Fliegende Blätter (196.1942 (Nr. 5031-5056) = 98. Jahrg.)

Menagerie Roosevelt

Der verliebte Geldbriefträger

Von Josef Robert Larrer

Auch Geldbriefträger haben ein Lerz, auch sie können lieben, ob-
wohl sie zur auserlesenen Minderheit jener Menschen gehören, die
auf jeden Fall mehr geliebt werden, als sie selbst zu lieben ver-
mögen.

Aber das bringt eben ihr Beruf mit sich. Was täte zum Bei-
spiel ein Schriftsteller, wenn nicht der Geldbriefträger, der goldene
Lichtblick im „dichtenden" Alltag, wäre?

Aber es handelt sich jetzt um einen dieser goldenen Lichtblicke
selber. And kein Schriftsteller ist dabei, sondern ein junges, hübsches
Mädchen, deffen blonde Laare ein Schatz waren, der nur den
einen Nachteil hatte, daß ihn keine Bank der Welt gegen Bargeld
eintauschcn wollte.

So mußte Lizzie Panke trotz ihrer Schönheitsschätze ein kleines,
armes Daiein fü >ren. Sie tanzte zwar reizend, aber ihre Kunst
reichte nicht hin, eine weitere Welt zu begeistern. And in dem kleinen
Vorstadtvariete waren die Gagen klein, manchmal noch kleiner.

Lizzie bewohnte ein kleines Zimmer im letzten Stockwerk eines
großen Mietshauses, wohin sich Geldbriefträger nur selten verirren,
meist nur dann, wenn eine Steuernachnahme einzukassieren ist.

Aber eines Morgens um acht Ahr 57 Minuten klopfte es mit
einem Bleistift an ver Türe. ‘5l«f ihr leises „Lerein!" trat ein junger
Geldbriefträger ein, der schmunzelte, als ihn Lizzie im orangeroten
Pyjama empfing.

„Verzeihen Sie," flötete Lizzie, „ich dachte, es sei die Wirtin!"

Lächelnd reichte ihr der Geldbote eine Anweisung zur Anterschrift.
Es waren ganze drei Mark. And sie waren von einem unbekannten
Wohltäter. And viele Grüße! Sie schüttelte den Kopf, während der
Geldbriefträger meinte, es sei zwar nicht viel, was er bringe,
aber-

„Da, lesen Sie! Von einem unbekannten Wohltäter!"

„Ein feiner Wohltäter! Ein Dreimark-WohltäterI"

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