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Der Premierenerfolg

Von Alfred Richter

„Nun?" empfing das Frauchen fast atemlos den Dichter-Gatten,
„wie war's? Du strahlst ja, du lachst, du schüttest dich aus, Lerr-
gott, mir wird fast Augst — war denn der Erfolg so ungeheuer?"
Frauchen meinte den Erfolg von Theodors erstem Lustspiel, das sich
den Weg auf die Breiter erobert hatte. Das Theater einer fernen
Stadt hatte das Stück uraufgeführt, und Theodor war, den Frack
im Koffer und das Lampenfieber im Lerzen, hingereist, zwischen Sie-
gesgewißheit und tiefer Niedergeschlagenheit auf und ab pendelnd.
Na, und nun war er wieder heimgekehrt, das große Erlebnis lag
hinter und eine Serie fetter Lonorarabrechnung künftiger Auffüh-
rungen an möglichst vielen Bühnen hoffentlich vor ihm. Frauchen sah
die korpulenten Zahlen im Geiste schon ausmarschieren und sich opfer-
bereit Lals über Kopf in ihr Laushalts-Ausgabenbuch stürzen, um
dort zermahlen zu werden in jenem mechanischen Vorgang des Da-
seins, den man vielleicht allzu trocken
„den täglichen Verbrauch" benannt
hat. Wenigstens in Dichterhaushalten
sollte man das vielleicht etwas blumen-
Hafter ausdrücken.

Aber sei dem, wie ihm sei, man ver-
zeihe mir die Abschweifung: die Haupt-
sache war, Theodor war wieder da und
konnte nun endlich dem Frauchen be-
richten. Lach, wie hatte sie gebangt und
gefiebert und durch Absenden heißer
Wünsche empor in den Aether den Gang
des Geschicks an jenem Theaterabend
zu beeinflussen versucht. War es ge-
glückt? „Theodor, bitte, erzähle —I"

Theodor hatte sein den Magen um-
stülpendes tiefes Männerlachen zu Ende
gelacht, hatte sich bequem auf eine Arm-
lehne des Sessels gelagert, sich eine Zi-
garette angezündet und begann: „Erfolg,
fragst du, Schatz? And was für einer!

Ich glaube, so etwas ist überhaupt noch
niemals da gewesen!"

Genau diese Worte hatte Frauchen
vorausgeträumt. Nun saß sie, als die
Worte wirkliche Klänge wurden, wie
gebannt, wagte ihren herrlichen Dichter-
mann durch keinen Einwurf zu unter-
brechen und schaute ihm nur immerzu
mit großen Augen auf den Mund.

Theodor kostete diese Augenweide
genießerisch aus, Frauchen war aber
auch, wenn sie den Mund ein bißchen
vor Wißbegierde offen hielt, ein gar zu

entzückend kindliches Geschöpf, wenn sie in dieser Pose vielleicht auch
nicht allzu klug wirkte, was sie aber in Wirklichkeit war. „Ja," nickte
Theodor, „es war kolossal. Es war fabelhast; einfach phänomenal.
Das Stück gefiel gleich im ersten Akt so, daß der Beifall auf die
offene Szene rauschte. Der Erfolg steigerte sich dann von Akt zu
Akt. Am Schluß gab es, man darf wohl sagen: zahllose Lervor-
rufe. Das Stück als solches hat also einen vollen Erfolg gehabt.
Tja." Er sog an der Zigarette und kniff die Augen zu. Frauchen
erschrak ein wenig. Was sollte das alles bedeuten? „Warum betonst
du so das Stück als solches?" fragte sie argwöhnisch und angst-
voll. „Da steckt wohl was dahinter?"

„Nun," meinte Theodor, mit dem Bein schwippend, „von dem
Erfolg, den mein Stück hatte, trenne ich den, den ich danach noch
selber, den ich rein persönlich am Ende noch hatte. Dieser zweite

Erfolg war nämlich noch viel größer
als der erste. O ja, weit größer. Ich
sagte ja schon: So etwas ist wohl noch
niemals vorher dagewesen. And du selber
bist an diesem Erfolg nicht unbeteiligt."

„Ich?" stammelte Frauchen und er-
hob sich, von einer dunklen Angst em-
porgetrieben. .

„Erschrick nur nicht," begütigte sie
aber der Dichter, „wie gesagt, es endigte
alles in namenloser Leiterteit. Also,
kurz und gut: Als die ersten Leraus-
rufe mein Dichterohr trafen, und na-
türlich stand ich schon in der Garde-
robe bereit, wenn auch noch in Lemds-
ärmeln, suchte ich den ganzen Koffer ab
nach meiner weißen Krawatte."

„O weh!"

„Ganz recht: o weh! Du hattest sie
nämlich einzupacken vergessen! Der In-
spizient, ein gewitzter Mann, wußte
aber Rat. Er schnitt, ritsch-ratsch, einen
langen Papierstreifen zurecht, der Gar-
derobier, mit Künstlerfingern ausge-
rüstet, schlang den Streifen zu einer
bildschönen Krawatte, und da wir sie
schließlich auch noch irgendwie am Lals-
kragen befestigen mußten, zu großen
Nähübungen aber keineZeit mehr hatten,
klebten wir sie einfach mit Mastix fest.
Mastix, mein Schatz, nimmt man, um die
Bärte in die Gesichter der Schauspieler
zu pappen. Mastix also klebt ganz gut.
Aber an das Festkleben von Dichter-

„Soll i vielleicht d' Fenster zumachen, damit ihr
besser über mi schimpfe könnet?"

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Soll i vielleicht d' Fenster zumachen..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Frank, Hugo
Entstehungsdatum
um 1942
Entstehungsdatum (normiert)
1937 - 1947
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 196.1942, Nr. 5041, S. 162
 
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