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Der Aktensack

sagte er. Den Aktensack aber brachte dann am nächsten Vormittag
ein Gerichtsdiener mit einem Karren ins Kreisgericht.-

Einmal aber konnte das nicht geschehen, und das sah zuerst nach
einer recht bösen Geschichte aus. Drei schöne Lochsommertage — es
waren die ersten des Juli im Jahre 1870 — hatte der Lerr Kreis-
richter Neubeyser mit seinem damaligen Aktuar Thiele in Schoppau
verbracht. Es hatte nicht viel zu tun gegeben; im Sommer wird ja
nicht so viel Lolz gestohlen wie im Winter; da braucht man nur
welches zum Kochen, nicht auch zum Leizen. Glatte, leichte Fälle
waren das gewesen, bei denen es sich meist nur um die Aneignung
von Knüppelholz dritter oder zweiter oder, wenn es schlimmer kam.
erster Klaffe gehandelt hatte. Welche Sorte anzunehmen war, be-
stimmte die Aussage des Försters oder Legers, der glücklicher Weise,
wie das Forstamt meinte, oder leider, wie die Betroffenen dachte»,
dazugekommen war. Man nahm aber den Leuten das Lolz nicht
etwa wieder fort; das hätte ja nur unnütze Umstände gemacht. Nein,
man liest es ihnen, und je nach dem Anträge des Forstpolizeianwalts
verurteilte sie das Kreisgericht zu einigen Silbergroschen Schaden-
ersatz. Ein Mehrfaches davon, je nach den Amständen das Drei-,
Fünf- oder Zehnfache, wurde freilich daneben noch als Strafe auf-
gebrummt. Die aber konnte schließlich auch, wenn kein Geld da war.
durch Arbeit im Forst abgegolten werden — vorausgesetzt, daß es
dem Förster Baalke, dem der Forstbezirk Schoppau unterstand, so
paßte und ihm die Person des Malefikanten nicht unsympathisch war.
Baalke war aber manchmal großzügig darin; wenn seine Gattin, die
Frau Försterin. gerade einmal Lilfe im Laushalt brauchte, etwa
bei der großen Wäsche, ließ er das auch als Forstarbeit gelten.

Einen bösen Fall hatte es aber doch gegeben. Der betraf Joseph
Koslowski, der dem Förster Baalke schon längst als gefährlicher
Attentäter auf das Wohl des Waldes verdächtig gewesen war —
als Wurzelreißer, wie man dort sagte. Koslowskis Frau fertigte
Körbe und Körbchen an. und er besorgte das Material dazu in
Gestalt dünner, schmiegsamer Wurzeln. Dazu kaufte er — so sollte
es wenigstens den Anschein haben — hin und wieder um ein paar
Silbergroschen einige Stubben gefällter Bäume, die er dann, um

der Anversehrtheit der Wurzeln willen, sorgsam ausgrub. Soweit
war alles in Ordnung, aber zu seiner gerechten Empörung fand der
Förster Baalke immer wieder Stellen im Walde, wo um einen
gesunden Baum herum, der noch lange gedeihen sollte, die Erde
aufgewühlt und die feineren Wurzeln herausgerissen waren, was
natürlich mit dem Gedeihensollen nicht vereinbar war. Baalke begann,
zu kontrollieren, wieviel Körbe und Körbchen, die letzten hübsch
lackiert, von der Koslowska in die Stadt geschickt wurden. Er kam
zu der Folgerung, daß zu ihrer Lerstellung die rechtmäßig erwor-
benen Wurzeln nicht entfernt hätten ausreichen könne», und danach
schloß er auf Koslowskis Methode: der verfluchte Kerl kaufte heute
ein oder zwei Baumstubben, und in den nächsten Tagen stahl er ein
Mehrfaches an Wurzeln dazu, unter gefährlicher Schädigung des
Waldes. And dann erwischte Baalke endlich einmal den Wurzel-
reißer. Zwar nicht auf frischer Tat. erst auf dem Leimwege danach.
Koslowski kam aus dem Walde mit einem Landwagen, der mit den
feinsten Wurzeln bepackt war. Er tat unschuldig. Nanu, hatte er
nicht vorgestern zwei Stubben gekauft? Bitte, hier waren die Wurzeln
davon! Baalke schätzte ab, fand, daß dies die Wurzeln von mindestens
einem halben Dutzend ausgewachsener Bäume sein mußten, machte
sich mit einem Leger aus die Suche, und richtig — da und dort
waren wieder ganz frisch Wurzeln gerissen worden. Eine An-
klage ging an das Kreisgericht, und nun, am 6. Juli 1870, wurde
verhandelt.

Koslowski blieb bei seiner Behauptung; er war sogar bereit, zu
beschwöre», was ihm aber nicht erlaubt werden durfte. Der Lerr
Kreisrichter Neubeyser maßte sich nicht an, selber beurteilen zu
können, welche Wurzelmenge zu zwei Stubben gehörte, und ob sie
einen Landwagen füllen könnte. Er verließ sich auf den Förster
Baalke als Sachverständigen und verdonnerte Koslowski zu 14
Tagen Gefängnis, wozu er sich eine Woche nach Eintritt der Rechts-
kraft des Arteils in der Stadt einfinden sollte.

Koslowski. ein großer, starker Kerl, wollte frech werden und
mußte durch den Landreiter zum Verlaffen des im Schoppauer Gasthof
improvisierten Gerichtslokals gezwungen werden. Er lärmte draußen
noch eine Weile herum, und als dann seine Frau kam, setzten sich

^Op^

>Im Auto solle» mir doch keine Mißerfolge gemeldet werden, Sie wissen doch, da geh ich hoch!'

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"Im Auto sollen mir doch keine Mißerfolge gemeldet werden..."
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Mauder, Josef
Entstehungsdatum
um 1942
Entstehungsdatum (normiert)
1937 - 1947
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Weltkrieg <1939-1945>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 196.1942, Nr. 5046, S. 244

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