aber bitte — der Trauring!
Danach sehe ich immer zuerst. Gerade
bei Ihnen allerdings nur gewohnheits-
mäßig; wichtig ist es mir mehr bei
jungen Ehemännern, so im ersten Jahre
der Ehe. Die kommen am meisten für
mich in Betracht."

Lehnert neigt sich der Meinung zu,
der Tischgenosse habe wahrscheinlich ei»
Geschäft, daß sich vorzugsweise an junge
Eheleute wende; vielleicht verkaufe er
Kinderwagen oder Säuglingsausstat-
tungen.

Der Tischgenoffe seufzt, „Ach ja, es
ist ein trauriges Los, es nicht zur Ehe
gebracht zu haben. Die verheirateten
Männer wissen ja gar nicht, wie gut
sie es haben."

Nach diesem Lobe des Ehestandes
hält Lehnert, der ohnehin wegen seiner

Beweis „Glauben Sie, daß die Massage aber
auch richtig wirksam ist?"

„Gewiß doch; seit ich massiere, habe ich ja selbst
schon mindestens zwanzig Pfund abgenommen."
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Beweis"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Blömer, Hermann
Entstehungsdatum
um 1942
Entstehungsdatum (normiert)
1937 - 1947
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 196.1942, Nr. 5038, S. 114
 
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