Der Nest des Geleitzuges
„Hallo, Boy, bist du auch auf dem Weg nach "Archangelsk?"
Von Josef Rodert Sarrer
Wir saßen im Cafe Bella vista. Der Zufall brachte unsere Unter-
haltung auf das Thema Zufall. Nachdem mancher von uns seinen
Beitrag durch die Schilderung eines selbst erlebten Zufalles gegeben
hatte, sagte Carlo Sebasti:
„Ja, die Zufälle! Es mag merkwürdig sein, was ihr da erzählt
oder in Eile erfunden habt! Nun will auch ich von einem Zufall
berichte», der eigentlich eine Folge von Zufälle» ist. Vor Jahren
arbeitete ich bei einer oberitalienischen Zeitschrift, die meine heiteren
Kurzgeschichten gerne veröffentlichte. Wenn sich in der gleiche»
Nummer zwei meiner Geschichten befanden, wurde eine mit meinem
Pseudonym Giuseppe Sperante gezeichnet. Einmal nun schrieb ich
in einer grotesken Plauderei unter anderem folgendes: ,Wenn man
Glück haben will, muß man auch den Launen einer momentanen
Stimmung folgen können. Meine Stimmung ist jetzt so, daß ich
mir einbilde, nur ein Mädchen, das blond ist, das an einem 15.
geboren ist, das eine gute Schachspielerin ist, das Violett als Lieb-
lingsfarbe bezeichnet, das außerdem japanische .Holzschnitte liebt,
kurz, nur ein solches Mädchen könne mir bis zum 17. Juli laufenden
Jahres verraten, welche drei Nummern ich im Lotto spielen muß,
um einen Terno zu gewinnen. Wenn es ein solches Mädchen gibt,
so möge es mir schreiben! Ich wohne in Rom, in der Via Alessan-
dria 7/ .. . So schrieb ich in meiner Plauderei, die ich dann mit
Pseudonym zeichnete. Ich rechnete nämlich nicht im geringsten mit
einer Zuschrift, als ich in meiner heiteren Plauderei ein Mädchen
mit recht ausgefallenen Eigenschaften ansprach. Es kam auch kein
Schreiben . . . Am 16. Juli saß ich abends in meinem Zimmer und
döste vor mich hin. Da wurde in einer nahen Wohnung ein Gram-
mophon auf die schöne Abendstille losgelassen. Noch dazu spielte
man eine Platte, die mir verhaßt war. Ich war umso mehr ver-
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ärgert, als ich ganz gegen meine Gewohnheit einmal den Abend
daheim verbringen wollte. Nun zwang mich das zudringliche Gram-
mophon zu einer Handlung, deretwegen ich nicht zu Hause geblieben
war. Ich schaltete meinen Radioapparat ein. Ich geriet mitten in
eine Reportagesendung, die einen Spaziergang durch das Haupt-
postamt schilderte. Eben sagte der Rundfunksprecher: ,Nun betreten
wir die sogenannte Briefsichtungsstelle, wo alle Sendungen zusam-
menkommen, die nicht zugestellt werden können, sei es, daß die An-
schriften äußerst mangelhaft geschrieben, oder daß die Absender nicht
aufzufinden waren. Da liegt zum Beispiel ein Brief vor mir, der
vor drei Monaten in Mailand aufgegeben worden ist und an einen
Herrn Giuseppe Sperante in Rom, Via Alessandria 7 gerichtet ist.
Die Post bemüht sich, einen Herrn Sperante nicht nur in der Via
Alessandria, sondern auch in allen ähnlich klingenden Straßen zu
finden. Ja, man ging sogar so weit, den Brief nach Alessandria,
Via di Roma zu senden. Auch dort gab es keinen Sperante. Da
kein Absender angegeben ist, dem man den Brief zurücksenden könnte,
und da-!' Weiter hörte ich nicht zu. Ich telephonierte sofort
an das Hauptpostamt und sagte, durch welchen Zufall ich eben er-
fahren hatte, daß für mich bei der Briefsichtungsstelle ein Brief
liege. Man lud mich ein, hinzukommen. Ich »ahm die betreffende
Nummer der Zeitschrift mit, die dann auch zur Legitimierung ge-
nügte. Ich erhielt den Brief, ich riß ihn auf, ich fand die netten
Worte eines Mädchens aus Mailand, das nach ihren Beteuerungen
alle Bedingungen erfüllte, die ich in meiner Humoreske aufgestellt
hatte. And sie riet mir, die Nummern 28, 29, 30 im Lotto zu
spielen . . . Ihr müßt doch zugeben, daß alles eine Kette von Zu-
fällen war, meine Humoreske selbst, der Abend in meinem Leiin,
das kreischende Grammophon, die Radiosendung ... Es war
außerdem am 16. Juli, so daß ich am nächsten Tag die merkwür-
digen, um nicht zu sagen, dummen Nummern spiele» konnte. And da
mir bisher der Zufall etliche Aeberraschungen gebracht hatte, ließ
ich auch die letzte nicht aus: ich spielte die Nummern."
„Nichts mehr zu wolle», hier kann ich verschiedenes
entgültig löschen!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Rest des Geleitzuges"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1942
Entstehungsdatum (normiert)
1937 - 1947
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 197.1942, Nr. 5068, S. 174
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg