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Ein wahrhaft reizender Ehemann
Von Io Lanns RSsler
Kitty kam trällernd ins Zimmer. — Kitly setzte sich auf meinen
Schreibtisch.
„Störe ich, Johannes?"
„Im Gegenteil, Kitty I Du regst an!"
„Dann beantworte mir, bitte, eine Frage, Johannes!"
„Welche, Kitty?"
„Last du diesen Monat gut verdient?"
Ich sah mich erschrocken um.
„Ich? Wieso?"
„Das merkt doch eine Frau!
Du rauchst bessere Zigaretten,
du hast bessere Laune, du
bringst fünf Nelken statt drei
— paß auf, Johannes, du wirst
noch ein steinreicher Mann
werden."
„Bis dahin ist noch ein
weiter Weg, Kitty!"
Kitty lächelte. Sie sah
übrigens entzückend aus, wenn
sie lächelte.
„Ich werde dich auf diesem
Weg begleiten, Johannes!"
„Bravo! Willst du mir die
Bücher führen? Meine Briefe
schreiben?"
Kitty schüttelte den Kopf.
Sie sah übrigens reizend aus,
wenn sie den Kopf schüttelte.
„Nein. Ich helfe dir an-
ders. Ich hebe deinen Kredit,
Johannes."
„Aha! And wie willst du
das anfangen?"
„Indem ich mich besonders
schön anziehe, Johannes!"
„Dieses Opfer kann ich nicht annehmen, Kitty! Außerdem tust du
das schon seit Jahren. Du trägst die schönsten Kleider, die flottesten
Äüte, die feschesten Landtaschen-"
Kitty machte ein trauriges Gesicht. Sie sah übrigens entzückend
aus, wenn sie ein trauriges Gesicht machte.
„Das war einmal, Johannes! Vor Jahren habe ich schöne Klei-
der gehabt. In Wien. Vor Jahren hast du mir sogar einen Pelz-
mantel geschenkt!"
„Den hast du ja noch, Kitty."
„And ob ich ihn habe! Der hält ewig!"
„Warum soll er nicht ewig halten? Teuer genug war er ja."
Kitty sah mich entsetzt an. Sie sah übrigens reizend aus, wenn
sie mich entsetzt ansah.
„Soll das ein Vorwurf sein, Johannes?"
„Rein. Eine Feststellung."
„Darf ich auch einmal etwas feststellen?"
„Bitte — gern."
„Darf die Frau eines reichen Mannes mit einem Pelz herumlaufen,
der sechs Jahre alt ist, und den
sie schon getragen hat, als ihr
Mann noch kein reicher Mann
war?"
„Damals ging er weit über
unsere Verhältnisse, Kitty!"
Kitty nickte. Sie sah übri-
gens reizendaus,wennsienickte.
„And heute geht er weit
unter unsere Verhältnisse I Nur
einer gut angezogenen Frau
glaubt man, daß ihr Mann
etwas geworden ist. Man be-
urteilt die Karriere eines Man-
nes nach den Kleidern seiner
Frau. Das verstehst du nicht,
Johannes, aber es ist so. And
darum kann ich nicht mehr in
einem Pelz herumlaufen, in
dem ich schon vor sechs Jahren
herumgelaufen bin. Nicht we-
gen mir, nur deinetwegen,
Johannes l Wenn es nach mir
ginge, liefe ich nackt!"
„Warum willst du, daß die
Leute mich beneiden, Kitty?"
Kitty errötete. Sie sah übri-
gens reizend aus, wenn sie
errötete.
Ich küßte sie mitten auf den Mund. — „Also, nun sag schon
deinen Wunsch, Kitty!"
„Sagen? Nein, Johannes l Das mutzt du schon selbst erraten. Du
wirst schon von selbst darauf kommen. Denk nur einmal ein wenig
darüber nach. Sechs Jahre wohnen wir jetzt schon in dieser Straße.
Sechs Jahre trage ich jetzt schon diesen Pelz. Seit sechs Jahren
kennt also in dieser Straße jeder Mensch meinen Pelz. Jeder Mensch
weiß, diesen Pelz hat die Frau vor sechs Jahren bekommen. In
dieser Straße schaut man nicht mehr beneidend, nicht mehr bewun-
dernd auf diesen Pelz, im Gegenteil, man lächelt mitleidig, man
rümpft die Nase, man raunt bedauernd: Die arme Frau! Kauft
„Leut is mal kühl, Erna, braun kannste da weniger
werden, aber blau."
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Ein wahrhaft reizender Ehemann
Von Io Lanns RSsler
Kitty kam trällernd ins Zimmer. — Kitly setzte sich auf meinen
Schreibtisch.
„Störe ich, Johannes?"
„Im Gegenteil, Kitty I Du regst an!"
„Dann beantworte mir, bitte, eine Frage, Johannes!"
„Welche, Kitty?"
„Last du diesen Monat gut verdient?"
Ich sah mich erschrocken um.
„Ich? Wieso?"
„Das merkt doch eine Frau!
Du rauchst bessere Zigaretten,
du hast bessere Laune, du
bringst fünf Nelken statt drei
— paß auf, Johannes, du wirst
noch ein steinreicher Mann
werden."
„Bis dahin ist noch ein
weiter Weg, Kitty!"
Kitty lächelte. Sie sah
übrigens entzückend aus, wenn
sie lächelte.
„Ich werde dich auf diesem
Weg begleiten, Johannes!"
„Bravo! Willst du mir die
Bücher führen? Meine Briefe
schreiben?"
Kitty schüttelte den Kopf.
Sie sah übrigens reizend aus,
wenn sie den Kopf schüttelte.
„Nein. Ich helfe dir an-
ders. Ich hebe deinen Kredit,
Johannes."
„Aha! And wie willst du
das anfangen?"
„Indem ich mich besonders
schön anziehe, Johannes!"
„Dieses Opfer kann ich nicht annehmen, Kitty! Außerdem tust du
das schon seit Jahren. Du trägst die schönsten Kleider, die flottesten
Äüte, die feschesten Landtaschen-"
Kitty machte ein trauriges Gesicht. Sie sah übrigens entzückend
aus, wenn sie ein trauriges Gesicht machte.
„Das war einmal, Johannes! Vor Jahren habe ich schöne Klei-
der gehabt. In Wien. Vor Jahren hast du mir sogar einen Pelz-
mantel geschenkt!"
„Den hast du ja noch, Kitty."
„And ob ich ihn habe! Der hält ewig!"
„Warum soll er nicht ewig halten? Teuer genug war er ja."
Kitty sah mich entsetzt an. Sie sah übrigens reizend aus, wenn
sie mich entsetzt ansah.
„Soll das ein Vorwurf sein, Johannes?"
„Rein. Eine Feststellung."
„Darf ich auch einmal etwas feststellen?"
„Bitte — gern."
„Darf die Frau eines reichen Mannes mit einem Pelz herumlaufen,
der sechs Jahre alt ist, und den
sie schon getragen hat, als ihr
Mann noch kein reicher Mann
war?"
„Damals ging er weit über
unsere Verhältnisse, Kitty!"
Kitty nickte. Sie sah übri-
gens reizendaus,wennsienickte.
„And heute geht er weit
unter unsere Verhältnisse I Nur
einer gut angezogenen Frau
glaubt man, daß ihr Mann
etwas geworden ist. Man be-
urteilt die Karriere eines Man-
nes nach den Kleidern seiner
Frau. Das verstehst du nicht,
Johannes, aber es ist so. And
darum kann ich nicht mehr in
einem Pelz herumlaufen, in
dem ich schon vor sechs Jahren
herumgelaufen bin. Nicht we-
gen mir, nur deinetwegen,
Johannes l Wenn es nach mir
ginge, liefe ich nackt!"
„Warum willst du, daß die
Leute mich beneiden, Kitty?"
Kitty errötete. Sie sah übri-
gens reizend aus, wenn sie
errötete.
Ich küßte sie mitten auf den Mund. — „Also, nun sag schon
deinen Wunsch, Kitty!"
„Sagen? Nein, Johannes l Das mutzt du schon selbst erraten. Du
wirst schon von selbst darauf kommen. Denk nur einmal ein wenig
darüber nach. Sechs Jahre wohnen wir jetzt schon in dieser Straße.
Sechs Jahre trage ich jetzt schon diesen Pelz. Seit sechs Jahren
kennt also in dieser Straße jeder Mensch meinen Pelz. Jeder Mensch
weiß, diesen Pelz hat die Frau vor sechs Jahren bekommen. In
dieser Straße schaut man nicht mehr beneidend, nicht mehr bewun-
dernd auf diesen Pelz, im Gegenteil, man lächelt mitleidig, man
rümpft die Nase, man raunt bedauernd: Die arme Frau! Kauft
„Leut is mal kühl, Erna, braun kannste da weniger
werden, aber blau."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Heut is mal kühl, Erna..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1942
Entstehungsdatum (normiert)
1937 - 1947
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 197.1942, Nr. 5069, S. 186
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg