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Von Josef Robert Larrer

„Mein Bub will keinen Lebertran nehmen!" klagte unser Freund
Karl, als das Gespräch auf die Sorgen kam, die man init den
Kindern hat.

„Waren wir als Kinder anders?" meinte ich. Da sagte Artur:

„Nein, wir waren nicht anders! Als ich zum erstenmal den Löffel
mit dem Lebertran sah, wehrte ich mich mit Länden und Füße» da-
gegen. Meine Mutter wußte sich nicht zu helfen. Als mittags der
Vater heim kam, klagte ihm die
Mutter ihr Leid. Der Vater wandte
sich lächelnd an mich:

„Schau, lieber Tury, der Onkel
Doktor hat dir den Lebertran ver-
ordnet, damit du groß und stark
wirst! Wenn du dann groß und stark
bist, kannst du viel Geld verdienen
und dir alles kaufen, was dir Freude
macht."

„Auch die kleine elektrische Eisen-
bahn?" fragte ich aufhorchend.

„Ja, natürlich! Aber wenn du
nicht groß und stark wirst, dann kannst
du nur wenig Geld verdienen, und
dann bleibt eben nichts für die Ei-
senbahn."

Das klang recht einleuchtend. Der
Vater griff nach der Lebertranflasche
und sagte:

„Und nun versuche es einmal!

Es schmeckt gar nicht so schlecht!"

Das holde Bild der ersehnten
Eisenbahn leuchtete vor meinen Au-
gen. Aber als ich den Löffel ganz
nahe sah, da versank dieses schöne Bild.

Ich verzog das Gesicht und murrte:

„Ach, Vater, wenn ich warten soll,
bis ich groß und stark bin, dann freut
mich jetzt der Lebertran nicht!"

Mein Vater überlegte kurz. Er
nickte.

„Gut, Tury, wenn du brav jeden
Tag den Lebertran nimmst, sollst du
für jeden Löffel ein Zweihellerstück
von mir bekommen."

„Wirklich, Vater? Für jeden
Löffel Lebertran?"

„Ja, ich werde dir jedesmal ein
Zweihellerstück in die Sparkasse wer-
fen. And wenn die erste Flasche leer
ist, machen wir die Sparkasse auf!"

Ich nickte glücklich und nahm
den ersten Löffel Lebertran.

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Der Vater sagte anerkennend: „Brav! Noch heute kaufe ich dir
eine kleine Sparkasse, ein Porzellanschweinchen. And da wollen wir
täglich ein Zweihellerstück hineingeben!"

So geschah es auch. Tag für Tag schob mein Vater, wenn ich meinen
Löffel Lebertran genommen hatte, ein Zweihellerstück in das Schwein-
chen. Bald konnte ich es nicht mehr erwarten, bis die Flasche leer war.
Ich hatte mich inzwischen an den Lebertran gewöhnt, so daß ich ihn

eigentlich gerne schlürfte. Manchmal
bat ich sogar, zwei Löffel Lebertran
nehmen zu dürfen. Der Vater war
damit einverstanden und schob zwei
Münzen in das Schweinchen. Als
kein Tropfen mehr in der Flasche
war, fragte ich, ob nun das Schwein-
chen geleert werden dürfe. Der Vater
nickte; er zerbrach selbst die Spar-
kaffe, er nahm das Geld und sagte:
„Jetzt wollen wir mit dem Geld
einkaufen gehen! Komm, Tury!"

Glücklich machte ich mich mit dem
Vater auf den Weg. Schon näherten
wir uns der Spielwarenhandlung,
in deren Schaufenster die kleine
Eisenbahn lockte. Aber zu meinem
Erstaunen traten wir in die Apotheke.
Mein Vater kaufte für das Geld,
,mein Geld", eine Flasche Lebertran
und sagte: „Sol And nun wollen wir
mit einer neuen Flasche anfangen, da-
mit wir groß und stark werden! Du
kannst stolz sein, Tury; denn diese
Flasche Lebertran hast du mit deinem
eigenen Geld gekauft!"

Anser Freund Artur schwieg. Wir
lachten. Da meinte Freund Karl:
„Recht schlau von deinem Vater!
Aber eigentlich hat er dich zum besten
gehalten!"

„Möglich!" erwiderte Artur.
„Aber ich danke es ihm noch heute;
denn er hat mir über das Schwerste
hinweggeholfen, über das Schwerste,
was es im ganzen Leben überhaupt,
in der Jugend, im Alter, im Tun
und Lassen gibt: über den Anfang!
Wenn man einmal drinnen ist, dann
geht es schon sozusagen von selbst
weiter... So ist mir die Lebertran-
episode meiner Jugend eine wun-
derbare Lehre für mein ganzes
Leben geworden!"

„'s isch no guet. daß bloß a leichter Moscht im Fäßle tsch,
Mariele, wenn do a schwerer Wein drin wär, täte mir's
gar net es Bergle ruffbringe."
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"'s isch no guet, daß bloß a leichter Moscht im Fäßle isch..."
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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Frank, Hugo
Entstehungsdatum
um 1942
Entstehungsdatum (normiert)
1937 - 1947
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 197.1942, Nr. 5072, S. 234

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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