Fliegende Blätter (196.1942 (Nr. 5031-5056) = 98. Jahrg.)

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Die Nacht vor der Bilanz

Von Michael Mvlander

„Richard! Wie gefällt dir Richard?"

Lerr Kranzlhuber überlegte einen Augenblick, dann meinte er:
„Nicht schlecht, aber wir bleiben doch lieber bei Gustav. So haben
schon mein Großvater und mein Vater . . ."

Frau Lina ließ ihren Mann nicht ausreden. „Das ist es ja, wes-
halb ich nicht für Gustav bin: du heißt Gustav, das Kind soll auch
Gustav heißen — was wird das für Verwechslungen geben! Schon,
wenn ich euch rufe . . ."

Kranzlhuber lachte. „Erstens sagst du leider nie Gustav, sondern
,Alter' zu mir, und zweitens ist es bei den Kranzlhubers Familien-
tradition, daß der Stammhalter Gustav heißt."

„Von viel Phantasie zeugt
das wirklich nicht!" entgegnete
Frau Lina boshaft.

„Wieso? Was hat denn
unsere Familientradition mit
Phantasie zu tun?"

„Eben nichts, denn sonst
wäre euch schon längst mal
ein anderer Name eingefallen!"

Bevor ihr Gemahl sich hier-
über erbosen konnte, fügte
sie — so ganz nebenbei — hin-
zu: „And wenn es nun kein
Junge, sondern ein Mädchen
wird?"

„Wenn das wider Erwar-
ten der Fall sein sollte, dann
bin ich für Mathilde, der
Name gefiel dir auch immer
gut," antwortete er und gähnte
herzhaft. „Jetzt wollen wir
aber schlafen, ich bin hunde-
müde. Außerdem habe ich
morgen die Bilanz zu machen.

Gute Nacht!" Er knipste die
Nachttischlampe aus und wuch-
tete auf die Seite, denn auf dem
Rücken durfte er nicht schlafen,
da er in dieser Lage noch
lauter zu schnarchen pflegte.

Eine Weile blieb es stumm
im dunklen Zimmer, ohne daß
Frau Lina ihrerseits eine gute
Nacht gewünscht hätte. Lerr
Kranzlhuber vermutete des-
halb mit Recht, daß seine Frau
auch sonst noch etwas zu sagen
haben würde.

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„Nein, Mathilde geht nicht!" rief Frau Lina plötzlich, „so heißt
doch Tante Läfele in Alm, und die meint dann bestimmt, wir haben
unser Kind nach ihr genannt, von wegen Erbtante. Das haben wir
ja, Gott, sei Dank, nicht nötig. Also ,Mathilde' fällt aus!"

„Wegen Nebel," brummelte Kranzlhuber.

„Was sagst du?"

„Recht hast du, habe ich gemeint. Nun denke dir einen anderen
schönen Namen aus, nur laß mich jetzt endlich schlafen!"

„Natürlich, ich soll immer alles allein machen! And wenn ich endlich
einen Namen gesunden habe, gefällt er dir ja doch wieder nicht.
Deine Interesselosigkeit ist unglaublich, Alter! Nachher ist das Kind

da, und wir haben immer noch
keinen Namen!"

„Na, so eilig ist es wirk-
lich nicht," verteidigte sich
Kranzlhuber, „ausgerechnet,
wo ich morgen die Bi-
lanz . . ."

„Wie gefällt dir übrigens
,Felizitas'?" Entschlossen ging
die Kranzlhuberin wieder zur
Tages-beziehungsweiseNacht-
ordnung über.

„Ist denn das überhaupt
ein Name?" fragte er miß-
trauisch.

„Aber Gustav, das ist so-
gar ein sehr schöner Name!"

„Möchtest du so heißen,
Lina?"

Die Frage überraschte Frau
Lina so sehr, daß sie — ein
ganz seltener Fall! — die
Antwort einen Augenblick
schuldig blieb. „Wieso denn
ich? Es handelt sich doch um
unser Kind!"

„Eben!" lachte er und de-
klamierte : „Was du nicht willst,
das man dir tu, das füg' auch
keinem andern zu! — Felizi-
tas Kranzlhuber! Das klingt
wie — wie . . ."

Während er noch nach
einem Vergleich suchte, machte
sie schon einen neuen Vor-
schlag: „Adelheid, was meinst
du zu Adelheid?"

„ ... und da gibt es so abergläubische Idioten, die wieder
umkehren, wenn ihnen ne schwarze Katze begegnet!"