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„Fabelhaft leuchtende 2lugen habe» Sie, Fräulein Pia. Vergesse» Sie ja nicht, die abends »och besonders abzudunkeln!"

Ein Sonntagskind

Dr. Wendler zuckte die Achseln. „Ich weiß, das ist ein volkstüm-
licher Glaube, aber ich möchte mich ihm doch nicht anschließen."

Lorenz Papenroth hob beschwörende, aber magere und etwas
schmutzige Lände. „Dieser Glaube hat recht, Lerr Doktor. Das
Glück ist den Sonntagskindern geneigt; es hätschelt sie, es über-
schüttet sie mit seinen Gaben, es fördert sie, es läßt alles gut
ausgehen, was sie unternehmen, es beschert ihnen fröhliche Iugend-
tage und ein gesegnetes, heiteres Alter. Ich bin ei» Sonntagskind,
Lerr Doktor."

Der Dr. Wendler wunderte sich. „Entschuldigen Sie, Lerr Papen-
roth, aber genieße» Sie jetzt tatsächlich ein gesegnetes, heiteres Alter?
Sind Ihnen fröhliche Iugendtage beschert gewesen? Ist Ihnen wirk-
lich alles gut ausgegangen, was Sie unternommen haben? Kurzum:
hat das Glück Sie gehätschelt und mit seinen Gaben überschüttet?"

Lorenz Papenroth gab ein kurzes Lachen von jener Art von sich,
die man als bitteres Lachen zu bezeichnen pflegt. „Nein, das hat
das Glück allerdings nicht getan; es hat sich gar nicht um mich ge-
kümmert. Aber warum nicht? Weil das Glück getäuscht worden ist.
Es hat gar nichts von meiner Sonntagskindschaft gewußt; es hat
mich vielmehr für ein simples Wochentags- und zwar für ein Mon-
lagskind gehalten. Denn als ein solches gibt mich meine standesamt-
liche Geburtsurkunde aus, und ich nehme an, daß sich das Glück
danach gerichtet hat. Aber es stimmt nicht mit der Arkunde; ich bin
bei ihrer Ausstellung um meine Sonntagskindschaft bestohlen worden,
Lerr Doktor. Allerdings geschah das in keiner bösen Absicht; die
beiden Leute, die damals dem Standesbeamten falsche Angaben mach-
ten, wollten für den einen dabei nur einen kleinen Vorteil heraus-
schlagen. Mein Geburtstag wurde mit dem eines anderen, am nächsten
Tage Geborenen vertauscht. So wurde jener das Sonntagskind, und
ihm hat tatsächlich das Glück seine Gunst im reichsten Maße zuge-
wendet. Ihm ist alles geglückt im Leben; er sitzt jetzt da in Glanz
und Lerrlichkeit. Millionär ist der Mann, Lerr Doktor, und ich bin
ein armer Lund."

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„Das tut mir leid," meinte Dr. Wendler, den der Fall, obwohl
er zweifellos ihm keine Gelegenheit zur Verwertung seiner Rechts-
kenntnisse geben würde, nun zu interessieren begann. „Aber Sie
müssen mir das näher erklären."

„Gewiß, Lerr Doktor, dazu bin ich ja hergekommen. Also: laut
Geburtsurkunde bin ich geboren am 21. August 1875. Das stimmt
aber nicht; ich bin schon am 20. August 1875 geboren, und das war
ei» Sonntag. In Geburtsregistern stimmt ja manchmal etwas nicht.
Ich erinnere mich, einmal gelesen zu haben, daß Carlo Bonaparte —
er war auch Jurist, nicht wahr, Lerr Doktor ? — seinen Sohn Napoleon
als etwas jünger ausgegeben hat, weil er das Alter für die Auf-
nahme in der Militärschule zu Brienne schon ein wenig überschritten
hatte. Wenn das i» einer so vornehmen Familie — die Bonapartes
waren doch Patrizier — passiert, dann kann man also nicht jeder
Geburtsurkunde Glauben schenken, wie es das Glück in meinem Falle
dummer Weise getan hat. Geboren bin ich in einer kleinen Stadt,
deren Namen ich mit Rücksicht auf viele andere dort sicherlich vor-
gekommene Fälle von falschen Geburtsangaben vorläufig noch nicht
nennen möchte. Denn in jener kleinen Stadt kam nur sehr selten
an einem Sonntag ein Kind zur Welt — wenigstens nach dem
Geburtsregister des Standesamts. Das hätte dieser Behörde
eigentlich auffallen müssen, denn da die Woche sieben Tage hat,
müßte man doch annehmen, daß von allen Kindern ungefähr
ein Siebentel Sonntagskinder sind. Meinen Sie das nicht auch,
Lerr Doktor?"

Dr. Wendler nickte. Ja, damit hatte Lorenz Papenroth wohl nicht
unrecht.

„Gut! In meinem Geburtsort aber wurde kaum der hundertste
Teil der Kinder als am Sonntag geboren angemeldet, doch hatte
dafür der Montag etwa die doppelte Zahl von Geburtsmeldungen
als die anderen Wochentage. Aber warum? Jene kleine Stadt ist
der Mittelpunkt eines Kohlenbezirks, und die Mehrzahl ihrer Be-
wohner sind Bergarbeiter. Nun war es eingeführt, daß ein Berg-
arbeiter an dem Tage, da ihm ein Kind geboren wurde, nicht einzufahre»

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Fabelhaft leuchtende Augen haben Sie, Fräulein Pia"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Mauder, Josef
Entstehungsdatum
um 1942
Entstehungsdatum (normiert)
1937 - 1947
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Weltkrieg <1939-1945>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 196.1942, Nr. 5054, S. 372
 
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