o
Der Tanzlehrer
Von Alfred Richter
Zn Kortschewa, dem kleinen russischen Nest dahinten, weit hinter
Moskau nach Osten zu gelegen, war unter den jungen Leuten große
Aufregung. Aus Moskau, der Hauptstadt des Reiches, war ein
Tanzlehrer hergereist gekommen und hatte Plakate anschlagen lasten,
und alle jungen Mädchen und alle Jünglinge und jungen Männer
standen davor, lasen, staunten, stießen sich an und flüsterten.
In Kortschewa, dem weltvergessenen Städtchen, in dem jahraus
und jahrein nichts los war, außer ein paar Erschießungen, die aber
längst keine Sensation mehr waren, verlebte seine Alterstage der
hochbejahrte Grigorij Semstwow, ein schweigsamer Greis, der erst
vor einigen Jahren nach Kortschewa, dem Herkunftsort seiner Mutter,
zugezogen war, und was er die Jahrzehnte seines Lebens getrieben
hatte, und wo er gelebt hatte, das wußte niemand so recht. Die
Hauptsache war: seine Papiere waren in Ordnung, Belastendes lag
gegen ihn nicht vor, und so blieb er, zumal er so still war wie ein
Fisch, unbehelligt.
Zu Grigorij Semstwow, chem Modergreis, den die Jungen ver-
achteten, die als Bolschewiken geboren waren, kam der Enkel Pjotr
hereingestürmt; er war der einzige, der sich um den Alten manchmal
in einer Anwandlung von Mitleid kümmerte, und so war er auch
der einzige, dem gegenüber, der alte Semstwow, wenn auch mit
äußerster Vorsicht, gelegentlich seine Meinung andeutete. Er hatte
das sichere Gefühl, dieser wackere Junge mit den großen blauen
Augen würde ihn nicht der GPA anzeigen. „Väterchen", begrüßte
58
Der Tanzlehrer
Von Alfred Richter
Zn Kortschewa, dem kleinen russischen Nest dahinten, weit hinter
Moskau nach Osten zu gelegen, war unter den jungen Leuten große
Aufregung. Aus Moskau, der Hauptstadt des Reiches, war ein
Tanzlehrer hergereist gekommen und hatte Plakate anschlagen lasten,
und alle jungen Mädchen und alle Jünglinge und jungen Männer
standen davor, lasen, staunten, stießen sich an und flüsterten.
In Kortschewa, dem weltvergessenen Städtchen, in dem jahraus
und jahrein nichts los war, außer ein paar Erschießungen, die aber
längst keine Sensation mehr waren, verlebte seine Alterstage der
hochbejahrte Grigorij Semstwow, ein schweigsamer Greis, der erst
vor einigen Jahren nach Kortschewa, dem Herkunftsort seiner Mutter,
zugezogen war, und was er die Jahrzehnte seines Lebens getrieben
hatte, und wo er gelebt hatte, das wußte niemand so recht. Die
Hauptsache war: seine Papiere waren in Ordnung, Belastendes lag
gegen ihn nicht vor, und so blieb er, zumal er so still war wie ein
Fisch, unbehelligt.
Zu Grigorij Semstwow, chem Modergreis, den die Jungen ver-
achteten, die als Bolschewiken geboren waren, kam der Enkel Pjotr
hereingestürmt; er war der einzige, der sich um den Alten manchmal
in einer Anwandlung von Mitleid kümmerte, und so war er auch
der einzige, dem gegenüber, der alte Semstwow, wenn auch mit
äußerster Vorsicht, gelegentlich seine Meinung andeutete. Er hatte
das sichere Gefühl, dieser wackere Junge mit den großen blauen
Augen würde ihn nicht der GPA anzeigen. „Väterchen", begrüßte
58
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Hans und Franz - 'hoch die Malerei!'"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1942
Entstehungsdatum (normiert)
1937 - 1947
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 197.1942, Nr. 5061, S. 58
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg