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Ein Sonntagskind
Von Peter Robinson
Der junge Rechtsanwalt Dr. Lugo Wendler wartete auf seinen
ersten Klienten. Aber noch nicht lange, erst seit fünf Minuten, denn
heute hatte er sein Büro — in manchen Gegenden sagt man etwas
großartiger Kanzlei dafür — eröffnet; auf 4 Ahr nachmittags war
der Beginn seiner Sprechstunden angesetzt, und jetzt war es 4 Ahr 5.
Junge Anfänger geben sich ja meist ganz ausschweifenden Er-
wartungen hin, und so war den» der Dr. Wendler schon ein bißchen
ungeduldig, daß noch kein
Klient erschienen war. Aber
dann, um 4 Ahr 6 Minuten,
war er doch überrascht, als
seine Stenotypistin, der eine
gleiche Aeberraschung im Ge-
sicht abzulesen war, erschien
und einen Lerrn LorenzPapen-
roth anmeldete. „Der Lerr
kommt zunächst nur wegen einer
Information/ berichtete sie,
denn sie war instruiert wor-
den, einen Besucher nicht gleich
zu dem Lerrn Rechtsanwalt
hineinzulassen, sondern erst ein-
mal nach seinem Begehr zu
fragen. Das gehört sich so in
einem ordentlichen Bürobe-
triebe, der was vorstellen soll.
Dr. Wendler war mit Ver-
gnügen bereit, jede Informa-
tion zu geben, zu der sein
reiches Wiffen imstande war,
und wenn es doch nicht aus-
reichen sollte — nun, dann
hatte er ja genügend juristische
Nachschlagewerke da. Er ließ
also bitten, aber zu seiner Ent-
täuschung erschien nicht ein
nach bedeutender Wohlhaben-
heit aussehender Lerr, der
vielleicht einen Prozeß um ein
Objekt von gewaltigem Werte
führen würde, sondern ein
kümmerliches altes Männchen,
gekleidet in einen schwarzen
Gehrockanzug, der wie jener
vonLoltei besungene berühmte
Mantel schier dreißig Jahre
alt sein mochte. Dr. Wendler
370
ärgerte sich aber sofort über seine Enttäuschung; sie war ungeziemend
gewesen, denn wenn er auch gern fette Prozesse führen wollte, so
war er andererseits doch ein Diener des Rechtes, dem er in jedem
Falle zum Siege zu verhelfen hatte, selbst wenn dabei für ihn nur
geringe Gebühren herausspringen sollten.
„Mein Name ist Lorenz Papenroth/ stellte sich der so bereits
angemeldete Besucher noch einmal vor. „Darf ich, Lerr Doktor, von
Ihrer sicherlich kostbaren Zeit
einige Minuten für eine An-
frage in Anspruch nehmen?"
„Aber bitte — dazu bin
ich ja da. Nehmen Sie Platz,
Lerr Papenroth. And worum
handelt es sich?"
Lorenz Papenroth setzte
sich, wobei seine Kniegelenke
etwas knackten. „Am einen
merkwürdigen Falk, Lerr Dok-
tor, um einen sehr merkwür-
digen Fall, wie er Ihnen sicher-
lich in Ihrer Praxis noch
niemals begegnet ist."
Da der Rechtsanwalt
Wendler ja eben erst mit seiner
Praxis begann, lächelte er un-
willkürlich etwas verlegen, aber
er freute sich: die Merkwür-
digkeit des Falles wog viel-
leicht die Geringfügigkeit der
zu berechnenden Gebühren auf.
„Ich bin nämlich bestohlen
worden, Lerr Dottor, infam
bestohlen," erklärte Lorenz
Papenroth mit jetzt etwas
grollender Stimme und dem
Versuch, düster zu blicken.
Dr. Wendlers Freude
schwand wieder. „Bestohlen?
Ja, dann müßten Sie sich doch
eher an die Polizei wenden."
„Ja, wenn es sich um einen
Diebstahl an einer Sache han-
delte.Aber derFall liegtanders.
Darfich zunächst einmal fragen,
Lerr Doktor: glauben Sie,
daß Sonntagskinder besonders
vom Glück begünstigt sind?"
Geeignet „Sagen Sie, malen Sie auch Figürliches? Von Ihnen möchte
ich mich gerne malen lassen, Ihre Malweise gefällt mir!"
Ein Sonntagskind
Von Peter Robinson
Der junge Rechtsanwalt Dr. Lugo Wendler wartete auf seinen
ersten Klienten. Aber noch nicht lange, erst seit fünf Minuten, denn
heute hatte er sein Büro — in manchen Gegenden sagt man etwas
großartiger Kanzlei dafür — eröffnet; auf 4 Ahr nachmittags war
der Beginn seiner Sprechstunden angesetzt, und jetzt war es 4 Ahr 5.
Junge Anfänger geben sich ja meist ganz ausschweifenden Er-
wartungen hin, und so war den» der Dr. Wendler schon ein bißchen
ungeduldig, daß noch kein
Klient erschienen war. Aber
dann, um 4 Ahr 6 Minuten,
war er doch überrascht, als
seine Stenotypistin, der eine
gleiche Aeberraschung im Ge-
sicht abzulesen war, erschien
und einen Lerrn LorenzPapen-
roth anmeldete. „Der Lerr
kommt zunächst nur wegen einer
Information/ berichtete sie,
denn sie war instruiert wor-
den, einen Besucher nicht gleich
zu dem Lerrn Rechtsanwalt
hineinzulassen, sondern erst ein-
mal nach seinem Begehr zu
fragen. Das gehört sich so in
einem ordentlichen Bürobe-
triebe, der was vorstellen soll.
Dr. Wendler war mit Ver-
gnügen bereit, jede Informa-
tion zu geben, zu der sein
reiches Wiffen imstande war,
und wenn es doch nicht aus-
reichen sollte — nun, dann
hatte er ja genügend juristische
Nachschlagewerke da. Er ließ
also bitten, aber zu seiner Ent-
täuschung erschien nicht ein
nach bedeutender Wohlhaben-
heit aussehender Lerr, der
vielleicht einen Prozeß um ein
Objekt von gewaltigem Werte
führen würde, sondern ein
kümmerliches altes Männchen,
gekleidet in einen schwarzen
Gehrockanzug, der wie jener
vonLoltei besungene berühmte
Mantel schier dreißig Jahre
alt sein mochte. Dr. Wendler
370
ärgerte sich aber sofort über seine Enttäuschung; sie war ungeziemend
gewesen, denn wenn er auch gern fette Prozesse führen wollte, so
war er andererseits doch ein Diener des Rechtes, dem er in jedem
Falle zum Siege zu verhelfen hatte, selbst wenn dabei für ihn nur
geringe Gebühren herausspringen sollten.
„Mein Name ist Lorenz Papenroth/ stellte sich der so bereits
angemeldete Besucher noch einmal vor. „Darf ich, Lerr Doktor, von
Ihrer sicherlich kostbaren Zeit
einige Minuten für eine An-
frage in Anspruch nehmen?"
„Aber bitte — dazu bin
ich ja da. Nehmen Sie Platz,
Lerr Papenroth. And worum
handelt es sich?"
Lorenz Papenroth setzte
sich, wobei seine Kniegelenke
etwas knackten. „Am einen
merkwürdigen Falk, Lerr Dok-
tor, um einen sehr merkwür-
digen Fall, wie er Ihnen sicher-
lich in Ihrer Praxis noch
niemals begegnet ist."
Da der Rechtsanwalt
Wendler ja eben erst mit seiner
Praxis begann, lächelte er un-
willkürlich etwas verlegen, aber
er freute sich: die Merkwür-
digkeit des Falles wog viel-
leicht die Geringfügigkeit der
zu berechnenden Gebühren auf.
„Ich bin nämlich bestohlen
worden, Lerr Dottor, infam
bestohlen," erklärte Lorenz
Papenroth mit jetzt etwas
grollender Stimme und dem
Versuch, düster zu blicken.
Dr. Wendlers Freude
schwand wieder. „Bestohlen?
Ja, dann müßten Sie sich doch
eher an die Polizei wenden."
„Ja, wenn es sich um einen
Diebstahl an einer Sache han-
delte.Aber derFall liegtanders.
Darfich zunächst einmal fragen,
Lerr Doktor: glauben Sie,
daß Sonntagskinder besonders
vom Glück begünstigt sind?"
Geeignet „Sagen Sie, malen Sie auch Figürliches? Von Ihnen möchte
ich mich gerne malen lassen, Ihre Malweise gefällt mir!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Geeignet"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1942
Entstehungsdatum (normiert)
1937 - 1947
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)